Madoff: Brisantes Interview:Trauma eines Betrügers

Milliardenbetrüger Madoff redet Klartext: Die US-Börsenaufsicht hätte sein betrügerisches Spiel leicht durchschauen können - und ihm selbst damit eine große Freude gemacht.

Hannah Wilhelm

Es gibt 6157 Seiten Beweismaterial im Fall des Milliardenbetrügers Bernard Madoff. 6157 Seiten mit Gesprächsprotokollen, Briefen, Telefonaufnahmen und E-Mail-Nachrichten, die H. David Kotz von der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC in den vergangenen zehn Monaten zusammengetragen und der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Verdammt viel Stoff. Aber Bernard Madoff ist ja auch nicht irgendwer.

Bernard Madoff, Foto: Reuters

Bernard Madoff im Dezember 2008 in New York. Damals flog sein Milliardenbetrug auf.

(Foto: Foto: Reuters)

Nein, Bernard Madoff ist wohl der größte Betrüger, den es an der Wall Street jemals gegeben hat. Im Dezember 2008 wurde er verhaftet, seine neue Welt ist nun die Haftanstalt in der Kleinstadt Butner, North Carolina. Seit Juli sitzt der 71-Jährige dort, verurteilt zu 150 Jahren Haft. Der Finanzjongleur hat Anleger um 65 Milliarden Dollar betrogen. Das Geld wurde gar nicht wirklich investiert, sondern alte Kunden erhielten die ihnen versprochene Rendite aus den Einlagen neuer Madoff-Klienten. Ein Schneeballsystem nennt man das. Und Madoffs Schneeballsystem war wohl das größte aller Zeiten.

Börsenaufsicht in der Krise

In der amerikanischen Öffentlichkeit sorgt ein Interview von H. David Kotz mit Madoff für besonders große Aufregung, das nun veröffentlicht wurde. Geführt hat es Kotz am 17. Juni 2009, um 15 Uhr, in New York. In diesem Interview greift der Betrüger die Börsenaufsicht SEC hart an und zeigt sich fassungslos darüber, dass sie ihn nicht schon viel früher erwischt habe. Die Aufseher hätten nicht mal Basisinformationen überprüft, wie zum Beispiel sein Konto bei der zentralen Clearingstelle der Wall Street oder seine Geschäfte mit den Firmen, die angeblich die Wertpapierkäufe für ihn abgewickelt haben. "Wenn Du ein Schneeballsystem aufdecken möchtest, dann wäre das das Erste, was Du hättest tun müssten", sagt der Milliardenbetrüger in dem Interview, das auf der Website der SEC einsehbar ist.

Der Fall Madoff stürzt die US-Börsenaufsicht in eine Krise. Denn, auch das lässt sich aus den 6157 Seiten Beweismaterial erkennen: Es gingen seit Jahren Hinweise und Warnungen ein, dass etwas mit Madoffs Firma nicht in Ordnung sei. Doch anschließende Untersuchungen verliefen ergebnislos - zur großen Verwunderung Madoffs, wie er in dem nun veröffentlichten Interview betont. Zwei Mal, 2004 und 2006, sei er sich sicher gewesen, dass es nur noch eine Sache von Tagen oder Stunden sei, bis sein Betrug auffliegen würde. Doch nichts geschah. Er selbst habe unter der Situation sehr gelitten. "Es war ein Albtraum, mit dem ich lebte", sagt Madoff, "ich wünschte, sie hätten mich schon vor sechs oder acht Jahren gefasst."

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