Maler Edward Benjamin Gordon:Die Kunst des Geldverdienens

Wenn Kunst auf Marktwirtschaft trifft: Täglich malt der Künstler Edward Benjamin Gordon ein Bild und versteigert es meistbietend im Internet. Mit Erfolg.

Johannes Boie

Ein Maler, zumal einer, der etwas auf sich und seine Kunst hält, geht keine Kompromisse ein. Großzügig bestreicht er die Leinwand mit Farbe. Die Kunst entsteht beim Pinselstrich. Und Geld spielt keine Rolle.

Foto: Edward Benjamin Gordon

Jeden Tag ein Bild: Der Künstler Edward Benjamin Gordon verkauft seine Kunstwerke online.

(Foto: Foto: Edward Benjamin Gordon)

Edward Gordon sagt, dass eine Tube Chinese Vermilion 80 Euro kostet. Innendrin stecken 225 Milliliter rotbraune Farbe. Außerdem bezahlt der Maler für sein Atelier, hat Ausgaben für Pinsel, Stifte und Papier. Und natürlich für Leinwände. Edward Gordon malt gerne auf Belgischer Leinwand. Die ist nach einer uralten Methode fein gewebt. Sie wird in Belgien von Hand hergestellt und kostet knapp 50 Euro je Meter.

Wer Gordon so reden hört, merkt recht schnell: Irgendwann ist auch ein Künstler an dem Punkt, an dem er zweimal überlegt, ob es für diesen Sonnenuntergang auf Leinwand wirklich das Chinese Vermilion, dieses ganz besonders teure Zinnoberrot, sein muss. Oder ob es nicht auch ein anderer Farbton tut. Ein Maler, der so denken muss, sei weit entfernt vom künstlerischen Ideal, sagt Gordon.

Innerhalb der letzten drei Jahre hat sich Edward Gordon Schritt für Schritt aus dieser prekären Lage befreit. Er malt jetzt jeden Tag ein Bild. Und er verkauft auch jeden Tag eines - und zwar im Internet, in einem Weblog unter der Adresse edwardbgordon.blogspot.com. Dort veröffentlicht Gordon täglich die digitale Fotografie eines Gemäldes, das ungefähr die Größe einer Kachel hat. Bieter aus aller Welt streiten sich dann per E-Mail um das Original des Kunstwerkes. Wer das höchste Gebot schickt, bekommt den Zuschlag.

Die Regeln des Marktes

Zwei Dinge haben Gordon zum Erfolg verholfen. Erstens unterwirft er sich bedingungslos marktwirtschaftlichen Regeln: verkauft an die Höchstbietenden, lässt die Nachfrage den Preis regeln und schafft sein Angebot selbst. "Ich will dabei auch sehen, was meine Bilder den Menschen wert sind", sagt Gordon.

Zweitens hat sich der Maler den Herausforderungen des digitalen Wandels gestellt. Wer innerhalb einer Branche - ob Musik, Medien oder Kunst - früh dabei ist, kann den Vorsprung im Netz nutzen, ein digitaler Pionier sein. Gordon ist näher am Sammler als andere Maler. Kein Feuilleton, kein Galerist steht zwischen ihm und den Käufern. "Das ist eine feine Sache", sagt Gordon. Früher haben Galerien seine Bilder abgelehnt. Heute werden Bieterschlachten um seine Gemälde auf der ganzen Welt ausgetragen. Auf seiner Webseite hat Gordon seine Berliner Telefonnummer mit Vorwahl aus Amerika veröffentlicht; die Kunden sitzen oft in Übersee. Der Erfolg hat den Maler frei gemacht. "Ich male was ich will", sagt er.

Auf seine bekannten Auftragsarbeiten angesprochen, die Portraits von Ex-Kanzler Gerhard Schröder und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, die großen Bilder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und auf dem Titelblatt des konservativen Polit-Magazins Cicero, winkt Gordon ab. "Das alles hat doch kaum Spaß gemacht." Heute malt er Menschen so, wie er sie sieht. Und nicht, wie der Auftragsgeber sie sehen möchte. "Das ist die künstlerische Freiheit, die ich mir früher erträumt habe", sagt Gordon. Derzeit malt er ein Portrait von Harry Rowohlt. Wenn es dem Auftraggeber gefällt, wird er es ihm verkaufen. Falls nicht, wird der Künstler es behalten. "Man kann ein Kunstwerk mit Geld ohnehin nur honorieren", kommentiert Gordon seine Entscheidungsfreiheit. "Aber besser oder schlechter wird die Kunst durch ihren Preis nicht."

Erich Kästner -die wichtigste Nebensache der Welt

Gordon nimmt wirtschaftlichen Erfolg ernst, weil er weiß, dass seine neue künstlerische Freiheit auf ihm beruht. Für die Tagesbilder zahlen Kunden im Durchschnitt 450 Euro. Einige der 1004 Bilder, die Gordon zum Zeitpunkt dieses Artikels bereits verkauft hat, erzielten auch Einnahmen im fünfstelligen Bereich. Gordon gewährt allen Bietern ein Rückgaberecht. Bislang hat kein Kunde davon Gebrauch gemacht. Wenn der Maler seine Werke für den Verkaufsblog fotografiert, achtet er stets darauf, dass die Fotografie hinter dem tatsächlichen Bild qualitativ zurückbleibt. So lässt Gordon Raum für die Begeisterung des Käufers. Der sieht das Bild schließlich erst nach der Versteigerung im Original.

Foto: Edward Benjamin Gordon

Das Malen brachte sich der Künstler selbst bei. Zuvor hatte er eine Schauspielausbildung in London absolviert.

(Foto: Foto: Edward Benjamin Gordon)

Der Künstler ist bodenständig. "Kunst ist für mich Handwerk", sagt Gordon. Vielleicht konnte er auch deshalb zur Serienproduktion übergehen. Der Rhythmus kommt dem Maler entgegen: "Man muss lernen. Man muss üben." Jeden Tag ein Bild, das bedeutet für ihn keine Abkehr vom künstlerischen Ideal, sondern vor allem die Chance, jeden Tag dazuzulernen. Auch damit ist Gordon einem marktwirtschaftlichen Gedanken verpflichtet: Immer besser werden, nicht stehenbleiben.

Gordon ist Autodidakt, hat nach abgebrochener Schulausbildung in Hannover eine Schauspielausbildung in London absolviert. Dann erst fing er mit dem Malen an. "20 Jahre dauert es, bis man auf diesem Weg etwas zustande bringt", sagt er. Plötzlich klingt der Maler müde. "Ich empfehle das niemand."

Von Krise keine Spur

Der Vater des 43-Jährigen war ein angesehener Maler und Bildhauer, einer der wenigen, die in den 50er und 60er Jahren im Ausland gesammelt wurden. Auch Gordons Mutter malte, der Sohn wuchs im Atelier auf. Deshalb ist Edward Gordons Name ein Künstlername. Der Maler möchte als Künstler nicht neben seinen Eltern stehen. Auch wenn er den Vergleich nicht zu scheuen bräuchte. In Fachmagazinen, wird Gordon zu den "Daily-Painters" gerechnet. Manch ein Feuilletonist will im strikten Produktionsrhythmus bereits eine neue künstlerische Bewegung ausgemacht haben.

Wenn Gordon spricht, stockt er gelegentlich, denkt über die eigenen Worte und die Fragen nach. "Die Hälfte der Einnahmen bekommt das Finanzamt", wiegelt er die Frage nach Reichtum und Ruhm ab. Geld ist für ihn mit Erich Kästner die wichtigste Nebensache der Welt. Vor allem, weil er jetzt, da sich finanzielle Lücken aus seinem früheren Leben geschlossen haben, auch selber sammeln kann. Keine Bilder von Lucian Freud zwar - so sehr er die Werke des britischen Superstars auch schätzt, aber befreundete Maler kann er mit seinen Einkäufen unterstützen. Auch jetzt, während der Krise, die Gordon überhaupt nicht spürt. "Ganz im Gegenteil, es läuft besser als je zuvor."

Geld besitze für ihn auch eine ästhetische Dimension, sagt der Maler. "Die alten Franc-Scheine habe ich geliebt." Am Abend vorher hat er eine orangefarbene Parkbank in der Kastanienallee in Berlin gemalt, das Bild ging für 850 Euro an einen Käufer. Es ist ein typisches Gordon-Bild. Seinen Stil bezeichnet er als "impressionistischen Realismus". Wie viele seiner Gemälde wird das Bild mit der Bank von einer hübschen Frau geschmückt und von sanftem Licht in Stimmung gesetzt. Er hat das Motiv wie fast alle seiner gemalten Szenen bei einem Spaziergang durch seinen Wohnort Berlin Mitte gefunden: Dann greift Gordon zu Pinsel und Farbe. Besonders gerne zu Chinese Vermilion.

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