Leitwährung: Angriff auf den Dollar:Macht und Geld

Streit um den Dollar: China und Russland wollen die Führungsrolle der amerikanischen Währung beschränken - aber eine echte Alternative ist nicht in Sicht

Nikolaus Piper

Wieder eine schlechte Nachricht für die USA: Am Samstag forderte Russlands Finanzminister Alexej Kudrin, der chinesische Yuan solle den Dollar als internationale Leitwährung ablösen. Das gehe zwar nicht sofort, sagte Kudrin auf dem Weltwirtschaftsforum in St. Petersburg, aber bis in zehn Jahren könne China eine Währungssupermacht sein.

Kampf um den Dollar, Reuters

In Bedrängnis: Jahrzehntelang war der Dollar als Leitwährung unumstrittten - bis jetzt.

(Foto: Foto: Reuters)

Kudrins Äußerungen sind nur der letzte in einer Reihe von Angriffen auf die US-Währung. Im März hatte der Präsident der Bank von China, Zhou Xiaochuan, weltweit für Aufsehen gesorgt, als er die Ablösung des Dollars durch Sonderziehungsrechte (SZR) forderte, eine Kunstwährung, die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) verwaltet wird. Eine UN-Kommission, die von dem Ökonomen Joseph Stiglitz geleitet wird, bereitet Vorschläge zu einer Grundsatzreform des Weltwährungssystems vor. Sie sollen vom 24. bis 26. Juni auf einer Gipfelkonferenz debattiert werden.

Mehr Mitsprache gewünscht

Ist der Dollar als Leitwährung der Welt am Ende? Kurz- und mittelfristig ist die Antwort ein klares Nein. Langfristig hängt alles von der künftigen Politik der USA, der führenden EU-Mitglieder und Chinas ab. Währungsfragen sind immer auch Machtfragen. Deshalb liegt es nahe, dass Länder wie Russland und China die Finanzkrise nutzen wollen, um ihre Position zu Lasten der Supermacht USA auszubauen.

Für beide geht es dabei nicht unbedingt darum, den Dollar abzulösen, sondern mehr Mitsprache zu bekommen, unter anderem in den Gremien des IWF. Die chinesische Regierung will zudem Kritik an der eigenen Währungspolitik abwehren.

Um die eigene Konjunktur zu stützen, hat China den Yuan in der Krise wieder eng an den Dollar gebunden. Die Währung ist krass unterbewertet, daher wird der Überschuss in der chinesischen Leistungsbilanz in diesem Jahr auf über zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) steigen, was die USA zunehmend beunruhigt.

China braucht einen starken Dollar

Gerade China hat, aller Rhetorik zum Trotz, ein massives Interesse an einem starken Dollar. Es verfügt über zwei Billionen Dollar Währungsreserven, die bei weitem größten der Welt. 700 Milliarden Dollar davon sind in US-Staatspapieren angelegt, insgesamt dürften zwei Drittel der Reserven auf US-Dollar lauten.

China hat sich damit in eine "Dollar-Falle" begeben, wie der Ökonom Paul Krugman schrieb. Dafür gibt es einen wenig beachteten historischen Präzedenzfall, auf den der Ökonom Olivier Accominotti kürzlich hinwies: Im Jahr 1926 band die Bank von Frankreich den Franc an das britische Pfund.

Es war eigentlich eine Maßnahme der Exportförderung: Frankreich erwirtschaftete immer höhere Handelsüberschüsse und sammelte Währungsreserven an, die meisten waren in Pfund denominiert. Zu Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 lagen mehr als die Hälfte aller Währungsreserven der Welt in Paris. Frankreich befand sich in der Pfund-Falle.

Als die britische Währung 1931 trotz aller Stützung kollabierte, war die Bank von Frankreich technisch bankrott, die französische Regierung tauschte die verbliebenen Reserven in Gold um und verschärfte so Deflation und Depression. Die chinesische Führung dürfte aus dieser Geschichte lernen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, was für eine starke Rolle des Dollars spricht - und was dagegen.

Dominante Rolle im Welthandel

Mittelfristig sprechen Fragen der Praktikabilität für eine starke Rolle des Dollars. Es ist schlicht einfacher, Geschäfte in der amerikanischen Währung abzuwickeln. Das hat einmal mit der Größe und Tiefe des amerikanischen Finanzmarktes zu tun, zum anderen mit einem Phänomen, das unter Ökonomen "Netzwerk-Effekt" heißt: Es ist vorteilhaft, zum Beispiel Öl-Geschäfte in Dollar abzurechnen, einfach deshalb, weil es alle anderen auch tun.

Ungefähr 88 Prozent des täglichen Weltdevisenhandels werden daher in Dollar abgewickelt. Während der schlimmsten Phase der Finanzkrise im Winter stieg der Dollar-Kurs sogar, nicht weil die Händler den USA besonders vertrauten, sondern weil sie Dollar brauchten, um Positionen zu bereinigen.

Nach der jüngsten Schätzung des IWF sind 64,0 Prozent der Weltwährungsreserven in Dollar angelegt, der Euro hat sich mit 26,5 Prozent einen unangefochtenen zweiten Platz erarbeitet, es folgen das britische Pfund (4,1 Prozent) und der japanische Yen (3,3 Prozent). Nach den meisten Prognosen dürfte sich das Gewicht weiter zugunsten Euro verschieben ohne dass sich die Zusammensetzung aber substantiell ändert. Russland hat seit Ende 2008 erstmals mehr Euro als Dollar in seinen Beständen.

Notorisches Dilemma

Grundsätzlich gäbe es gute Gründe, den Dollar als dominierende Währung abzulösen. Für die USA ist die derzeitige Praxis zwar bequem - Amerika kann sich in der eigenen Währung verschulden -, sie führt aber notorisch zu Ungleichgewichten: Es ist praktisch unmöglich, die Geldversorgung an die Bedürfnisse der USA anzupassen und gleichzeitig den Liquiditätsbedarf der ganzen Welt zu befriedigen.

Dieses Dilemma hat der amerikanische Ökonom Robert Triffin erstmals in den sechziger Jahren beschrieben. Das Triffin-Dilemma zeigte sich in der Dollar-Krise am Ende der sechziger Jahre, als die amerikanische Währung vor allem gegen der D-Mark immer weiter an Wert verlor.

Als Reaktion auf diese Krise erfand der IWF 1969 die Sonderziehungsrechte. Die SZR - im Kern nichts anderes als Kredite, die der IWF seinen Mitgliedern einräumt - hätten nach den damaligen Plänen den Dollar als Leitwährung ablösen sollen.

Aber das erwies sich als unpraktikabel. Heute sind SZR kaum mehr als eine Recheneinheit für den IWF. Ein SZR ist derzeit 1,53 Dollar wert. Am 15. August 1971 kündigte US-Präsident Richard Nixon einseitig die Verpflichtung der USA, jederzeit Dollar in Gold zu tauschen und beendete damit die Rolle des Dollars als offizielle Leitwährung. Aber auch unter dem neuen Regime flexibler Wechselkurse behielt der Dollar seine führende Rolle als Reservewährung.

Spannungen in der Eurozone

Wie das Weltwährungssystem der Zukunft aussehen wird, könnte sich dann entscheiden, wenn die jetzige Finanzkrise zu Ende sein wird. Gelingt es der Notenbank Federal Reserve, die ungeheuren Mengen an Geld wieder ohne größere Schäden einzusammeln? Werden die USA die Last ihrer Staatschulden begrenzen können, ohne das Mittel der Inflation in Anspruch zu nehmen? Können die Mitgliedsstaaten der Euro-Zone ihren Zusammenhalt auch in Stresszeiten sichern?

Bis jetzt hat sich die Gemeinschaftswährung als Erfolg erwiesen, aber in der Krise sind gefährliche Spannungen zwischen Ländern wie Deutschland und den Niederlanden auf der einen und Italien, Spanien und Griechenland auf der anderen Seite aufgetreten.

Werden diese Probleme nicht gelöst, kann der Euro kaum eine stärkere Rolle als Reservewährung spielen. China schließlich müsste zunächst einmal seinen Finanzsektor öffnen und den Kurs des Yuan freigeben, um in der Währungspolitik eine aktive Rolle spielen zu können. Sehr wahrscheinlich also, dass es weiter Dollar-Krisen gibt, dass sich das Währungssystem auch im nächsten Jahrzehnt nicht wesentlich ändert.

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