Liechtenstein: Steuerdaten:Der Mann mit der CD - Heinrich Kieber, der Rächer

Er brachte die Steuerfestung Liechtenstein ins Wanken und den früheren Postchef Klaus Zumwinkel vor Gericht: Heinrich Kieber. Jetzt meldet sich der Datendieb zu Wort - in einem Interview aus dem Off.

Uwe Ritzer

Auf deutsche Geheimdienstler lässt Heinrich Kieber, 45, nichts kommen. Sympathisch und korrekt hätten ihn Herr und Frau Schiller behandelt, auch wenn das Agentenpaar in Wirklichkeit ganz anders hieß. Sogar Dienstausweise hätten beide brav vorgezeigt. Auf E-Mails reagiere der Bundesnachrichtendienst (BND) auch schneller als die Schlapphüte anderer Nationen, sagt Kieber. Ein faires Honorar von fünf Millionen Euro hätten sie ihm obendrein bezahlt, eine falsche Identität draufgepackt und ihn in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Der BND beschütze ihn auch vor etwaigen Killerkommandos und juristischen Nachstellungen Liechtensteiner Stellen. Vor den Steuersündern übrigens, die durch ihn aufgeflogen sind, hat Heinrich Kieber aber keine Angst. Die hätten ganz andere Probleme.

Liechtenstein: Steuerdaten: Heinrich Kieber sagt, er habe ein Magnetband mit dem Volumen von etwa einer Million mit Kontodaten bedruckten DIN-A4-Seiten über 5828 Steuersünder eingesteckt. Eine Sicherungskopie, einfach so geklaut vom Schreibtisch des Arbeitskollegen und ausgetauscht durch ein leeres Magnetband.

Heinrich Kieber sagt, er habe ein Magnetband mit dem Volumen von etwa einer Million mit Kontodaten bedruckten DIN-A4-Seiten über 5828 Steuersünder eingesteckt. Eine Sicherungskopie, einfach so geklaut vom Schreibtisch des Arbeitskollegen und ausgetauscht durch ein leeres Magnetband.

(Foto: AFP)

Von alledem erzählt Heinrich Kieber ("Ich bin ein bisschen außergewöhnlich") im Magazin Stern. Es ist das erste Interview, das der 45-jährige Liechtensteiner gibt seit er untergetaucht ist. Die Illustrierte musste sich verpflichten, über die genauen Umstände des Interviews Stillschweigen zu wahren. Ob Kieber Honorar kassiert hat, ist unbekannt. Geld braucht er eigentlich auch nicht.

Er ist vielfacher Millionär, seit er die Daten von Steuersündern gestohlen und an, wie er nun sagt, insgesamt 13 Länder verkauft hat. "Ich bin ein bescheidener Mensch", sagt Heinrich Kieber. Einst arbeitete er in der EDV-Abteilung der Treuhand-Tochter der Liechtensteiner Fürstenbank LGT in Vaduz. Eines Tages, so erzählt er jetzt, habe er ein Magnetband mit dem Volumen von etwa einer Million mit Kontodaten bedruckten DIN-A4-Seiten über 5828 Steuersünder eingesteckt. Eine Sicherungskopie, einfach so geklaut vom Schreibtisch des Arbeitskollegen und ausgetauscht durch ein leeres Magnetband.

"Älterer Herr aus Düsseldorf"

Es handelte sich meist um die Daten ausländischer Steuersünder. Der größte von ihnen sei ein italienischer Industriellenerbe mit 450 Millionen Euro Schwarzgeld gewesen. Der Spitzenreiter der 1400 Deutschen habe 35 Millionen Euro vor dem Fiskus versteckt, "ein älterer Herr aus Düsseldorf", so Kieber. Zum "oberen Durchschnitt" habe Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel gehört, der prominenteste Steuerhinterzieher, der durch den Datenklau am 14. Februar 2008 aufflog. Kieber wundert sich, dass es dabei blieb. Insgesamt habe er Daten über 46 "politisch exponierte Personen" verkauft.

Und warum das alles? Es gibt seit einigen Monaten einen gut recherchierten Dokumentarfilm zweier Filmemacher, die das Leben des Heimkindes Heinrich Kieber detailliert rekonstruiert haben. Sigvard Wohlwend und Sebastian Frommelt zeichnen in dem Streifen das Bild eines hoch intelligenten, gewitzten und sprunghaften Gauners, der immer nur seinen persönlichen Vorteil suchte, ohne Rücksicht auf Verluste und meist, in dem er Menschen, die ihm vorher Gutes taten, anschließend hereinlegte. Ob als Reaktion auf den Film oder unbewusst: Im Stern zeichnet Kieber von sich nun ein anderes Bild.

Rache am Fürsten

Nie sei es ihm um Geld gegangen, behauptet er. Vielmehr habe er die Daten gestohlen, um sich zu rächen. Am Liechtensteiner Landesfürsten Hans-Adam II., dessen Mutter Gina sich einst rührend um den kleinen Heinrich aus dem Kinderheim gekümmert hatte. "Ich war ja eigentlich Monarchist", sagt Kieber. Bis ihn Hans-Adam habe hängen lassen. Das war nach einer Entführung 1997.

Zwei Bekannte, ein Spanier und ein Deutscher, lockten Heinrich Kieber damals nach Argentinien und kerkerten ihn in einen Wasserturm ein. Sie ketteten ihn an; er sagt, sie hätten ihn gefoltert, um ihn "auf perfide und clevere Weise" um einen 240.000-Euro-Kredit und sein ganzes Erspartes zu bringen. Zurück in Liechtenstein habe er die beiden angezeigt. Doch die Justiz des Fürstentums stellte den Fall ein. Hans-Adam II. habe, trotz Kiebers in zahlreichen Telefonaten vorgetragenen Bitten, tatenlos zugesehen. Ihm sei also großes Unrecht widerfahren und der Datenklau sei dafür nur die gerechte Strafe, sagt Kieber.

Die Geschichte von der Entführung stimmt, wenngleich einige von Kiebers Verletzungen an Beinen, Armen und Hals nicht von Folterungen, als vielmehr von einem Selbstmordversuch stammten. So gab er es einst selbst bei der Polizei in Vaduz zu Protokoll. Was Kieber im Stern auch nicht sagt: Seine Entführer hatte er vorher offenkundig um Geld, beziehungsweise um eine Immobilie, geprellt. Im argentinischen Kerker fügte er sich der Gewalt seiner Entführer.

Ein Irgendwo-Mann

Er formulierte er einen Faxbrief an seine Bank mit der Anweisung, seinen beiden Peinigern die gewünschte Summe (über deren Höhe gibt es widersprüchliche Angaben) zu überweisen. Daraufhin kam er frei - und reagierte blitzschnell. Kurz vor seinem Rückflug aus Buenos-Aires schickte Kieber ein zweites Fax an seine Bank, in dem er die kurz zuvor angewiesene Überweisung stoppte. Das Opfer legte seine Peiniger herein.

So gibt es viele Menschen, die Heinrich Kieber Böses wollen. Angst habe er dennoch nicht, sagt er. Irgendwo im Ausland ist er untergetaucht. Wie er lebt, lässt er im Stern-Interview verschwommen. Nur soviel: Er leiste ab und an Freiwilligendienste. Auch wieviele Millionen er von allen 13 Ländern kassiert hat, denen er Steuersünder gewissermaßen auf dem Silbertablett lieferte, bleibt offen. Seine wichtigste Sicherheitsmaßnahme bestehe darin, Liechtenstein zu meiden, sagt Kieber. Man hasst ihn dort. Heerscharen von Kopfgeldjägern hätten sich dem Fürsten dort angedient, sagt Kieber "Wenn die Kugel kommt, dann kommt sie von Hans-Adam", sagt er. "Aber wir passen natürlich auf. Wir, damit meine ich den BND und mich."

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