Kurssturz an der Wall Street:Ein wilder Bungee-Sprung

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Es war der größte Kurssturz in der Geschichte der Wall Street. Doch dass der Dow Jones zwischenzeitlich so tief absackte, hatte möglicherweise einen ganz banalen Grund.

Aufräumarbeiten nach dem Kursdebakel an der New Yorker Börse innerhalb weniger Minuten: Der Leitindex Dow Jones Composite hatte am Donnerstag in nicht einmal einer Stunde fast 1000 Punkte oder ein Zehntel seines Werts verloren. Nach Punkten war dies der größte Einbruch aller Zeiten, gemessen in Prozenten immerhin noch der stärkste Rückgang seit April 2009. Doch dann kamen rasch Zweifel auf, ob die Talfahrt der Notierungen tatsächlich durch eine wirtschaftlich begründete Verkaufswelle ausgelöst worden war, oder nicht vielmehr durch ein technisch begründetes Missverständnis.

Große Augen: Ein Händler der Bank of America in New York starrt entsetzt auf die Anzeigetafel mit den abstürzenden Kursen. (Foto: Foto: AP)

Was genau passierte, war zunächst noch unklar. Eine Möglichkeit, die untersucht wurde, war, dass ein Händler Aktien im Wert von 16 Milliarden Dollar statt 16 Millionen Dollar verkaufte. Im Englischen macht nur ein Buchstabe den Unterschied: Billion (Milliarden) statt Million (Millionen). Das löste dann die automatischen Verkäufe aus, die zum Kurssturz führten. Alle Seiten bemühen sich nun um Aufklärung und Schadensbegrenzung nach diesem historischen Einbruch.

Auch Nasdaq knickt ein

Die beiden Börsenbetreiber NYSE und Nasdaq wollen alle Transaktionen von besonders stark betroffenen Werten rückgängig machen. Sie kündigten an, dass alle Verkäufe von Aktien, die zwischen 14.40 und 15 Uhr (Ortszeit) mehr als 60 Prozent verloren hatten, revidiert werden sollen. An der Technologiebörse Nasdaq sind davon mehrere hundert Titel betroffen - auch der Leitindex Nasdaq Composite hatte bis zu neun Prozent verloren.

Selbst Standardwerte wie Procter & Gamble brachen um bis zu ein Drittel ein - der Marktwert des weltweit größten Konsumgüterherstellers sank innerhalb weniger Minuten somit um rund 60 Milliarden Dollar. Doch genauso schnell wie die Aktien gefallen waren, schossen sie auch wieder hoch. Am Ende schloss der Dow Jones noch gut 3 Prozent im Minus bei 10.520 Punkten.

Börsianer sorgen sich nach dem wilden Kursverlauf um den Ruf des Börsenplatzes. "Das hat nichts mehr mit Werten zu tun, das ist ein Witz", ereiferte sich Börsenexperte Joseph Saluzzi von Themis Trading. "Das ist der Markt der Vereinigten Staaten von Amerika, das ist nicht Kasachstan oder so."

Strengerel Regeln gefordert

Auch wenn die Ursache des noch nie dagewesenen Absturzes noch nicht geklärt ist, fordern einige Politiker bereits strengere Regeln für den Computerhandel, um so etwas in Zukunft zu vermeiden. Es sei wieder die Gefahr deutlich geworden, dass "Hochgeschwindigkeits-Computer falsche Geschäfte generieren und am Markt Chaos erzeugen", sagte der demokratische Senator Edward Kaufman wenige Stunden nach Börsenschluss.

Der "Kampf der Algorithmen" sei für die Börsenaufsicht SEC nicht ansatzweise zu durchschauen und müsse daher "bald in einen sinnvollen Regulierungsrahmen eingebettet werden". Kaufman und sein Kollege Mark Warner forderten eine Untersuchung des Kongresses zu dem Vorfall. Ein Ausschuss des Repräsentantenhaus kündigte für Dienstag eine Anhörung an.

In der US-Presse wurde der Verlauf als "wilder Bungee-Sprung" des Marktes beschrieben. Besonders betroffen waren unter anderem die Titel von Exelon mit einem Minus von zeitweilig bis zu 99 Prozent, Procter & Gamble mit 33,7 Prozent, 3M mit 17 Prozent und Apple mit 14,4 Prozent.

Im Senat wird gegenwärtig über einen Gesetzentwurf zur Finanzmarktreform debattiert, der eine stärkere Kontrolle vorsieht. Der Hochgeschwindigkeits-Handel mit Computern macht inzwischen etwa 60 Prozent des Volumens in den USA aus.

Nikkei deutlich im Minus

Nach dem drastischen Kurssturz an der New Yorker Wall Street gaben auch die Börsen in Asien am Freitag deutlich nach. In Japan verlor der Nikkei-Index 3,27 Prozent auf 10.696 Zähler. Die japanische Notenbank kündigte an, sie werde Handelsbanken zwei Billionen Yen (16,4 Milliarden Euro) für kurzfristige Kredite zur Verfügung stellen, um die Liquidität zu erhöhen. Hintergrund ist auch hier die Unsicherheit über die weitere Entwicklung angesichts der Finanzkrise in Griechenland.

Der südkoreanische Index Kospi fiel um 2,9 Prozent auf 1635,25 Punkte, der australische Leitindex verlor 2,1 Prozent.

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