Süddeutsche Zeitung

Lesestoff:Schimmel und Schadstoffe

In Europa leiden 2,2 Millionen Menschen an Asthma, zum Teil auch, weil sie in feuchten oder schimmeligen Wohnungen leben. Das müsste nicht sein, meint Gerhard Führer. Er hat mit Bernd Kober ein Buch darüber geschrieben.

Von Marianne Körber

Der Schimmel und die Wahrheit: Es ist ein nicht zu unterschätzendes Problem. In Europa leiden 2,2 Millionen Menschen an Asthma, zum Teil auch, weil sie in feuchten oder schimmeligen Wohnungen leben. Aber nur selten erkennen die Betroffenen oder deren Ärzte den Innenraum als Krankheitsauslöser oder -verstärker. Dabei wäre es möglich, mit wenigen gezielten Fragen die Ursachen herauszufinden, meint Gerhard Führer. Er ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schadstoffe in Innenräumen und hat zusammen mit dem Juristen Bernd Kober ein Buch geschrieben zum Thema "Schimmel und andere Schadfaktoren am Bau". Es richtet sich an Fachleute, ist aber auch für Hausbauer und -erwerber interessant. Die Kapitel des Buches sind verständlich geschrieben, mit zahlreichen Abbildungen und Tabellen versehen, und das alles mit einer gehörigen Portion Humor - "Wollen Sie eine Märchenstunde hören oder auf Wissen und Erfahrungen beruhende Wahrheiten erfahren?"

Wissen geht Führer über alles, und so führt der Experte eine ganze Reihe von Untersuchungen an, die Licht in die Schadstoff-Thematik bringen können - eine Fundgrube für Leser, die alles ganz genau wissen wollen. "Experten schätzen, dass bis heute circa 8000 chemische Verbindungen in Innenräumen nachgewiesen wurden und jede zweite Wohnung einen sichtbaren oder verdeckten Schimmelschaden aufweisen könnte," berichtet Führer, der sich intensiv mit den Risiken von Schadstoffen und deren Sanierungsmöglichkeiten befasst. "Der größte Feind des Gebäudes" und die Grundlage für Schimmelwachstum ist für ihn das Wasser, eine Tatsache, die seiner Ansicht nach viele nicht wahrhaben wollen. Wo genau die Feuchtigkeit auftritt, erklärt Führer auf etwa 300 Seiten im Teil 1 zur Bautechnik.

Teil zwei des Buches wurde von Bernd Kober gestaltet, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Er beantwortet die Frage, wie Bauschäden juristisch zu beurteilen sind - ein schwieriges Thema, denn spezielle Vorschriften, die sich mit der Zulässigkeit von Schadstoffen an oder in Gebäuden befassen, gibt es nicht. Was also ist ein Sachmangel? Was bedeutet es, wenn bei einem Werk-, Kauf- oder Mietvertrag vereinbart wurde, dass ein Objekt "frei von Schadstoffen" zu sein hat? Und wie können Mieter reagieren, wenn in ihrer Wohnung Schadstoffe festgestellt wurden? Besonders interessant für Letztere: Kober verweist darauf, dass keineswegs immer der Mieter schuld am Schimmel ist. Der Anwalt vertritt vielmehr die Auffassung, dass falsches Wohn- und Lüftungsverhalten häufig nur zur Schimmelbildung führe, wenn das Gebäude bauphysikalische Schwachstellen aufweise. Rechtlich gesehen bedeute das, dass der Mieter selbst dann, wenn er falsch lüfte oder unzureichend heize, nicht ohne Weiteres für den Schaden verantwortlich gemacht werden könne.

Kober geht auch auf wirtschaftliche Folgekosten, steuer- und bilanzrechtliche Konsequenzen und versicherungstechnische Fragen zum Thema Schadstoffe in Gebäuden ein. Im letzten Kapitel erklärt der Jurist, wie Ansprüche geltend gemacht und durchgesetzt werden können - und welch große Rolle die Sachverständigen bei Streitigkeiten haben. Womit man wieder beim ersten Kapitel angelangt ist. Nochmal lesen lohnt sich.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2018
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