Küchen:Für Veggie-Days

Fleischlos kochen liegt im Trend. Deshalb haben Designer eine Küche speziell für Vegetarier kreiert. Zur ihr gehört ein Kräuterschrank mit vier Klimazonen. Der Nutzen dieser Küche ist allerdings umstritten.

Von Jochen Bettzieche

Kein Lamm auf dem Teller, kein Huhn im Suppentopf. Immer mehr Deutsche lassen beim Essen häufig das Fleisch weg oder leben vegetarisch. Manche lehnen tierische Produkte ganz ab und entscheiden sich für eine vegane Ernährung. Nach einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach verzichtet 7,5 Prozent der deutschen Bevölkerung von einem Alter von 14 Jahren an weitgehend auf Fleisch. Das entspricht mehr als 4,8 Millionen Menschen.

Kein Wunder, dass immer mehr Produkte auf den Markt kommen, die auf besondere Bedürfnisse dieser Gruppe abgestimmt sind. Dabei handelt es sich nicht nur um Kochbücher. Österreichische Designer haben eine Küche vorgestellt, die sie eigens für Vegetarier entwickelt haben. "Vooking" nennen sie das Konzept, und es stieß erst einmal auf reges Medieninteresse. Mitglieder der Zielgruppe selbst fragen sich allerdings, ob sie tatsächlich eine eigene Küche benötigen.

Sieben Module haben die Designer des Studios Formquadrat aus Linz entworfen: Kühleinheit, Spüle, Kochstation, Arbeitsfläche, Backofen-Dampfgarer-Kombination, ein Hochschrank für Getreidelagerung mit integrierter Mühle sowie einen Schrank zum Kräuterzüchten. In speziellen Glasgefäßen könnten Bockshornklee, Sojasprossen oder Linsen wachsen. Als Küche richtet sich das Ensemble an Menschen, die oft und gerne kochen. Diese freuen sich über Details wie einen integrierten Mörser, einen Teppanyaki-Grill für die japanische Küche und zahlreiche Behälter für Gewürze.

Küchen: Einfach Geschmackssache, ob man sie anschaffen möchte: Zur Vegetarier-Küche gehören zum Beispiel ein integrierter Mörser für Gewürze....

Einfach Geschmackssache, ob man sie anschaffen möchte: Zur Vegetarier-Küche gehören zum Beispiel ein integrierter Mörser für Gewürze....

(Foto: MICHAEL LIEBERT)

Allerdings sind das keine Ideen, die nur Vegetarier erfreuen. An welchen Stellen jene tatsächlich andere Anforderungen haben, erläutert Mario Zeppetzauer, Leiter des Linzer Büros von Formquadrat: "Fleischesser benötigen nicht so einen großen Kühlschrank und kommen mit einer kleineren Spüle aus." Mit anderen Worten: Vegetarier benötigen mehr Platz. 11,25 Quadratmeter braucht die Vooking-Küche mindestens, ohne Stauraum für Gläser, Geschirr und ähnliches. Allein der Schrank zum Kräuterzüchten ist ungefähr so groß wie der Kühlschrank. Ein spezielles Beleuchtungs- und Belüftungssystem erzeugt bis zu vier Klimazonen für den Küchengarten.

Der Vebu (Vegetarierbund Deutschland) sieht hingegen keinen Bedarf an Küchen, die eigens für die Mitglieder konzipiert sind. Normale Küchen seien gut geeignet, beruhigt Verbandssprecherin Stephanie Stragies: "Eine Doppelspüle ist sinnvoll, aber die gibt es ohnehin oft."

Auch beim Münchner Möbelhaus Willinger hat man nichts von unterschiedlichen Anforderungen zwischen Vegetariern und Nichtvegetariern mitbekommen. Höchstens bei der Wahl der Geräte. "Vegetarier nehmen öfter zusätzlich noch einen Dampfgarer", sagt Juniorchef Maximilian Berner.

Küchen: ... und ein Schrank für die Kräuterzucht.

... und ein Schrank für die Kräuterzucht.

(Foto: MICHAEL LIEBERT)

Skeptisch äußert sich auch Athanasios Megarisiotis, Geschäftsführer von Bulthaup München. Größere Null-Grad-Zonen in den Kühlschränken hielten schließlich nicht nur Gemüse, sondern auch Wurst und Käse frisch. "Eventuell muss die Dunstabzugshaube nicht so leistungsstark sein, wenn nicht ständig Schnitzel gebraten werden ", nennt er einen möglichen Unterschied. Spezialgeräte wie eine Getreidemühle hingegen gebe es für alle Seiten. Megarisiotis ist selbst Vegetarier, und seine Küche sieht nicht anders aus als die von einem Fleischesser: "Gekocht wird immer auf dem Herd, unabhängig ob Fleisch, Fisch oder Gemüse."

Große Hersteller von Küchen halten Vegetarier bislang nicht für ein eigenes Marktsegment. Mehr als 100 000 Küchen produziert das Unternehmen Schüller in Herrieden jedes Jahr. "Vegetarisches Kochen und Speisen hat im Schwerpunkt mit der Bevorratung und den Arbeitsabläufen in der Küche zu tun", erklärt Geschäftsführer Markus Schüller. Ein erhöhter Platzbedarf könne aber auch mit Elementen aus der Standardkollektion generiert werden.

Dennoch berichtet Zeppetzauer von regem Interesse an der Küche speziell für Vegetarier. Derzeit verhandle Formquadrat mit mehreren Herstellern, die das Projekt industriell umsetzen wollten. "Wir müssen in Serie", befindet Zeppetzauer. Schließlich geht es hier auch um den Preis. Denn die vegetarische Küche kostet als Einzelanfertigung 68 600 Euro - ohne Geräte. "Ich denke, unsere Idee ist ein Anstoß, und ich hoffe, dass es bald in allen Bereichen und Preislagen Küchen für Vegetarier gibt", sagt der Designer.

Profis jedoch haut das neue Konzept nicht gerade vom Hocker. "Ich habe in einer herkömmlichen Küche noch nie etwas vermisst", ist sich Udo Einenkel sicher. Der gelernte Koch arbeitet ausschließlich auf vegetarischer Basis, gibt Kochkurse und schreibt Bücher zum Thema. In seiner Küche hat er nichts, was man nicht auch in einer Küche für Fleischesser finden würde. Selbst die eigens für die Sprossenzucht vorgesehenen Gefäße sieht er nicht als alleiniges Bedürfnis von Vegetariern. Schließlich würden Fleischesser auch Mahlzeiten mit Sprossen zu sich nehmen. Auch hätten sie den gleichen Bedarf an Gewürzen. "Das ist alles Quatsch", sagt Einenkel lachend, "wenn man als Vegetarier eine besondere Küche bräuchte, würde das viele Leute davon abhalten, sich gesund und vegetarisch zu ernähren".

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