Lebenspolicen:Weniger Geld für Neukunden

Jahrelang lag die laufende Verzinsung einer Lebensversicherung bei vier Prozent - 2012 droht diese zu fallen. Schuld ist die schwierige Lage am Kapitalmarkt. Besonders für junge Kunden hat das bittere Nebenwirkungen: Sie werden künftig benachteiligt.

Alina Fichter

Es ist eine magische Grenze, an die sich jeder Supermarktbesitzer hält, wenn er Preisschilder für Joghurt oder Gurken schreibt. 0,99 steht da, kein Cent mehr. Sieht schöner aus - und verkauft sich angeblich besser. Das Gleiche gilt für die Höhe der Überschussbeteiligung von Lebens- und privaten Rentenpolicen, nur in umgekehrter Richtung: Die Unternehmen bemühten sich bisher nach Kräften, ihren Kunden jedes Jahr mindestens vier Prozent Zinsen auf ihre Beiträge minus der Kosten gutzuschreiben - keinen Prozentpunkt weniger. Vier, das war die magische Grenze der Versicherer.

Lebenspolicen: Die Verzinsung bei Lebenspolicen droht 2012 im Branchenschnitt unter vier Prozent zu fallen.

Die Verzinsung bei Lebenspolicen droht 2012 im Branchenschnitt unter vier Prozent zu fallen.

Doch jetzt scheint sie endgültig durchbrochen zu sein: "Die Höhe der Überschussbeteiligung dürfte 2012 im Branchendurchschnitt diese psychologische Marke unterschreiten", sagt Lars Heermann, Bereichsleiter Lebensversicherung bei der Kölner Rating-Agentur Assekurata, sie werde wohl bei 3,9 Prozent liegen, schätzt der Experte.

Das hat für jüngere Kunden eine bittere Nebenwirkung: Sie werden künftig gegenüber jenen benachteiligt, die ihre Verträge bereits zwischen 1994 und 2000 abgeschlossen haben. Damals verpflichteten sich die Versicherer, ihren Kunden einen Garantiezins von vier Prozent auszuzahlen. Dieses Versprechen müssen sie einhalten. Inzwischen ist die garantierte Rendite auf 2,25 Prozent gesunken, ab kommendem Jahr beträgt sie für Neuverträge nur noch 1,75 Prozent.

Die Folge: Bei Versicherern, deren Überschüsse demnächst unter die magische Marke fallen, zerfällt der Kundenstamm in zwei Klassen. Die Älteren, die auf ihre garantiert vierprozentige Rendite pochen können. Und die Jüngeren, die teilweise deutlich weniger bekommen. Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten sieht darin eine Gefahr: "Jüngere Kunden müssen ältere künftig durch Verzicht auf Überschüsse quersubventionieren, damit die Versicherer die Garantien aus den neunziger Jahren erfüllen können", sagt er. Auch Kunden der staatlich geförderten Riester- und Rürup-Verträge gehören zu den Leidtragenden.

Von einer Quersubventionierung könne keine Rede sein, heißt es dagegen beim Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV). Entscheidend sei die Gesamtverzinsung, in die auch ein Schlussbonus für Kunden einfließe, die ihren Vertrag bis zum Ende durchhalten - das schafft allerdings gerade mal die Hälfte.

Gründe für den Rückgang

Grund für den teils drastischen Rückgang ist die schwierige Lage am Kapitalmarkt; vor allem die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank macht den Versicherern zu schaffen. Die strengen Aufsichts- und Eigenkapitalregeln verpflichten Versicherer dazu, ihr Geld sicher anzulegen, etwa in Bundesanleihen. Doch während diese 1990 bei einer Laufzeit von zehn Jahren noch mehr als sieben Prozent Ertrag brachten, werfen sie heute nur noch zwei ab - bei einer Inflation von 2,4 Prozent ist das ein Verlustgeschäft. Die Folge: Versicherer verdienen immer weniger.

Welche Gesellschaft die Überschussbeteiligung senken wird, zeigt ein Überblick der Rating-Agentur Assekurata. Derzeit setzen, wie jeden Dezember, nach und nach alle Unternehmen verbindlich fest, wie hoch ihre Überschussbeteiligung im kommenden Jahr ausfallen wird. Je besser ein Versicherer mit dem Geld seiner Kunden wirtschaftet, desto mehr kann er ihnen gutschreiben.

"Eine hohe Verzinsung ist ein Wettbewerbsvorteil, deshalb senkt niemand sie freiwillig", sagt Heermann. Die Allianz feuerte vergangene Woche den Startschuss ab, als sie ihren zehn Millionen Kunden mitteilte, dass sie die Verzinsung von 4,1 Prozent auf vier Prozent senken werde. Allianz-Kunden haben also Glück gehabt, ihnen droht vorerst kein Zweiklassensystem.

Für gewöhnlich orientieren sich Konkurrenten an der Entscheidung des Marktführers. Doch in diesem Jahr konnten viele nicht mehr mithalten. So senkte etwa der viertgrößte Lebensversicherer, die R + V, seine Verzinsung für nach 2000 geschlossene Verträge von 4,3 auf nur noch 3,85 Prozent, die Generali, fünfter am Markt, von vier auf 3,6 Prozent. Acht der 14 Unternehmen, die die Höhe ihrer Überschüsse für 2012 schon bekanntgemacht haben, senkten sie zum Teil deutlich unter vier Prozent. In den kommenden Tagen dürften weitere folgen.

Das bekommen nun auch die Kunden immer stärker zu spüren. Den größten Rückgang müssen nach derzeitigem Stand mit einem halben Prozentpunkt die Kunden der Axa hinnehmen, die insgesamt niedrigste Verzinsung bietet mit 3,35 Prozent die Zurich. Für Unternehmen heißt der Verlust der Vier vor dem Komma, dass sich weniger Kunden für ihre Policen interessieren dürften.

Und für Verbraucher? Sollten sie angesichts der schwindenden Rendite ihre Lebenspolicen jetzt schleunigst kündigen? "Bei bestehenden Verträgen sehe ich keinerlei Handlungsbedarf", sagt Tom Friess vom VZ Vermögenszentrum. "Eine Entscheidung, durch die man sich auf Jahrzehnte festgelegt hat, sollte man nicht über Nacht umwerfen, weil die Verzinsung sich kurzfristig ändert." Denn wer seinen Vertrag vorzeitig kündigt, verliert meist viel Bares: Er erhält von den Unternehmen nur den sogenannten Rückkaufswert ausbezahlt, der häufig unter den eingezahlten Beiträgen liegt.

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