Süddeutsche Zeitung

Luxusimmobilien in London:Griechen im Kaufrausch

In Athen herrscht Chaos. Kein Wunder, dass die Reichen mit ihren Millionen flüchten - zum Beispiel nach London. Dort bevölkern sie die Immobilienagenturen und erobern noble Anwesen. An britischen Normalverdienern geht der Boom dagegen vorbei.

Andreas Oldag, London

In der Filiale von Knight Frank im Londoner Stadtteil Kensington herrscht Hochbetrieb. Kunden geben sich die Klinke in die Hand. Darunter auch Alexandros Stamos, ein graumelierter Schiffsmakler aus Athen. "Ich bin auf der Suche nach einer Wertanlage. London ist dafür der beste Markt", sagt der 56-Jährige. Welche Summe er anlegen will, verrät Stamos allerdings nicht. "Ich bin kein Steuerhinterzieher. Doch ich muss für mein Alter vorsorgen. Bei uns im Land herrscht Chaos."

Der Londoner Immobilienmarkt boomt. Auffallend viele Griechen bevölkern die Immobilienagenturen an der Themse. Während Athen am Rande des wirtschaftlichen Abgrunds entlangtaumelt, flüchten viele Griechen mit ihrem Ersparten ins Ausland. Die von der Athener Regierung drastisch angehobene Immobiliensteuer hat die Absetzbewegung noch verstärkt. Viele Griechen haben das Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft ihres Landes verloren.

Nach Schätzung von Experten der international tätigen Immobiliengesellschaft Knight Frank sind bereits im vergangenen Jahr etwa 295 Millionen Euro aus Griechenland in den Londoner Immobilienmarkt geflossen. Gefragt sind vor allem erstklassige Lagen in Kensington, Chelsea und Hampstead.

Es sind die Wohlhabenden, die ihr Kapital im Ausland anlegen. Im laufenden Jahr dürfte der Betrag von 250 Millionen Pfund deutlich übertroffen werden. Allerdings ist der Anteil griechischer Käufer mit etwa 1,7 Prozent im gehobenen Marktsegment - zwischen zwei und sechs Millionen Pfund pro Apartment - immer noch relativ klein. An erster Stelle stehen schwerreiche Investoren aus Russland, China, auch dem Nahen Osten.

Immobilienhändler sprechen von einem regelrechten Ansturm auf Luxusimmobilien in der Themse-Metropole. So sind die Preise in diesem Segment seit dem Ende der Finanz- und Bankenkrise 2009 laut Schätzung von Knight Frank um 30 Prozent gestiegen. Und die Nachfrage hält weiterhin an. Bauträger und Investoren reißen sich um die letzten Baulücken in der ohnehin schon weitgehend zubetonierten City.

Ein Prestigeobjekt von Luxuswohnungen mit der Adresse "One Hyde Park" haben die beiden Brüder und Bauunternehmer Christian und Nick Candy hochgezogen. Wer in das Quartier, das von Stararchitekt Sir Richard Rogers entworfen wurde, einziehen will, muss mit stattlichen 6000 Pfund rechnen; das ist nicht der Preis für einen Quadratmeter, sondern für einen "Squarefoot" (1 Squarefoot = 0,93 Quadratmeter). Dafür gibt es einen unverbauten, freien Blick auf den Hyde Park sowie einen 24-Stunden-Zimmerservice.

Der Immobilienmarkt ist zweigeteilt

Der Hedgefonds Orion investiert 300 Millionen Pfund in ein Luxusquartier mit dem Namen "The Glebe" im feinen Stadtteil Chelsea. Stararchitekt Norman Foster hat für das Projekt nahe der Themse sechs Apartments, ein Penthouse und zwei Stadtvillen entworfen. Die Immobilien sollen für 25 bis 35 Millionen Pfund angeboten werden. Eigene Swimmingpools und private Lifts gehören zur Ausstattung. Und damit sich die Bewohner ungestört fühlen können, wollen die Bauherren alles mit einem hohen Zaun umgeben, nebst Alarmanlagen und einem bewachten Zugang. "Wir werden sicherlich viele Interessenten aus Russland und dem Nahen Osten haben", ist Gary Hersham von der Maklerfirma Beauchamp Estates überzeugt.

Zwei Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise ist der britische Immobilienmarkt für Wohnungen und Häuser zweigeteilt. Im kleinen Segment hochpreisiger Objekte herrscht Goldgräberstimmung. Dagegen stagniert der Markt für Normalverdiener. Laut der Hypothekenbank Halifax sind im vergangenen Jahr die Hauspreise um 1,6 Prozent gefallen. Im Durchschnitt liegen die Preise für Eigenheime um etwa 13 Prozent unter dem Niveau des Rekordjahres 2007.

Viele Briten sind Opfer ihrer Spekulationslust: Sie kauften in den Boomjahren 2003 bis 2007 Wohnungen und Häuser teilweise mit Null-Eigenkapital und bauten auf einen stetigen Wertzuwachs. Das funktionierte, solange die Banken mitspielten und Darlehen zum Schnäppchenpreis anboten. Bei der Bonität drückten die Kreditvermittler häufig ein Auge zu. Doch im Zuge der Finanzkrise haben die Banken ihrer Bonitätsprüfungen erheblich verschärft. Nach Angaben der Londoner Analystenfirma Hometrack wurden im vergangenen Jahr etwa 1,2 Millionen Hypothekenkredite vergeben - etwa die Hälfte weniger als im Boomjahr 2007. Doch diese trüben Zahlen sind für die Luxus-Käufer ohne Bedeutung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1177346
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 31.10.2011/jab
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.