Süddeutsche Zeitung

Liechtensteiner Finanzaffäre:Steuer-Razzia in ganz Deutschland

Bochumer Staatsanwälte ermitteln in mehreren Großstädten, ein Schwerpunkt ist München. Nach SZ-Informationen wollen die Fahnder aus Nordrhein-Westfalen bis Freitag in Bayern bleiben, um etliche Durchsuchungsbeschlüsse zu vollstrecken.

Alexander Krug, Susanne Höll und Johannes Nitschmann

Mit einer bundesweiten Großrazzia sind Fahnder der Bochumer Staatsanwaltschaft am Montag gegen Steuerbetrüger vorgegangen. In Hamburg, Frankfurt und Stuttgart kam es zu Durchsuchungen von Wohnhäusern und Geschäften. Schwerpunkt der Aktionen war der Großraum München. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will den Skandal beim Besuch des liechtensteinischen Ministerpräsidenten in Berlin ansprechen.

Die Oberfinanzdirektion in München bestätigte "erste Durchsuchungen", nannte aber keine Details. "Wir wollen der öffentlichen Hatz keinen Vorschub leisten und eine Schnitzeljagd der Journalisten verhindern", sagte der zuständige Bochumer Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek der Süddeutschen Zeitung. Die Bochumer Ermittler waren bereits am Sonntagabend nach München gereist. Die Münchner Kollegen leisten Amtshilfe. Nach SZ-Informationen will die Fahndungsgruppe aus Nordrhein-Westfalen bis zum Freitag in Bayern bleiben, um dort zahlreiche Durchsuchungsbeschlüsse zu vollstrecken. Die Rede war von "fünf bis zehn Durchsuchungen pro Tag". Am Montag standen offenbar Objekte im wohlhabenden Vorort Grünwald im Mittelpunkt der Fahndungen. Außerdem durchsuchten Fahnder eine Niederlassung der Privatbank Metzler in München, wie ein Sprecher des Unternehmens bestätigte. Durchsucht wurde nach SZ-Informationen auch das private Bankhaus Hauck & Aufhäuser in München.

Strikte Geheimhaltung als Reaktion

Außer in München wurden am Montag in Frankfurt, Hamburg, Stuttgart und Ulm Steuerfahnder gesichtet. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sagte bis zum Mittag, in Stuttgart gebe es keine Razzien - da waren die Fahnder aber wohl schon längst in der Stadt und bei der Arbeit. Die strikte Geheimhaltung der Bochumer Ermittler scheint auch eine Reaktion auf die Umstände der quasi öffentlichen Festnahme von Postchef Klaus Zumwinkel am vergangenen Donnerstag zu sein. Bochumer Staatsanwälte kritisierten die Aggressivität der Medien. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass die Staatsanwälte durch ihr Vorgehen den Druck auf Verdächtige erhöhen wollen, sich selbst anzuzeigen.

Nach wie vor ist nämlich ungeklärt, wie gerichtsfest die Grundlage der Durchsuchungen ist, der Kauf der Daten von einem Informanten des Bundesnachrichtendienstes (BND) für fünf Millionen Euro. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte am Montag, "Es gibt keinen Zweifel bei allen Beteiligten, dass die Daten strafrechtlich verwertbar sind." Die Aktivitäten des BND sollen in einer Sitzung des unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) des Bundestags am Mittwoch erörtert werden.

Die Anwaltskanzlei des zurückgetretenen Postchefs Zumwinkel kritisierte dagegen, dass die aus Liechtenstein stammenden Daten offenbar von einem Informanten beschafft worden seien, "der eine Straftat begangen hat", sagte Martin Wulf von der Kanzlei Streck Mack Schwedhelm. Der Anwalt äußerte auch Zweifel an der Verwertbarkeit der Daten. Wie inzwischen bekannt wurde, hatte Zumwinkel bereits am Donnerstag vier Millionen Euro per Blitzüberweisung an die Verwahrkasse der Staatsanwaltschaft Bochum gezahlt.

Merkel kündigte an, sie wolle den Steuerskandal mit dem liechtensteinischen Ministerpräsidenten Otmar Hasler besprechen, der am Mittwoch zu einem Besuch nach Berlin kommt. Die SPD-Spitze forderte nach einer Präsidiumssitzung, dass Steuerbetrug in großem Umfang auf jeden Fall vor Gericht verhandelt werden müsse. Sogenannte "Deals", bei denen das Verfahren mit einer Geldbuße beendet werde, dürfe es nicht geben, sagte der Parteivorsitzende Kurt Beck. Zugleich will die SPD prüfen, ob das Strafmaß für Steuerhinterziehung von derzeit höchstens zehn Jahren Haft verschärft werden soll. Beck und andere führende SPD-Politiker verurteilten Steuerbetrug von Managern, Gutverdienern und gesellschaftlichen Vorbildern scharf.

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SZ vom 19.02.2008/mah
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