Licht:Die Sonne im Haus

Licht: Leuchtendes Panorama: Die Fensterwand des Künstlers Stephan Kaluza simuliert natürliches Licht in einer Düsseldorfer Cafeteria.

Leuchtendes Panorama: Die Fensterwand des Künstlers Stephan Kaluza simuliert natürliches Licht in einer Düsseldorfer Cafeteria.

(Foto: Johannes Roloff/Casino)

Mit neuen Leuchtmitteln können Gebäude immer raffinierter beleuchtet werden. So wird es auch drinnen taghell. Zum Beispiel in einer fensterlosen Kantine.

Von Lars Klaaßen

Das Prinzip der Solar-Flaschenlampe hat es weit gebracht - von Manila bis in den Landtag von Baden-Württemberg. Viele Blechdachhütten in den philippinischen Slums haben kein Fenster. Um Licht ins Dunkel zu bringen, zündeten die Bewohner früher Petroleumlaternen an. Die Folge: schlechte Luft. Heute haben sie eine deutlich gesündere, ökologischere und billigere Alternative; sie füllen PET-Flaschen mit einem Wasser-Chlor-Gemisch und stecken sie durch ein Loch in der Decke. Das Sonnenlicht wird so von außen ins Innere geleitet. Weil das Wasser die Strahlen in alle Richtungen bricht, ähnelt der Effekt einer Glühlampe. Ob Blechhütte oder Hightech-Hochhaus: Die Beleuchtung kann eine große Herausforderung sein. In den vergangenen Jahren hat sich beim Thema Licht viel getan.

Eine Herausforderung war auch die Generalsanierung des Landtagsgebäudes in Stuttgart. Einerseits musste die Denkmaleigenschaft des Baus erhalten bleiben, andererseits sollte der vorher ausschließlich künstlich beleuchtete Plenarsaal für das Tageslicht geöffnet werden. "Wir nahmen uns zum Vorbild, was sich in Manila im Kleinen schon bewährt hat", sagt Andreas Schulz, dessen Unternehmen Licht Kunst Licht (LKL) das Beleuchtungskonzept für diesen Bau der Nachkriegsmoderne entwarf. Durch die partielle Öffnung des Daches erhalte man einen spürbaren Eintrag natürlichen Lichts und direkten Außenbezug, erläutert Schulz. Dafür wurden zwölf große kreisrunde Oberlichter mit einem Durchmesser von 2,60 Meter und 36 kleine Lichter mit einem Durchmesser von 0,80 Meter in das Flachdach eingesetzt. Von jedem Sitzplatz aus kann man nun durch einen der großen Kegel in den Himmel blicken. Alle Oberlichter sind mit sogenannter Smart-Glass-Technologie ausgestattet; die elektrochrome Verglasung sorgt für die passende Helligkeit und reduziert zugleich den Wärmeeintrag. "Wenn das Tageslicht die Oberlichter passiert hat, wird es über eine transluzente, satinierte Decke aus Kunststoffpaneelen in den Raum eingekoppelt", sagt Schulz. "So entsteht eine Mischung aus diffusem und direktem Licht im Saal."

Ein hoher Blauanteil im Licht macht wach und aktiv, das nutzen die Beleuchtungstechniker

Ganz ohne Tageslicht musste LKL bei einem Beleuchtungskonzept für eine Cafeteria in Düsseldorf arbeiten. Ein international agierendes Bankunternehmen ließ dort ihr Gebäude aus den 70er-Jahren sanieren. "Ein Mehrwert für die Nutzer konnte im Untergeschoss nur durch künstliche Beleuchtung entstehen", so Schulz. Eine raumhohe, 22 Meter lange künstliche Panoramafensterwand ist dort vom gesamten Ess- und Selbstbedienungsbereich aus sichtbar, eine Arbeit des Künstlers Stephan Kaluza. Für seine Serie "Das Rheinprojekt" bereiste er die 1233 Kilometer des Rheins und dokumentierte seine Reise alle paar Minuten mit einer Kamera. Die Fotografie ist auf gefaltetem Gipskarton aufgedruckt, um Tiefe und Dichte zu erzeugen. "Dieses leuchtende Panorama simuliert natürliches Licht - unter Einbeziehung des Tages- und Jahreszeitenverlaufs, der Dynamik, Lichtfarbe, Lichtrichtung sowie Lichtintensität", erläutert Schulz. "Wie bei natürlichem Licht wird der hormonelle Tagesrhythmus der Nutzer dadurch unterstützt." Möglich machen das lineare, anderthalb Meter lange LED-Profile, die hinter der Verglasung angeordnet sind. Von warmen 2700 Kelvin am Morgen wechselt die Lichtfarbe dank der "Tunable White Funktion" allmählich auf kühle 6000 Kelvin am Mittag und gegen Abend dann wieder in wärmere Töne.

Seit etwa 20 Jahren wissen Forscher um die Wirkung des Lichts. Bei hohem Blauanteil, wie am Morgen, lässt es den Melatoninspiegel im Blut schnell sinken. Wir werden wach und sind für die nächsten Stunden aktiviert. Enthält es weniger Blauanteile, wie am Abend, wird die Produktion des Hormons nicht mehr gehemmt - man ermüdet leichter. Dieses Phänomen wird in der Beleuchtungstechnik genutzt. So hat das österreichische Ingenieurbüro Bartenbach ein entsprechendes Vier-Komponenten-Prinzip in einer psychiatrischen Klinik im dänischen Slagelse verwirklicht. Der Clou dabei: "Es ist nicht visuell wirksam", so Wilfried Pohl, Leiter der Forschungsabteilung bei Bartenbach. "Man bekommt von der Veränderung der Lichtfarbe bewusst nichts mit." Auf einer Fläche von 44 000 Quadratmetern wurden 190 Bettenzimmer, Abteilungen für eine allgemeine und forensische Psychiatrie, eine Ambulanz und Notaufnahme sowie Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen mit den Tages- und Kunstlichtsystemen ausgestattet. Die integrale Umsetzung von Architektur, Geometrie, Material, Farbe und Lichtkonzept in Slagelse wurde 2017 mit dem Mipim Award als "Best Healthcare Development" ausgezeichnet. Bartenbach erhielt für das Kunst- und Tageslichtkonzept 2016 den zweiten Platz des Dänischen Lichtpreises.

Mit Aufgaben gegensätzlicher Natur hat Ulrike Brandi viel Erfahrung. Das Unternehmen der Lichtexpertin hat Konzepte für Räume entwickelt, die starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. "Das Ziel lautet in solchen Fällen, möglichst viel natürliches Licht hineinzulassen, ohne dass der Innenbereich sich zu sehr erwärmt", sagt Brandi. "Vor allem bei Computerarbeitsplätzen darf die Einstrahlung auch nicht blenden."

"Drucktechnik auf Textilien hat ein vielversprechendes Zukunftspotenzial."

All das galt es etwa in Elmshorn zu beachten, wo Ulrike Brandi für eine Leitstelle von Feuerwehr, Rettung, Katastrophenschutz (FRK) und Polizei nicht nur für künstliche Beleuchtung, sondern auch für Verschattung sorgte. Zwei Räume, die beide 24 Stunden täglich besetzt sind, öffnen sich dort mit je einer vollverglasten Front nach außen, einer nach Süden. Als sinnvoll habe sich ein Blendschutz erwiesen, der in seinem oberen Bereich 20 Prozent transmittiere und dann stufenweise bis auf zwei Prozent dichter werde, erläutert Brandi. So könne die Lichtabschirmung nach Bedarf variiert werden. "Das Blendschutzrollo sollte einen mittleren Reflexionsgrad von etwa 50 Prozent haben, ähnlich wie die Wände, um nicht zu hohe Leuchtdichte durch das Kunstlicht zu erzeugen." Passende Materialien sind bei solchen Konzepten von großer Bedeutung: "Drucktechnik auf Textilien hat vielversprechendes Zukunftspotenzial", sagt Brandi. Damit sei es möglich, individuelle Verläufe von Tageslichtdurchlässigkeit, Verschattung und Öffnung zu gestalten - hinzu kämen die guten akustischen Eigenschaften. Eine andere Variante: "Inzwischen sind auch schaltbare elektrochrome Gläser marktreif, die je nach Intensität der Sonnenlichteinstrahlung verdunkeln", erklärt Brandi.

Wer mithilfe von Licht die Architektur seines Eigenheims innen oder außen in Szene setzen möchte, sollte die Planung hierfür rechtzeitig angehen. Für eine Villa in Berlin etwa haben die Lichtberater der Firma Prediger anhand der Pläne und Kundenwünsche die Brennstellen festgelegt, an denen die Einbautöpfe für Downlights und Wandeinbauleuchten in die Architektur eingegossen werden sollten. "Dafür war eine besonders enge Abstimmung mit der ausführenden Baufirma nötig. Vor allem im Außenbereich war es bezüglich der richtigen Leuchtenposition ziemlich kniffelig, bis die perfekte Lösung gefunden war", erklärt Lichtberaterin Svenja Hagge, die bei Prediger den Showroom Berlin leitet. "Die Bauherren sind sehr früh mit konkreten Vorstellungen sowie den nötigen Bau- und Möblierungsplänen zu uns gekommen, das hat die Sache für uns wirklich einfacher gemacht." Rechtzeitig meint in diesem Fall: Monate bevor der Grundstein für die dreistöckige Flachdachvilla gelegt wurde.

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