Lehman Brothers in der Krise:Die Reifeprüfung

Die viertgrößte US-Investmentbank Lehman Brothers taumelt. Jetzt muss Vize-Chef Herbert McDade III die Krise bewältigen.

Nikolaus Piper

New York - Die Lage bei Lehman Brothers, der viertgrößten amerikanischen Investmentbank, ist ernst. Wie ernst, das merkt man an den hektischen Personalveränderungen an der Spitze. Zwar ist der Chef der Bank, Richard Fuld, bisher unangefochten. Die entscheidenden Leute unter ihm wurden jedoch ausgetauscht. Im Juni verlor Finanzchefin Erin Callan ihren Job - nur ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt und als sie gerade dabei war, ein Star an der Wall Street zu werden.

Lehman Brothers in der Krise: In der New Yorker Lehman-Zentrale hat das Stühlerücken begonnen.

In der New Yorker Lehman-Zentrale hat das Stühlerücken begonnen.

(Foto: Foto: AP)

Auch der zweite Mann hinter Fuld, Joseph Gregory, ein enger Vertrauter des Chefs, musste gehen. An seine Stelle trat der 49-jährige Herbert McDade III. Ob die Bank noch eine Zukunft als unabhängiges Institut hat und wie diese aussieht, hängt jetzt wesentlich von McDade und dessen Talent ab. Seine wichtigste Aufgabe ist es dabei, frisches Kapital für Lehman zu beschaffen.

Bart, der Kronprinz

McDade, der in der Firma mit dem Spitznamen "Bart" angeredet wird, ist ein Lehman-Veteran. Nach seinem Studium an der Duke-Universität und der Universität von Michigan heuerte er bereits 1983 bei der Investmentbank an. Neun Jahre später stand er an der Spitze der Fixed-Income-Abteilung, in der der gesamte Handel mit festverzinslichen Wertpapieren zusammengefasst ist. Anleihen und andere Festverzinsliche sind das traditionelle Kerngeschäft von Lehman. 2005 schließlich wurde er Chef des Aktienhandels und war in dieser Funktion verantwortlich dafür, dass Lehman sein Geschäft in diesem für die Bank zuvor untergeordneten Bereich ausbaute.

Im vergangenen Juni, als Lehman einen Quartalsverlust von 2,8 Milliarden Dollar melden musste, war es Bart McDade selbst, der einen Umbau des Managements verlangte, berichtete das Wall Street Journal. Unmittelbar danach wurde er Präsident und Chief Operating Officer (COO), womit er nach der amerikanischen Unternehmenspraxis für das gesamte operative Geschäft zuständig ist. McDade hat in New York noch nicht allzu viele Schlagzeilen gemacht, aber ein paar Dinge über ihn sind doch bekannt geworden: Dass er hervorragend Golf spielt und dass er an Feng Shui, die taoistische Gestaltungslehre, glaubt: Nach seiner Ernennung weigerte er sich, das Büro von Vorgänger Gregory zu beziehen und wählte ein anderes, von dem er glaubte, dass es eine "bessere Energie" habe.

Zu den ersten Maßnahmen McDades gehörte es, die Moral bei Lehman dadurch zu heben, dass er zwei frühere Spitzenmanager zurückholte, die der Bank im vergangenen Jahr den Rücken gekehrt hatten: Alex Kirk, der jetzt den Eigenhandel bei Lehman leitet, und Michael Gelband, zuständig für globale Kapitalmärkte. Doch inzwischen drängt die Zeit. Die Aktie hat seit Jahresbeginn fast 78 Prozent ihres Wertes verloren. Allein am Donnerstag brach der Kurs um 10,5 Prozent ein. Hauptquelle der Verluste bei Lehman sind hypothekengedeckte Wertpapiere. Der größere Teil davon ist mit Gewerbeimmobilien verbunden, wo der Preiseinbruch bisher weniger scharf war als bei Wohnimmobilien. Je länger die Krise in den USA aber dauert, desto schwieriger wird die Lage auch da.

Um neues Kapital zu bekommen, verhandelt Bart McDade seit Wochen mit der Korean Development Bank. Die KDB ist daran interessiert, einen Anteil an Lehman zu erwerben. Eine weitere Option ist der Verkauf von Firmenteilen, darunter der lukrativen Vermögensverwaltung Neuberger Berman. Darüber gibt es angeblich Gespräche mit den Finanzinvestoren KKR und Carlyle. Seit Wochen kursieren darüber hinaus immer neue Gerüchte: Angeblich ist nicht nur die KDB an der Investmentbank interessiert, sondern auch ein Pensionsfonds aus Südkorea, die Military Mutual Aid Association.

Die britische Großbank HSBC wurde ebenfalls schon als potentieller Erwerber genannt. Nach einem Bericht von Bloomberg erwägt Lehman schließlich, eine sogenannte Bad Bank zu gründen, in die Hypotheken auf Gewerbeimmobilien im Buchwert von 32 Milliarden Dollar ausgelagert werden. Die Bank mit dem Arbeitstitel "Spinco" würde acht Milliarden Dollar Eigenkapital von Lehman bekommen und sich weitere 24 Milliarden von der Mutterbank und von anderen Investoren leihen. Die nächsten Quartalszahlen von Lehman werden für Mitte September erwartet.

Sollte McDade mit seinen Rettungsbemühungen Erfolg haben, gilt er als Kronprinz für die Nachfolge des 62-jährigen Richard Fuld.

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