Länderpleite in Europa:EU bereitet sich auf Insolvenz Griechenlands vor

Hat Griechenland überhaupt noch eine Chance? Die EU rechnet offenbar mit dem Schlimmsten: Kommissionschef Barroso kündigt an, Europas Banken im Fall einer Pleite mit reichlich Kapital zu versorgen. Wieder einmal. In den letzten Jahren haben die Regierungen schon viele Billionen Euro zur Verfügung gestellt, um der Wirtschaft zu helfen.

Wut und Dementis aus Europa erntete Christine Lagarde vor gut einem Monat, als die Chefin des Internationalen Währungsfonds ein 200 Milliarden Euro großes Loch in den Bilanzen europäischer Banken diagnostizierte. Von Spaniens Finanzministerin Elena Salgado bis Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann: Die Mächtigen des Kontinents verbaten sich solche Aussagen zum Zustand des Finanzsystems. Heute klingt das anders: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kündigt eine konzertierte Aktion der Mitgliedsländer an: Europäische Banken sollen rekapitalisiert werden, um sie im Falle einer Pleite Griechenlands zu schützen.

Stresstest für Banken - Frankfurter Bankenskyline

Eine Pleite Griechenlands würde einen schweren Schlag für Europas Bankensystem bedeuten. Die EU will die Institute jetzt dagegen absichern.

(Foto: dpa)

Durch eine gemeinsame Aktion der Mitgliedsländer solle es angeschlagenen Kreditinstituten ermöglicht werden, "Schrottpapiere in ihrem Besitz loszuwerden", sagte Barroso. Einen entsprechenden Vorschlag werde die Kommission den 27 EU-Staaten nun unterbreiten, kündigte er in einem Interview mit dem Fernsehsender Euronews an. Details zu dem Plan nannte Barroso aber nicht.

Es wären nicht die ersten Hilfen, die in das Bankensystem gepumpt werden. Barroso nannte gewaltige Zahlen: Seit 2008 sind die europäischen Banken nach seinen Angaben mit 500 Milliarden Euro unterstützt worden. Damit seien auch "die Ersparnisse der Menschen geschützt" worden. Zusammen mit den Garantien seien mehr als eine Billion Euro, mit allen Hilfen für die Realwirtschaft sogar 4,3 Billionen Euro zur Verfügung gestellt worden.

Angesichts dieser Zahlen sei auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer mehr als legitim, sagte Barroso. Von einer Steuer auf alle Deals an den Finanzmärkten könnte wieder etwas Geld aus dem Privatsektor an öffentliche Institutionen zurückfließen. Die EU habe den Anfang gemacht, nun werde er innerhalb der G20-Gruppe auf eine globale Steuer dringen, sagte Barroso.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) will den Finanzsektor gegen die Folgen von Staatspleiten absichern. Sie verleiht wieder Geld mit besonders langer Laufzeit. Das kündigte der scheidende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet nach Ratssitzung in Berlin an. Ein Programm soll im Oktober beginnen mit einer Laufzeit von voraussichtlich zwölf Monaten, ein weiteres im Dezember mit einer Laufzeit von voraussichtlich 13 Monaten. Die Währungshüter greifen damit auf ein Instrument aus den Zeiten der Finanzkrise zurück. Zudem will die EZB weiter Staatsanleihen europäischer Krisenstaaten aufkaufen, um sie zu stützen. Das Volumen bezifferte Trichet auf 40 Milliarden Euro. Zuvor hatte die EZB bekanntgegeben, den Leitzins bei 1,5 Prozent zu belassen und nicht zu senken. Im Gegensatz zu ihren Kollegen von der amerikanischen Notenbank Fed halten die Eurobanker weiter nichts davon, die Wirtschaft mit extrem billigem Geld zu versorgen.

Bankenaufsicht sucht nach toxischen Papieren

Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) soll nun Europas Banken genauer in Augenschein nehmen. Sie wird analysieren, was mit ihnen passiert, wenn sich beispielsweise Griechenland für zahlungsunfähig erklärt. Die EBA wolle "die Kapitalpositionen der Banken" prüfen, teilte die Behörde bei ihrem Treffen in London mit. Dabei wird es vor allem um "toxische", also stark wertverminderte Staatsanleihen von Krisenstaaten, gehen, die sich im Besitz der Banken befinden. So will die EBA herausfinden, wie sich die Banken bei einem Schuldenschnitt schlagen würden - dem sogenannten "Haircut".

Es handele sich dabei aber nicht um neue Stresstests. Den im Juli vorgelegten Ergebnissen der Tests von 91 Banken gebe es nichts hinzuzufügen, teilte die EBA mit.

Erst vor wenigen Tagen hatten neue Probleme bei der belgisch-französische Finanzgruppe Dexia für Schrecken an den Börsen gesorgt. Am Donnerstag wurde sie wegen starker Kursverluste vom Handel ausgesetzt. Zuvor hatte es Gerüchte über eine bevorstehende Verstaatlichung von Teilen des Finanzinstruments gegeben. Die belgischen Nachrichtenagentur Belga erfuhr aus einer Regierungssitzung in Brüssel, dass der belgische Teil, die Dexia Banque Belgique, nationalisiert werden dürfte.

Schon nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman war Dexia eines der ersten Institute, das von den Regierungen Frankreichs und Belgiens gerettet werden musste. Darum wird befürchtet, die Schwäche des Instituts, das stark in Griechenland engagiert ist, könne Vorbote einer neuen Krise in der Bankbranche sein.

"Situation ist schlechter geworden"

Schlimmer noch: Unklar ist, wie es den europäischen Banken tatsächlich geht. Der Stresstest im Juli, den Dexia gemeistert hatte, scheint jedenfalls an Aussagekraft eingebüßt zu haben.

Selbst die EU-Kommission, sonst für diplomatische Zurückhaltung bekannt, griff zu deutlichen Worten und schlug Alarm. "Es ist Fakt, dass die Situation in den vergangenen Monaten schlechter geworden ist", sagte eine Kommissionssprecherin.

Das Problem vieler Banken liegt darin, dass sie sich kein frisches Geld mehr am Geldmarkt besorgen können. Aus Angst vor versteckten Verlusten in den Bankbilanzen leihen viele Geldhäuser anderen Banken kein Geld mehr.

Die Kreditinstitute in Deutschland haben indes nach Einschätzung des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) derzeit keinen akuten Kapitalbedarf. "Die deutschen Banken sind stabil. Sie haben ihre Kapitalausstattung deutlich verbessert", sagte der Hauptgeschäftsführer des BdB, Michael Kemmer, im Deutschlandfunk. Im internationalen Vergleich stünden die deutschen Geldinstitute derzeit stabil da, merkte er an.

Dennoch erfasse das allgemeine Misstrauen gegenüber den Finanzinstituten auch den deutschen Bankensektor. "Der Vertrauensverlust, der um sich greift, ist ernstzunehmen", sagte Kemmer. "Ich sehe in Deutschland keinen Fall, der vergleichbar wäre mit Dexia", sagte Kemmer.

Es ist allerdings denkbar, dass die deutschen Institute sich stärker als bislang angenommen an der Griechenland-Rettung beteiligen müssen. Der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle sagte der Passauer Neuen Presse: "Die privaten Banken haben einem Verzicht auf 21 Prozent ihrer Forderungen gegenüber Griechenland zugestimmt. Das reicht möglicherweise nicht."

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