Landesbanken und die Justiz:Kreditinstitute im Vollwaschgang

Staatsanwälte können die Landesbanken nicht in eine gute Zukunft führen - doch diese Institute sind wichtiger, als mancher wahrhaben möchte.

Martin Hesse

Man kann sich die Landesbanken wie einen großen, alten Flickenteppich vorstellen, der über dem Land liegt. Über Jahrzehnte hat sich viel Dreck darin angesammelt. Jetzt ist die Zeit des Reinemachens gekommen. Es ist, als habe jemand die Klappe einer riesigen Waschmaschine geöffnet, die schmuddeligen Kreditinstitute reingeworfen und einmal Vollwaschgang gewählt. Staatsanwälte und europäische Wettbewerbshüter wirbeln die Landesbanken durcheinander, dass Managern und Eigentümern Hören und Sehen vergeht.

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Bei der Stuttgarter LBBW marschierten in dieser Woche 240 Ermittler ein.

(Foto: Foto: ddp)

Bei der Stuttgarter LBBW marschierten in dieser Woche 240 Ermittler ein. Die BayernLB hatte die Staatsanwaltschaft im Oktober im Haus. Sie will wissen, ob beim Kauf der Hypo Alpe Adria Geld veruntreut wurde. In diesen Tagen versuchen sich die Bayern von der Kärntner Tochter zu befreien, um von ihr nicht in den Abgrund gezogen zu werden.

Hässliche Flecken hatte der Landesbanken-Teppich schon lange. Doch erst die Jahrhundertkrise zersetzte das Gewebe und brachte vier der sieben verbleibenden Landesbanken in Existenznot. Erst jetzt hat eine ernsthafte Vergangenheitsbewältigung begonnen. Die Frage aber ist, ob Staatsanwälte die Verfehlungen der Landesbanken aufarbeiten können. Muss man nur die Manager verurteilen, um den Weg in eine bessere Zukunft freizumachen? Ist das Handeln der Bankchefs Schmidt, Jaschinski, Nonnenmacher und Fischer justiziabel oder sind die Razzien in München, Stuttgart, Hamburg und Düsseldorf lediglich geeignet, den Volkszorn zu beruhigen?

Missbrauch durch die Politik

Der Niedergang der Landesbanken bedarf in einigen Fällen einer juristischen, vor allem aber einer umfassenden ökonomischen Aufarbeitung. Um das zu verstehen, muss man sich die Ursachen für das Scheitern in Erinnerung rufen. Es hat erstens eine lange Tradition, dass Politiker die Landesbanken missbrauchen, um unwirtschaftliche Prestigeobjekte zu finanzieren und regionale Unternehmergrößen wie Leo Kirch zu päppeln.

Die zweite Ursache ist regulatorischer Art: Seit 2005 haftet die öffentliche Hand nicht mehr voll für die Landesbanken. Die EU-Kommission sah darin zu Recht eine Wettbewerbsverzerrung zulasten privater Banken. Doch die Folge war, dass die Landesbanken sich vor Inkrafttreten der neuen Regeln mit Kapital vollsogen - was ökonomisch rational war - und das Geld für Geschäfte nutzten, die sie nicht verstanden. Sie spekulierten am US-Immobilienmarkt oder expandierten in ferne Märkte. Sie verloren Milliarden und mussten von den Ländern gestützt werden. Dafür werden sie wiederum von der EU mit harten Auflagen bestraft.

All das sind aber noch keine Gründe, die Bankvorstände vor Gericht zu stellen. Es heißt häufig, die Landesbanken missachteten mit riskanten Geschäften ihren öffentlichen Auftrag. Man könne womöglich Untreue vermuten, weil sie das ihnen anvertraute Geld nicht für die Dinge verwendeten, für die Kunden und Eigentümer es ihnen gaben. Doch ein Blick in die Satzung der LBBW widerlegt das. Dort heißt es zwar, die Landesbank erbringe ihre Leistungen "für die Bevölkerung, die Wirtschaft und die öffentliche Hand", auch von gemeinnützigen Zwecken ist die Rede. Im Übrigen sei sie Zentralbank der Sparkassen und Hausbank des Landes und der Stadt. Doch ebenso steht da, die Landesbank habe volle Geschäftsfreiheit, sei eine Universalbank und internationale Geschäftsbank. Alles ist möglich. Schon in der Satzung ist die problematische Zwitterrolle der Landesbanken somit angelegt.

Untreue oder nur Fahrlässigkeit?

Dennoch ist es richtig, wenn Staatsanwälte prüfen, ob die Bankvorstände das ihnen anvertraute Vermögen pfleglich behandelt haben. Der Verdacht der Untreue besteht, weil es Indizien gibt, dass Manager hohe Verlustrisiken zumindest billigend in Kauf nahmen. Doch womöglich handelten sie nur fahrlässig, weil sie darauf vertrauten, dass es irgendwie gutgehen werde. Den Unterschied werden Gerichte nur in den wenigsten Fällen nachweisen können.

Schlimmer aber wäre es, wenn Staatsanwälte in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Maßstäbe anlegten. Die Justiz verfolgt Fehlspekulationen und riskante Übernahmen bei der LBBW und der BayernLB. Aber werfen nicht der Kauf der Dresdner Bank durch die Commerzbank und die Milliardenverluste dieser privaten Kreditinstitute ähnliche Fragen auf? Immerhin mussten die Steuerzahler die Commerzbank mit 18 Milliarden Euro stützen. Fatal wäre es, wenn aus politischen Gründen Ermittlungen in einigen Fällen unterblieben. So sollten die Ermittler nicht die Augen davor verschließen, dass Politiker und Sparkassenvertreter in den Aufsichtsgremien der Landesbanken manche Fehlentscheidung mitzuverantworten haben.

Gesündere Landesbanken werden Gerichtsurteile aber nicht hervorbringen. Eine Zukunft haben sie nur, wenn diejenigen, die durch die Verluste geschädigt wurden, sich auch auf andere Weise wehren. Wenn Steuerzahler Politiker abwählen, die ihre Landesbanken missbrauchten und in den Aufsichtsräten versagten; wenn Mitarbeiter und Eigentümer gegen unfähige Vorstände aufbegehren; wenn Kunden ihr Geld Banken anvertrauen, die damit verantwortungsvoll umgehen.

Landesbanken tragen ein Fünftel zur Kreditversorgung des deutschen Mittelstandes bei. Deshalb ist es gefährlich, wenn auch verständlich, wenn die EU nun eine Halbierung der Institute fordert und auf diese Weise eine Kreditklemme provoziert. Der alte Teppich wird noch gebraucht. Man sollte ihn sorgfältig restaurieren.

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