Liechtenstein und die Banken:Zeit, dass sich was dreht

Liechtenstein, drei Jahre nach Zumwinkel: Regierung und Geldhäuser wollen alles tun, um das Schwarzgeld-Image endlich loszuwerden. Es geht um das Überleben des Finanz-Standorts.

Uwe Ritzer

Sie jagen ihn noch immer. Erst vor ein paar Tagen versprachen die Liechtensteiner Sicherheitsbehörden, niemals würden sie müde darin werden, nach Heinrich Kieber zu fahnden. Die Chancen, seiner habhaft zu werden, sind allerdings äußerst beschränkt.

Vaduzer Bank muss Steuersünder entschädigen

Helfer für Steuerhinterzieher - Von diesem Image will Liechtenstein endgültig loskommen.

(Foto: dpa)

Der Mann, der mit dem Klau von Steuersünderdaten bei der Vaduzer Fürstenbank LGT den Finanzplatz Liechtenstein in seine schwerste Krise stürzte, bleibt untergetaucht. Mit einer neuen Identität und geschützt von Geheimdiensten wie dem deutschen BND. Der internationale Haftbefehl, mit dem Liechtenstein Kieber sucht, ist kaum mehr wert als das Papier, auf dem er steht.

Dank Kiebers Datenklau flogen 2008 Hunderte Steuersünder in vielen Ländern auf; allein in Deutschland wurden 634 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der prominenteste Fall hierzulande war Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel. Gut drei Jahre später macht Prinz Max von und zu Liechtenstein einen weitaus gelasseneren Eindruck als damals. "Wir haben die Folgen des Datendiebstahls sehr, sehr gut bewältigt", sagt der Chef der LGT, als er in einem Konferenzraum der Börse in Zürich Bilanz zieht.

"Mit gewisser Genugtuung" habe er registriert, dass sämtliche Schadenersatzklagen von deutschen Steuersündern bislang von Liechtensteiner Gerichten zurückgewiesen wurden. Viel wichtiger sei aber, dass die Neuausrichtung der nach eigenen Angaben größten Bank Europas im Familienbesitz immer besser gelinge.

Die LGT hat sich aus dem Geschäft mit Liechtensteiner Privatstiftungen, die Zumwinkel und Co. taugliches Schwarzgeldversteck waren, verabschiedet. Dafür hat man die Dresdner Bank Schweiz übernommen. Und wenn nicht im letzten Moment noch etwas dazwischenkommt, wird sie diese Woche die deutsche BHF-Bank kaufen. "Deutschland ist für uns der größte und wichtigste Markt in Europa", sagt zu Liechtenstein. Auch in Asien hat die auf Vermögens- und Anlagemanagement spezialisierte LGT gewaltig zugelegt, was Mitarbeiter und Geschäftsvolumen angeht.

20.000 Stiftungen aufgelöst

Die LGT ist kein Einzelfall. Viele Liechtensteiner Finanzmanager sind ausgeschwärmt auf der Suche nach neuen Kunden und Märkten. Denn zu Hause geht nicht mehr viel. Die Geschäfte in Vaduz dümpeln seit der Steueraffäre vor sich hin. Viele hundert Milliarden Euro Anlagevermögen wurden aus Liechtenstein abgezogen. Allein der Umstand, dass ein kleiner Mitarbeiter wie Kieber Kundendaten stehlen und an die Behörden anderer Länder verkaufen konnte, war verheerend für den Finanzplatz, der immer mit seinem besonders strikten Bankgeheimnis warb.

20.000 der ominösen Privatstiftungen sollen allein in den vergangenen zwei Jahren aufgelöst worden sein. "Die größtmögliche Katastrophe für den Finanzplatz Liechtenstein" sei Kiebers Datenklau gewesen, "der Super-GAU", beklagte unlängst der Treuhänder Peter Sprenger in einem Interview. "Wenn wir heute noch eine Stiftung pro Woche gründen, dann herrscht schon Freude. In Boomzeiten hatten wir bis zu 25."

Um die Dramatik zu verdeutlichen bemühte Sprenger einen Vergleich: "Das Fass hat ein Leck und wenn wir es nicht bald stopfen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Fass leer ist."

Keine Alternativen

So weit will es die bürgerlich-konservative Regierung nicht kommen lassen. Sie zog die Notbremse und startete einen Umbauprozess, der vor drei Jahren noch unmöglich erschien. Mit zwei Dutzend Staaten schloss Liechtenstein seither Abkommen über Rechtshilfe bei Steuerverfahren. Basis dafür ist ein Standard der OECD. Mit Berlin verhandelt Vaduz über ein Doppelbesteuerungsabkommen. Am liebsten wäre den Liechtensteinern auch eine großzügige Regelung für unentdeckte deutsche Steuersünder.

Adolf Real macht sich da allerdings kurzfristig keine Illusionen. Der Präsident des Liechtensteiner Bankenverbandes (LBV) gehört mit seiner Organisation zu den Reform-Antreibern im Fürstentum. "Der Finanzplatz ist in einem Transformationsprozess, zu dem es keine Alternative gibt und der daher weitergehen wird", sagt Real. Entspannt sitzt er in einem Münchner Hotelfoyer. Real und LBV-Geschäftsführer Simon Tribelhorn sind wieder einmal auf einer Roadshow unterwegs. Unablässig wirbt der LBV bei Politikern, Anlegern und Journalisten in Deutschland und anderen Staaten um neues Goodwill.

Im Gepäck haben Real und Tribelhorn einen Schlachtplan, den sie "Roadmap 2015" getauft haben. Darin wird beschrieben, wie der Finanzplatz Liechtenstein umgebaut werden und sich neue internationale Reputation erarbeiten soll. Mit Hilfe seines Zugangs zu zwei Währungsräumen und dank stabiler Banken. Mit weit umfassenderen Finanzdienstleistungen als bisher, mit sozialen und ökologischen Geldanlagen, mit einem intensiveren Fondsgeschäft und einem sauberen Stiftungswesen. Die Zukunft gehöre Anlagen mit deklariertem Geld, sagen Real und Tribelhorn. Wenn die Treuhänder daheim so etwas hören, ballen viele die Fäuste in der Tasche.

Kein Zurück mehr möglich

Manche von ihnen verkaufen Kunden dubiose Anlagen in Panama oder anderen Steueroasen, die noch nicht so im internationalen Fokus stehen wie Liechtenstein. Dort sei "der Abschied vom Schwarzgeld-Paradies in den Köpfen aller Beteiligten weitgehend vollzogen", glaubt Beat Bernet, Professor für Bankwirtschaft an der Universität St. Gallen. "Nun muss er noch operativ im Geschäftsmodell der Banken umgesetzt werden."

Für die Liechtensteiner Finanzbranche sei die Neuausrichtung unabhängig vom Steuerthema eine Chance, glaubt der Professor. "Fett und träge" sei sie geworden, klagte Bernet im Magazin Wirtschaft regional. "Es ist allen klar, dass es kein Zurück zur guten alten Zeit vor 2008 mehr gibt."

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