Kritik an Merkel im Bundestag:"Wie eine europapolitische Novizin"

Schon vor dem EU-Treffen zum Euro-Stabilitätspakt bringt sich Kanzlerin Merkel mit einer Regierungserklärung in Stellung. Die Opposition reagiert mit fundamentaler Kritik auf die international umstrittenen Vorschläge der Regierungschefin.

Die Finanzwelt findet kaum zur Ruhe: Nach etlichen Bankenpleiten während der Finanzkrise und dem nur mühsam verhinderten Zahlungsausfall Griechenlands im Frühsommer sorgen sich die Ökonomen nun um einen "Währungskrieg". Bei dem EU-Gipfeltreffen an diesem Donnerstag und noch mehr bei dem G-20-Treffen in zwei Wochen wird es also um ernste Themen gehen.

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Auf dem "schwierigen Weg" zu einem wetterfesten Euro-Währungsraum dürfe die Staatengemeinschaft nicht ausweichen, sondern müsse ihn "mutig und entschlossen gehen", meint Bundeskanzlerin Angela Merkel.

(Foto: AFP)

Darum erhöht Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt schon den Druck auf die EU-Partner - weitere Währungskrisen müssten verhindert und die Debatten um Wechselkurse versachlicht werden, sagte sie in einer Regierungserklärung im Bundestag. Währungskrieg? Aber nicht doch!

Bei künftigen Rettungsaktionen müssten unbedingt auch private Gläubiger finanziell beteiligt werden, forderte Merkel. Die Erwartung von Spekulanten, dass notfalls schon die Eurostaaten wie bei der Griechenland-Hilfe mit Steuergeld einspringen, müsse gebrochen werden. Spätestens bis 2013 wolle Deutschland einen neuen, robusten und rechtlich unangreifbaren "Krisenbewältigungsrahmen" fest in den EU-Verträgen verankern.

Einfach verlängern gibt es nicht

Die Alternative, nämlich die bloße Verlängerung der dann auslaufenden Nothilfe für Athen, sei nicht akzeptabel, denn der im Frühjahr aufgespannte Rettungsschirm sei nur provisorisch und auf den Einzelfall zugeschnitten. "Eine einfache Verlängerung kann und wird es mit Deutschland nicht geben", sagte sie.

Merkel will die übrigen 26 Mitgliedstaaten davon überzeugen, dass Vertragsänderungen notwendig sind. Diesem "schwierigen Weg" dürfe die Staatengemeinschaft nicht ausweichen, sondern müsse ihn "mutig und entschlossen gehen", sagte sie.

Die EU müsse beweisen, dass sie die richtigen Lehren aus der Euro-Krise ziehe. Notwendig sei eine "neue Stabilitätskultur" in Europa. Sie sei froh, dass Frankreich hinter den deutschen Vorschlägen stehe. Merkel betonte, die von der Euro-Taskforce ausgearbeitete Reform des Stabilitätspakts und die Vertragsänderungen seien ein Paket. Im Kreis der EU-Außenminister am Montag in Luxemburg war hingegen erheblicher Widerstand gegen eine Öffnung der Verträge deutlich geworden.

Zugleich machte Merkel wie schon Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) deutlich, dass sie die US-Vorschläge ablehnt, Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen von Ländern mit speziellen Vorgaben zu bekämpfen.

Künast: "Wie eine europapolitische Novizin"

"Quantitative Leistungsbilanzziele" seien keine Lösung. Vielmehr müssten strukturelle Ursachen für die Ungleichgewichte ausgeräumt werden. Deutschland leiste mit seinem Wachstum einen substanziellen Beitrag zur Stabilisierung der Weltwirtschaft, unterstrich Merkel.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf der Kanzlerin vor, sich wie eine "europapolitische Novizin" zu verhalten. Ihr "dilettantischer" Kurs in diesem Bereich sei ein einziger Widerspruch, sagte Künast in der Europa-Debatte im Bundestag.

Durch ihre "Kehrtwende um 180 Grad" beim Treffen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy habe Merkel viele kleinere EU-Mitglieder "auf die Palme gebracht".

Statt Europa zusammenzuhalten, habe sie das Ansehen Deutschlands mutwillig beschädigt. Nach Ansicht der Linkspartei gefährdet das deutsche Vorgehen beim Stabilitätspakt den Bestand der EU.

Merkel habe noch bei der Verabschiedung des Lissabon-Vertrags vor acht Monaten versprochen, dass an dem Abkommen nichts mehr geändert werden solle, sagte der Linken-Abgeordnete Diether Dehm. Davon wolle sie jetzt nichts mehr wissen.

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