Krise in Griechenland:Das Schulden-Domino

Was ist die richtige Form der Griechenland-Hilfe? Ein deutscher Vorschlag erhitzt die Gemüter. Danach sollen Banken für Griechenlands Rettung mitzahlen. Doch Vorsicht: Eine solche Lösung könnte teurer werden als gedacht - und viele normale Anleger betreffen.

Cerstin Gammelin

Die Bürger Europas sollten weiteren Milliarden an Krediten für Griechenland nur zustimmen, wenn sie zuvor mindestens zwei politische Erklärungen erhalten: Seit mehr als einem Jahr werden sie ständig vertröstet, dass Hellas bald gerettet oder wenigstens auf gutem Weg dorthin sei. Doch statt Erfolgsmeldungen tauchen plötzlich immer neue Hiobsbotschaften auf. Damit muss Schluss sein.

General strike in Greece against new heave austerity measures

Die Griechen demonstrieren gegen den Sparkus der Regierung.

(Foto: dpa)

Die erste Erklärung muss direkt aus Athen kommen, wo trotz aller Hilfen noch immer täglich die Schuldenberge wachsen, wo Betriebe keinen Lohn mehr bezahlen können, viele Menschen ihre Arbeit verlieren und auf die Straßen gehen. Die Bilder aus Griechenland sind dramatisch, doch offensichtlich sehen das die politischen Eliten des Landes ganz anders. Statt ein gemeinsames Regierungsbündnis zu schmieden, um das absehbare Elend ihrer Bevölkerung zu verhindern, haben sie nichts besseres zu tun, als weiterhin egoistisch parteipolitische Interessen zu verfolgen.

Die konservative Opposition in Griechenland gibt zu Protokoll, auch sparen und reformieren zu wollen, aber nicht nach dem Muster, das die Regierung gerade über fünf Wochen hinweg mühsam mit den Kreditgebern aus Washington und Europa ausklamüsert hat. Sie parliert über neue Verhandlungen, wohl wissend, dass das angesichts des Zeitplans - am 15. Juli ist Griechenland pleite, wenn bis dahin nicht die nächste Tranche aus dem aktuellen Rettungspaket überwiesen wird - überhaupt nicht möglich ist.

Wenn aber die griechischen Eliten inmitten einer tiefen Krise nicht bereit sind, ihre egoistischen Interessen zugunsten des Wohls der eigenen Bevölkerung hintanzustellen - warum sollen die Europäer dann noch helfen? Ohne politische Zusicherungen aus Athen sollte die Hilfe daher eingestellt werden.

Die zweite Erklärung müsste aus den europäischen Hauptstädten kommen, etwa aus Berlin und Paris. Darin sollten sich die Regierungen verpflichten, die Bürger umfassend und in verständlichen Worten darüber aufzuklären, was passieren würde, wenn sich private Gläubiger wie Banken, Versicherungen oder Rentenfonds an den Kosten der griechischen Krise beteiligen.

Grundsätzlich ist schon aus Gründen der Gerechtigkeit überhaupt nichts dagegen einzuwenden, dass all diese privaten Investoren auf einen Teil ihrer geplanten Erlöse verzichten oder zumindest länger auf ihren Verdienst warten sollen. Wer gewinnen will, muss auch verlieren können. Niemand hat die Bürger allerdings bisher darüber aufgeklärt, dass die Sache so einfach nicht ist.

Vielmehr könnte das deutsche Beharren auf einer substanziellen Beteiligung privater Investoren die Rettung Athens weiter verteuern. Wenn nämlich die privaten Gläubiger selbst bis zu 35 Milliarden Euro zahlen sollen, stehen die griechischen Banken, die selbst viele Staatspapiere halten, vor der Pleite. Das würde unweigerlich die Geldinstitute in Zypern und auf dem Balkan gefährden. Um einen Dominoeffekt zu verhindern, müssten zusätzliche Milliarden Euro zur Rettung der Banken her.

Doch statt eine gemeinsame Lösung zu suchen, verfolgen die Euro-Länder weiter nationale Ziele. Paris lehnt die deutsche Forderung der Gläubiger-Beteiligung nicht nur deshalb strikt ab, weil es den Dominoeffekt fürchtet. Frankreichs Regierung sorgt sich auch um die eigenen Großbanken, die noch viele griechische Staatspapiere in ihren Büchern haben - und bei einer Umschuldung erhebliche Verluste hinnehmen müssten.

Und schließlich würde eine Umschuldung nicht nur gierige Banken treffen, sondern auch solide Renten- und Pensionsfonds, die im Vertrauen auf sichere Anlagen in griechische Papiere investiert haben. Millionen Kunden müssen um private Altersvorsorge oder Lebensversicherungen bangen, wenn jetzt umgeschuldet wird. Höchste Zeit, dass die politisch Verantwortlichen offen mit den Bürgern reden, die am Ende alles zahlen müssen.

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