Maklerprovision:Noch ein Schlupfloch

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Wer via Internet oder Telefon einen professionellen Vermittler mit der Immobiliensuche beauftragt, dem steht ein Widerrufsrecht zu. Fehlt im Vertrag der Hinweis darauf, kann der Käufer die Vereinbarung anfechten und muss nicht zahlen.

Von Berrit Gräber

Die meisten Interessenten sind wenig begeistert, wenn eine Immobilie oder ein Grundstück via Makler zum Kauf steht. In der Regel bedeutet das Mehrkosten von vielen Tausend Euro. Die Dienste des Vermittlers gibt es schließlich nicht umsonst. Trotzdem muss der Käufer die Maklerprovision nicht in jedem Fall am Ende auch bezahlen, hat im Sommer der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden (BGH, Az. I ZR 30/15 und I ZR 68/15). Denn: Hat ein per E-Mail, online oder Telefon beauftragter Makler seinen Kunden nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, könne der Käufer häufig widerrufen und müsse nicht zahlen, wie Christoph Herrmann, Jurist von Stiftung Warentest in Berlin, betont.

Wer in den vergangenen zwölf Monaten einen Makler für den Kauf einer Immobilie eingeschaltet hat und Provisionen zahlen muss, sollte das Kleingedruckte im Vertrag in jedem Fall juristisch überprüfen lassen, empfiehlt Achim Tiffe, Rechtsanwalt der Hamburger Kanzlei Juest und Oprecht. Womöglich war die Vereinbarung wegen formeller Schnitzer oder einer fehlenden Widerrufsbelehrung null und nichtig - und der Verbraucher muss die Courtage gar nicht schultern. Oder er kriegt sein Geld zurück. Für Makler heißt das: Sie müssen ihre Verträge sorgfältig ausarbeiten. Je nach Region verlangen Makler insgesamt ein Erfolgshonorar von bis zu 7,14 Prozent vom Kaufpreis.

"Je kleiner die Maklerbüros, desto eher kann es zu Fehlern kommen."

Der BGH hatte im Juli zwei Maklern Provisionsansprüche in Höhe von 15 000 Euro und 23 205 Euro versagt, weil sie ihre Kundschaft in den per E-Mail geschlossenen Verträgen nicht auf das 14-tägige Widerrufsrecht hingewiesen hatten. Ohne Belehrung keine Courtage - trotz erfolgreicher Vermittlung. Auch dass es später zu Besichtigungsterminen und persönlichen Kontakten kam, machte den Fehler im Vertrag nicht wett. Nach Auffassung des BGH fallen Verträge zwischen Kaufinteressenten und Maklern, die per Telefon, E-Mail oder online über Internetplattformen zustande kommen, unter das Fernabsatzgesetz. In den Geschäftsräumen des Maklers geschlossene Vereinbarungen sind ausgenommen.

Die neue Rechtsprechung ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil Maklerverträge erst seit 13. Juni 2014 explizit unter das Fernabsatzgesetz fallen. Seitdem müssten Immobilienprofis ihre Kunden korrekt auf ihr Widerrufsrecht hinweisen, erklärt Gerold Happ, Geschäftsführer beim Eigentümerverband Haus und Grund in Berlin. Wie beim Online-Einkauf steht Verbrauchern seither auch bei Maklerverträgen das Recht zu, innerhalb von 14 Tagen einen Rückzieher zu machen. Jeder, der sich für ein Objekt interessiert, den Makler kontaktiert und um weitere Informationen bittet, bekommt jetzt im Normalfall ein Exposé und die darin enthaltene Widerrufsbelehrung zugeschickt.

Die Widerrufsfrist starte allerdings nur dann, wenn die Belehrung tatsächlich fehlerlos sei, betont Happ. Schon bei kleinen Fehlern können Verbraucher sonst auch viele Wochen und Monate später noch widerrufen. "Je kleiner die Maklerbüros, desto eher kann es zu Fehlern kommen", so die Erfahrungen Tiffes. Manchmal reiche es schon, dass eine Telefonnummer fehle und Vorgaben damit nicht erfüllt würden, sagt Rudolf Koch vom Bundesverband der Immobilienberater, Makler, Verwalter und Sachverständigen (IVD). Grundsätzlich sei die Mehrzahl der Makler aber bestens für die neue Rechtslage gerüstet, betont Koch.

Wen wundert's: Sichern sich die Vermittlungsprofis vertraglich nicht optimal ab, müssen sie womöglich mitansehen, wie der Kunde gleich nach der Besichtigung eines Hauses oder einer Wohnung vor der 14-Tage-Frist widerruft, direkt beim Eigentümer kauft und sich die Courtage spart. Damit der Makler sein Geld kriegt, braucht er vom Kunden die ausdrückliche Zustimmung, dass er noch vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Arbeit beginnen soll.

"Ohne Unterstützung geht bei der komplizierten Materie kaum was."

In der Praxis sei das 14-tägige Widerrufsrecht für Makler eine echte Herausforderung, sagt Niko Härting, Rechtsanwalt und Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Gleiches gelte für die Kunden, betont Herrmann: "So viel Papier und schwer verständlicher Text." Trotzdem muss die Branche nicht befürchten, dass Kunden massenweise Provisionen zurückfordern. Denn: Für Verträge, die vor dem 13. Juni 2014 geschlossen wurden, ist die Rücktrittsmöglichkeit bereits abgelaufen. Sie endete grundsätzlich am 27. Juni 2015. Wer bis dahin seinen per Internet abgeschlossenen Maklervertrag nicht angefochten hat, kann dies heute nicht mehr nachholen.

Und auch für neuere Maklerverträge gibt es kein "ewiges Widerrufsrecht", sagt Fachanwalt Tiffe. Der nachträgliche Ausstieg aus einem fehlerhaften Vertrag ist nur bis zu einem Jahr und 14 Tage nach Vertragsschluss möglich. Dann erlischt es. Wer im Lauf der vergangenen zwölf Monate eine Immobilie vermittelt bekam und Ungereimtheiten im Maklervertrag entdeckt, muss sich also sputen. Tiffes Tipp: Bevor Betroffene den Widerrufsjoker ziehen oder die Provision überweisen, sollten sie sich beraten lassen, etwa durch einen Anwalt oder eine Verbraucherzentrale. "Ohne Unterstützung geht bei der komplizierten Materie kaum was", sagt auch Verbraucherschützer Herrmann. Zwar stünden die Erfolgschancen gut, sollte der Makler tatsächlich fehlerhaft belehrt haben. Doch der Weg ist steinig. Kein Vermittlungsprofi lässt sich gern die Provision durch die Lappen gehen. Gerichtliche Auseinandersetzungen sind an der Tagesordnung.

Richtig knifflig wird es, wenn die Provisionszahlung im beurkundeten Notarvertrag explizit festgeschrieben wurde. Doch selbst eine Extra-Klausel müsse noch nicht bedeuten, dass damit das Widerrufsrecht des Käufers komplett entfalle, betont Tiffe. Auch solche Fälle gehörten genau geprüft. Vertrackt wird es auch, wenn alle ihre Vertragspflichten erfüllt haben. Wenn also der Kunde am Ende die Immobilie gekauft und den Makler für seine Dienste vorbehaltlos bezahlt hat. In solchen Fällen kann es sein, dass er das Geld nicht zurückfordern darf. Aber nur dann, wenn er nicht entsprechend darüber belehrt wurde, argumentiert Tiffe. Und genau das ist ja der Fall, wenn die Widerrufsbelehrung fehlte oder fehlerhaft war. Sprich: Auch hier kann das Schlupfloch raus aus der Provision womöglich doch noch offen sein.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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