Liechtenstein-Affäre:Die Klage des Täters

Ein Steuerhinterzieher klagt gegen die LGT-Bank - der Pilotprozess könnte eine Schadenersatz-Welle gegen die frühere Firma der Fürstenfamilie auslösen.

Uwe Ritzer

Allein die räumliche Distanz hat Symbolkraft. Hoch oben über der Hauptstadt Vaduz thront die Fürstenfamilie derer von und zu Liechtenstein in ihrer Schlossfestung, dem Alltag ihrer Untertanen zu Fuße des Burgfelsens gewissermaßen entrückt.

Der Fall allerdings, der ab kommenden Mittwoch vor dem Landgericht in Vaduz verhandelt wird, dürfte auf großes Interesse stoßen. Schließlich geht es um die Praktiken, mit denen der Treuhandableger der fürstlichen LGT-Bank deutschen Steuersündern jahrelang dabei geholfen hat, ihr Geld vor dem Fiskus zu verstecken.

Und die Frage, ob die ehedem fürstliche Firma dafür haften muss, dass 2008 eine ganze Reihe seiner Kunden wie der ehemalige Post-Chef Klaus Zumwinkel als Steuersünder aufgeflogen sind.

3,5 Millionen Euro Schadenersatz

Einer von ihnen, der deutsche Geschäftsmann Dr. Elmar S., verklagt die inzwischen von der LGT verkaufte LGT Treuhand AG, die nun unter Fiduco Treuhand AG firmiert, auf 13,5 Millionen Euro Schadenersatz.

Erhält er Recht, rollt eine beispiellose Welle von Schadenersatzklagen auf die einstige Fürstenbank zu. "Das ist sicher eine Art Pilotverfahren", sagt Heinz Frommelt, ehemaliger Justizminister von Liechtenstein und Rechtsanwalt in Vaduz, mit Blick auf das anstehende Verfahren. Auch Frommelt plant, für einige seiner Mandanten vor Gericht zu ziehen.

Nach seinen Informationen haben "mindestens drei bis vier Dutzend" deutsche Steuersünder ähnliche Klagen in der Schublade. "In der Summe geht es sicherlich um mehrere Dutzend Millionen Euro", sagt Frommelt.

Den Anfang macht kommenden Mittwoch besagter Elmar S.. Der 66-jährige Immobilienkaufmann aus Bad Homburg wurde im Juli 2008 vom Landgericht Bochum zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung, sowie einer Geldstrafe von 7,5 Millionen Euro verurteilt.

Angestellter brannte heimlich Daten auf CD

Seit 1985 hatte der Kaufmann in einer von der LGT Treuhand eingerichteten und verwalteten Liechtensteiner Privatstiftung mehrere Millionen Euro Schwarzgeld vor dem deutschen Finanzamt versteckt. Solche Stiftungen sind ein probates Mittel, um Schwarzgeld vor dem Fiskus zu verstecken.

Aus der Sicht von Elmar S. ging lange Zeit alles gut. Bis 2002 ein LGT-Treuhand-Angestellter namens Heinrich Kieber die Daten von S. und anderer deutschen Kunden heimlich auf eine CD brannte. 2008 verkaufte er diese an den Bundesnachrichtendienst, der sie wiederum den Strafverfolgungs- und Finanzbehörden weiterreichte.

Die LGT informierte nicht über Datenklau

Besuch bei Zumwinkel

In der Folge erhielt am 14. Februar 2008 frühmorgens Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel Besuch von Polizei, Staatsanwaltschaft und Steuerfahndern. Vier Tage später flog auch Elmar S. als Steuersünder auf.

Seither hat der Immobilienkaufmann nach Angaben seiner Rechtsanwälte Hannes Mähr und Bernhard Gimple inzwischen insgesamt mehr als 20 Millionen Euro an Steuern nachgezahlt, an Strafen entrichtet, sowie an Honoraren seinen Anwälten und anderen Berater erstattet. Nun will er sich vor Gericht zumindest 13,5 Millionen Euro von der LGT-Treuhand-Fachfolgerin Fiduco zurückholen.

Andere sind mit Klage gescheitert

Ähnliches hat schon einmal ein anderer deutscher Steuersünder versucht: Paul Schockemöhle, der ehemalige Europameister im Springreiten. Auch er hatte Schwarzgeld in Liechtenstein vergraben und war nach einer Indiskretion aufgeflogen.

Schockemöhle scheiterte Ende der neunziger Jahre jedoch mit seiner Schadenersatzklage. Man könne Steuern, zu deren Zahlung man kraft Gesetzes verpflichtet sei, nicht hinterher als entstandenen Schaden geltend machen und einklagen, argumentierten damals Liechtensteins Richter.

Im Falle von Elmar S. und den anderen im Zuge der LGT-Affäre aufgeflogenen Steuersündern könnte der Fall juristisch jedoch etwas anders liegen. Der Datenklau sei bereits 2002 erfolgt, sagen seine Anwälte. Die LGT Treuhand habe ihren Mandanten jedoch nie darüber informiert.

Spätestens 2004 wäre dies aber geboten gewesen, als der deutsche Staat eine Amnestie für entsprechende Fälle erließ. Hätte S. vom Datenklau gewusst, hätte er die Amnestiemöglichkeit nutzen können, argumentieren Mähr und Gimple in ihren Schriftsätzen gegenüber dem Vaduzer Landgericht.

Es gibt Zweifel an der Neutralität der Justiz

Eine frühzeitige Information über Kiebers Datenklau wäre "bestens geeignet gewesen, die extremen steuerlichen und rechtlichen Auswirkungen" für S. zu verhindern oder wenigstens abzuschwächen, schreiben sie.

"In solchen Fällen kann die Differenz zwischen dem Steuersatz, der bei der Amnestie fällig gewesen wäre, und dem nunmehr im Nachhinein tatsächlich entstandenen Kosten geltend gemacht werden", meint auch der Bonner Steuerrechtler und Anwalt Jörg Schauf. Und zwar verzinst, plus die durch die Verfahren entstandenen Strafen und Honorare.

Ob diese Argumentation das Landgericht in Vaduz überzeugen wird, bleibt abzuwarten. Hinter vorgehaltener Hand äußern deutsche Juristen Zweifel an der Neutralität der Justiz in dem Fürstentum.

Bekäme Elmar S. Schadenersatz zugesprochen, wäre dies auch eine Niederlage für das Fürstenhaus, argumentieren sie. Ganz abgesehen davon, dass Richter in Liechtenstein vom Fürsten ernannt und ausdrücklich nicht nur "im Namen des Volkes", sondern auch des Fürsten urteilen. Letzterer übrigens kann selbst rechtskräftige Richtersprüche nach Belieben aufheben und umwandeln.

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