Süddeutsche Zeitung

Lebensmittel:Medikamente im Einkaufskorb

Wer in Zukunft im Kühlregal nach cholesterinsenkender Margarine greift, wird auf der Verpackung einen neuen Warnhinweis lesen. Der soll Menschen mit normalem Cholesterinspiegel vom Kauf abraten - weil Experten streiten, ob die Margarine gesunden Menschen schadet.

Von Daniela Kuhr

Lebensmittel, die damit werben, dank Pflanzensterinen den Cholesterinspiegel zu senken, müssen ab sofort einen neuen Warnhinweis tragen. Grund dafür ist eine EU-Verordnung, die an diesem Samstag in Kraft tritt.

Eines der bekanntesten Produkte, das in Deutschland davon betroffen ist, ist die Margarine Becel pro-activ des Lebensmittelkonzerns Unilever. "Auf unserem Produkt befand sich schon länger der Pflichthinweis, dass die Margarine 'exklusiv bestimmt' sei 'für Menschen mit einem überhöhten Cholesterinspiegel'", sagt ein Sprecher von Unilever.

Da die EU-Verordnung, die Unilever unterstützt, jedoch neue Anforderungen stelle, habe man seit einigen Wochen eine neue Formulierung verwendet. "Jetzt lautet der Hinweis: Die Margarine ist nicht bestimmt für Menschen, die ihren Cholesterinspiegel nicht zu kontrollieren brauchen."

Quasi-Medikamente hätten im Supermarkt nichts verloren

Hintergrund ist ein Streit, der seit Jahren zwischen der Lebensmittelindustrie, Wissenschaftlern und Verbraucherschutzorganisationen läuft. Während die Lebensmittelindustrie diverse Studien anführt, die belegen, dass ihre Produkte dank der Pflanzensterine den Cholesterinspiegel senken können, verweisen Wissenschaftler auf die negativen Folgen, die der Gebrauch dieser Produkte hat, wenn sie von Menschen verzehrt werden, die ihren Cholesterinspiegel gar nicht senken müssen.

Auch das Bundesamt für Risikobewertung kam vor zwei Jahren zu dem Ergebnis, es sei nicht ausreichend belegt, dass cholesterinsenkende Lebensmittel für gesunde Personen unbedenklich seien, insbesondere nicht für Kinder.

Der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch reicht die neue Regelung mit dem verpflichtenden Warnhinweis daher auch nicht. "Wenn ein Lebensmittel nicht zweifelsfrei sicher ist, darf nicht nur in einer Fußnote vor dem Verzehr gewarnt werden - es muss vom Markt genommen werden", sagt Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelkennzeichnung bei Foodwatch. Produkte mit medizinischer Wirkung sollten erst klinisch erprobt werden müssen. Zumal Quasi-Medikamente im Supermarkt nichts verloren hätten.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2014/fie
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