Kunden der Bundesfinanzagentur:Viel Ärger für wenig Zinsen

Die Bundesfinanzagentur verlangt von ihren Kunden Ausweiskopien. Erboste Anleger kündigen deshalb ihre Konten, auch wenn die Agentur mittlerweile bedauert, dass ihre Anschreiben zu Irritationen geführt haben. Der Fall beschäftigt nun auch die Datenschützer.

Andreas Jalsovec

Der Ärger der Bundesfinanzagentur mit ihren Kunden beschäftigt nun auch Deutschlands oberste Datenwächter. Beim Bundesbeauftragten für Datenschutz sind etliche Anfragen zum Vorgehen der Finanzagentur eingegangen. Das bestätigte eine Sprecherin der Datenschutzbehörde. Hintergrund: Die Agentur verlangt von gut 300.000 Kleinanlegern, die dort ein Depot haben, nachträglich die Vorlage einer amtlich beglaubigten Ausweiskopie. Wer sie nicht beibringt, dem droht die Behörde mit der Kündigung seiner Konten zum 31. Januar. Das hat bei vielen Kunden für Empörung und Verunsicherung gesorgt.

In einer Mitteilung bedauerte die Agentur jetzt, "dass die Anschreiben zu Irritationen bei den Anlegern geführt haben". Dennoch wandten sich Kunden an den Bundesdatenschutzbeauftragten. "Sie wollten unter anderem wissen, ob die Finanzagentur überhaupt eine Ausweiskopie anfordern darf", so die Sprecherin.

Wozu braucht die Agentur den Ausweis?

Privatanleger, die Bundeswertpapiere kaufen, können bei der Finanzagentur ein kostenloses Depot dafür einrichten. Seit April 2011 Jahre unterliegt die Agentur aber dem Geldwäschegesetz. Das Gesetz gibt es seit den Anschlägen vom 11. September. Es sieht strengere Regeln für den Identitätsnachweis der Anleger vor. Daher verlangt die Finanzagentur nun vom Großteil ihrer Privatkunden eine beglaubigte Kopie des Ausweises. Die Kosten dafür tragen die Anleger selbst.

Darf die Agentur solche Kopien massenhaft einsammeln?

Sie darf - so steht es im Geldwäschegesetz. Allerdings lässt das Gesetz auch andere Möglichkeiten zu, wie sich die Anleger ausweisen können. Eine davon ist das Postident-Verfahren. Dabei legt der Kontoinhaber bei einer Postfiliale den Ausweis vor. Diese Möglichkeit nutzt die Agentur aber nur bei Neukunden. Für Bestandskunden ist ihr das zu teuer. Denn die Kosten dafür müsste sie selbst tragen. Die Datenschützer überzeugt diese Argumentation nicht. Man habe noch einmal eine "genauere Begründung" von der Finanzagentur angefordert, berichtet die Sprecherin. Beim Postident-Verfahren sind keine Ausweiskopien nötig. Es gilt deshalb als "datenschonender".

Was passiert mit den Ausweiskopien?

Die Finanzagentur speichert die notwendigen Ausweisdaten in ihrem Computersystem. Anschließend werden die Kopien vernichtet, versichert ein Sprecher der Agentur. Die Daten, so sieht es das Geldwäschegesetz vor, werden dann fünf Jahre aufbewahrt. Eine solche Frist sei nicht ungewöhnlich, heißt es beim Bundesdatenschutzbeauftragten. So seien auch Anbieter von Handy-Verträgen verpflichtet, Ausweisdaten der Kunden für eine gewisse Zeit zu speichern.

Wer darf die Kopie beglaubigen?

Das können nur Stellen, die ein amtliches Dienstsiegel führen", sagt der Finanzagentur-Sprecher. Gemeint sind damit Einwohnermeldeämter oder größere Behörden. Aber auch Notare und Pfarrämter stellen amtliche Beglaubigungen aus. Eine Bestätigung der eigenen Hausbank reicht dagegen nicht.

"Lasse es nun auf eine Kündigung meines Depots ankommen"

Viele Kunden hatten eine solche Bestätigung eingeschickt - und dennoch die Kündigungsandrohung bekommen. "Empörend", findet das etwa der Münchner Jörg Wehr, der schon Jahrzehnte ein Depot bei der Agentur führt und - wie etliche andere Kunden - wegen der Vorgehensweise der Agentur äußerst verärgert ist: "Ich lasse es nun auf eine Kündigung meines Depots ankommen", sagt er.

Was ist, wenn die beglaubigte Kopie bis 31. Januar nicht vorliegt?

Dann wird die Kündigung wirksam. Auf den Konten sind dann nur noch Vorgänge möglich, die zur Abwicklung dienen - also die vorzeitige Rückgabe der Papiere oder die Übertragung auf ein Depot bei der Hausbank. Neue Papiere anzulegen oder zu kaufen, geht nicht mehr. Auch Daueraufträge über monatliche Sparraten werden nicht mehr angenommen. Vorhandene Wertpapiere können aber bis zum Ende der Laufzeit auf dem Konto bleiben, Zinsen werden gutgeschrieben. "Am Ende werden Zinsen und Nennbetrag ausbezahlt. Anschließend wird das Konto abgewickelt", sagt der Agentur-Sprecher.

Gehen der Finanzagentur durch den Ärger Kunden verloren?

Davon ist auszugehen. Zwar rechnet die Agentur damit, dass "ein Großteil der Kunden" die Unterlagen rechtzeitig einreicht. Es gebe eine "hohe Mitwirkungsbereitschaft". Derzeit gehen täglich rund 6000 Briefe in der Frankfurter Zentrale der Finanzagentur ein, rund 1500 Betroffene melden sich per Telefon. Um des Andrangs Herr zu werden, kündigte die Agentur jetzt an, die Anzahl der Mitarbeiter, die sich um die Kunden kümmern, kurzfristig auf 140 aufzustocken.

Einigen erbosten Anlegern wird das egal sein. Sie nehmen das Vorgehen der Agentur zum Anlass, ihr Konto zu kündigen: "Mich hat das Drohschreiben dermaßen geärgert, dass ich meine Bundesschatzbriefe zurückgegeben habe", schreibt ein Kunde in einem der prall gefüllen Internetforen zum Thema. Besonders schwergefallen ist ihm das offenbar nicht. Denn die Zinsen, die man derzeit auf Bundeswertpapiere bekommt, sind historisch tief. Viele Anleger schauen sich deshalb nach Alternativen um. Das Hickhack um die Ausweiskopien dürfte sie darin zusätzlich bestärken.

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