Lobbycontrol-Gründerin Heidi Bank:"In der Politik siegt Geld zu oft über Argumente"

Heidi Bank - LobbyControl

Lobbycontrol-Mitbegründerin Heidi Bank.

(Foto: Thilo Schmuelgen)

Allein in Berlin versuchen etwa 5000 Lobbyisten die Politik zu beeinflussen. Lobbycontrol-Mitbegründerin Heidi Bank beobachtet die geheimnisvolle Szene genau.

Von Markus Balser und Uwe Ritzer

"Regenmacher" nennen sie manche in der Hauptstadt ironisch. Denn Lobbyisten müssen dafür sorgen, dass es weiter öffentliche Gelder für ihre Auftraggeber regnet. Oder dafür, dass Gesetze und Verordnungen nicht deren Geschäfte erschweren. In Berlin sind deshalb inzwischen Tausende Lobbyisten für diskrete Auftraggeber unterwegs - und ihr Einfluss droht noch größer zu werden. Kein Wunder, dass die Lobbyisten inzwischen unter genauer Beobachtung stehen. Etwa durch Menschen wie Heidi Bank. Die 39-Jährige ist Mitbegründerin des Vereins Lobbycontrol. Seit Jahren beobachtet sie die verborgene Szene der Lobbyisten.

Alles fing noch in der Studentenzeit an. "Meine Themen waren eigentlich ganz andere: Anti-Atom, Globalisierungskritik, Gentechnik - die großen Konfliktfelder eben", sagt Bank. Doch ein Gefühl, das alle Themen verband, ließ sie nicht los: "In der Politik siegt Geld zu oft über Argumente. Wer größere Ressourcen hat, setzt sich durch. Mir war schnell klar: Es braucht einen Akteur, der das politische Klima für die Interessen der Schwachen verbessert." Bank leuchtet mit Lobbycontrol nun seit zwölf Jahren jene Szene aus, die am liebsten im Dunkeln arbeiten würde.

Die Lobbycontrol-Funktionärin fordert: endlich strengere Regeln

Was sie seither erlebt hat, fasst sie in einem düsteren Urteil zusammen: "Lobbyismus, wie er heute stattfindet, untergräbt unsere Demokratie." Wenn ein Tabakkonzern wie Philipp Morris Parteiveranstaltungen der Union mit 80 000 Euro sponsern könne, öffne ihm das möglicherweise Gesprächskanäle, die sonst nicht offen wären. "Das ist vor allem dann wichtig, wenn die Politik gleichzeitig über ein Tabakwerbeverbot diskutiert", sagt Bank. "Oder nehmen Sie den Drehtüreffekt: Wenn ich mir als Konzern einen Minister nach dessen Amtszeit an Land ziehe, kaufe ich mir sein Insiderwissen. So erfahre ich, was in einem Ministerium läuft und wer die richtigen Ansprechpartner sind. Konzerne können sich einen Minister a.D. als Mitarbeiter leisten, finanziell schwächere Gruppen nicht."

Was Bank spürt: Lobbyismus zielt längst nicht mehr nur auf Politik und Politiker, sondern beeinflusst auch andere Institutionen. "Wenn etwa Forschung und ihre Institute nicht mehr unabhängig sind, ist das problematisch." Auch Schulen seien ein Angriffspunkt. In Niedersachsen habe der Ölkonzern Exxon Mobil in Gymnasien jahrelang Lobbyarbeit für sein Image betrieben, ausgerechnet in einer Region mit Öl- und Gasvorkommen. Bank ist sich sicher: "Ziel von Lobbyisten sind nicht mehr nur Abgeordnete. Das Ziel sind wir alle."

Die Lobbycontrol-Funktionärin fordert deshalb endlich strengere Gesetze gegen ausufernden Lobbyismus. Deutschland brauche ein Transparenzregister wie in den USA und auf EU-Ebene, in das sich Lobbyisten unter Angabe von Auftraggeber, Finanzierung und Ziel der Lobbyarbeit eintragen müssten. Leider fehle in Teilen der Politik das Problembewusstsein, sagt Bank. "Manch einer hofft dort vermutlich selbst auf einen hochbezahlten Lobbyisten-Job nach der politischen Karriere."

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