Lagebewertung:Was heißt schon guter Wohnwert?

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Makler scheren München nicht über einen Kamm, sondern teilen die Stadt auf in vier Wohnlagen. Aber sie müssen ganz genau aufpassen, denn Viertel, die sie für begehrt halten, bewerten Bewohner oft ganz anders.

Von Julia Hagemann

Was macht eine Wohnlage begehrt und damit meistens auch teuer? Was zeichnet ein gefragtes Viertel eigentlich aus? Ist es nur die ruhige, zentrale und möglichst grüne Lage mit bequemer Verkehrsanbindung vor der Haustür? Die Architektur? Die Bewohner? Die Freizeitmöglichkeiten?

Wohnwerte in München: Auf die Lupe klicken und es zeigt sich die gesamte München-Karte. (Foto: Grafik: SZ - Mainka, Quelle: RDM)

Die Lage zieht

Beispiel Nymphenburg. Der Stadtteil im Norden von München steht, nach Einschätzung von Immobilienfachleuten, an der Spitze der Begehrlichkeiten von Wohnungssuchenden. Hier, im alteingesessenen Villenviertel rund um den Nymphenburger Kanal und Schlosspark lasse sich, obwohl der Wohnungsmarkt im Vergleich zu früheren Jahren etwas gedämpft sei, "immer schnell ein neuer Mieter oder Käufer finden", stellt Rudolf Stürzer, Vorstand von Haus&Grund Bayern, fest. Und das zu Spitzenpreisen. Auch wenn in Nymphenburg nicht jede Wohnung geschmackvoll ist, und es auch dort Ecken gibt, die nicht unbedingt zu den attraktivsten zählen, lässt allein schon das Aushängeschild "Nymphenburg" die Preise in die Höhe schnellen.

Makler-Messlatte

Der Ring Deutscher Makler Bayern (RDM) hat ausgerechnet, dass man für eine 70 Quadratmeter große, neu gebaute Eigentumswohnung mit modernster Ausstattung knapp 4000 Euro pro Quadratmeter hinblättern müsste. Dieselbe Wohnung wäre demnach in Untermenzing oder Großhadern durchschnittlich um 500 Euro pro Quadratmeter günstiger. Wer die aktuellen Angebote in der Tageszeitung studiert, wird aber auch feststellen, dass die Quadratmeterpreise beispielsweise in Obermenzing bis zu 200 Euro teurer sein können.

Die Schwankungen bei den Preiseinschätzungen des RDM-Immobilien-Fachausschusses erklären sich aus dem Basismaterial. Zweimal jährlich werden die Münchner Stadtteile nach dem jeweils dominierenden Wohnwert, der sich wiederum aus der Wohnlage und der durchschnittlichen Ausstattung der Wohnung, sowie deren Preis zusammensetzt, bewertet. Dem zu Grunde liegen Informationen von 20 Marktberichterstattern, wie Makler, Bauträger, Hausverwalter sowie Gutachter, die an den RDM weiter gegeben werden. Schließlich werde nur zu Grunde gelegt, "welche Ausstattung und welches Preisniveau im jeweiligen Stadtteil überwiegt", wie Ralf Sorg, Referent des RDM Bayern erläutert. Ausreißer bei den Wohnungspreisen seien sowohl nach oben als auch nach unten möglich.

Zusammenspiel von Faktoren und Gefühlen

Neben den harten Kriterien zählen aber auch emotionale Faktoren, die ein Viertel beliebt machen. Gern zum Beispiel hat eigentlich keine optimale Verkehrsanbindung, die Einkaufsmöglichkeiten sind eher bescheiden und die Ausstattung der Altbauten ist vielleicht auch nicht immer auf dem neuesten Stand. Dennoch steht das direkt an Nymphenburg angrenzende Viertel ganz oben in der Gunst der Wohnungssuchenden, dicht gefolgt von Altbogenhausen. Hier steigert die Idylle Nachfrage und Preis. Gern sei "einfach urbaner und liebenswerter bebaut", erklärt Heiner Riedel, von Riedel-Immobilien. Und schließlich gebe immer öfter auch das "Zusammenspiel von Objekt und Lage" den Ausschlag, wie Rudolf Stürzer festgestellt hat. Am liebsten sei den Münchnern ein "Objekt in einer kleinen Wohneinheit mit sechs bis acht Wohnungen in einer ruhigen Lage".

Besonders begehrt sind Wohnungen, bei denen ein Balkon, eine Terrasse oder gar ein kleiner Gartenanteil vorhanden ist. Schließlich spielt der Freizeitgedanke bei der Wohnungswahl nach wie vor eine große Rolle.

Stadtviertel im Image-Wandel

Riesige Wohnanlagen dagegen liegen nicht mehr so im Trend wie noch vor wenigen Jahren. Deswegen ist auch beispielsweise der einst so begehrte Herzogpark heute nicht mehr so nachgefragt, meint Riedel. Dort herrsche einfach eine "zu hohe Baudichte mit großen, modernen Wohnanlagen". Dasselbe habe sich in Perlach, Sendling und Giesing abgespielt, wie Rudolf Stürzer ergänzt.

In Obergiesing dagegen habe sich der Spieß umgedreht. In der vorher eher einfachen Wohngegend habe sich eine Menge getan, sagt Riedel: "Zahlreiche alte Häuser wurden saniert und renoviert. Jetzt ziehen die Leute wieder gerne dorthin." Manchmal werden bestimmte Viertel also auch ohne ihr Zutun aufgewertet. Durch Sanierungswellen oder attraktive Nachbarviertel, die eine Sogwirkung auslösen.

Die Schwanthalerhöhe ist so ein Beispiel. Bis vor kurzem galt dieser Stadtteil als "kurze-Hosen-Viertel", als eine eher einfache und wenig bevorzugte Wohnlage. Durch die neu gebaute Theresienhöhe und eine langsam einsetzende Gebäuderenovierung hat sie sich bereits zu mittlerem Niveau aufschwingen können. Die Theresienhöhe führe zu einer "schwunghaften Verbesserung des Umfeldes", glaubt Sven Keussen, auch wenn sich im nahe gelegenen "Westend noch nicht so viel getan hat".

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