Es gehört zu den irritierenden Randerscheinungen der Finanzkrise, dass sich die Bürger an immer neue schauerliche Begriffe gewöhnen müssen. Konditionalität ist so ein Unwort, Finanzstabilisierungsfazilität ein noch schlimmeres. Ganz oben auf der Gruselliste jedoch steht zumindest bei den Deutschen der Begriff Euro-Bonds.
Wie Europa bei einer möglichen Pleite von Griechenland, Irland, Portugal und Spanien haftet.
Das ist insofern erstaunlich, als viele Politiker gar nicht so genau wissen, was sich hinter dem Anglizismus verbirgt und warum es so tragisch wäre, wenn die Euro-Länder gemeinsam Staatsanleihen auflegten. Das zeigt sich schon daran, dass mancher, der ein flottes Wort im Mund führt, aus dem Bond sprachlich gesehen einen Bon nach dem Vorbild des Kassenbons macht. Richtiger wäre es, wenn man Orientierung braucht, James Bond zu Rate zu ziehen, der sich selbst in aussichtsloser Lage stets zu helfen weiß.
Kaum hörbares "derzeit"
Die Bundesregierung hat mehrfach klargestellt, dass sie keine Euro-Bonds will, wobei im Nebensatz oft ein kaum hörbares "derzeit" hinterhergeschoben wird. Dennoch kommt ihr die beinahe hysterische Debatte im Land gelegen, verschleiert sie doch den Blick darauf, dass bei der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank an diesem Wochenende in Washington hinter den Kulissen eine andere Neuerung diskutiert wird, deren Sprengkraft die einer europäischen Gemeinschaftsanleihe weit übersteigt: Um die Debatte darüber, ob der Euro-Rettungsschirm EFSF mit 440 Milliarden Euro ausreichend ausgestattet ist oder nicht, ein für allemal zu beenden, denken die Euro-Länder darüber nach, dem Fonds eine unlimitierte Kreditlinie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) einzuräumen.
Der EFSF könnte also künftig Anleihen kriselnder Euro-Staaten aufkaufen, sie bei der EZB hinterlegen und dafür weitere Darlehen der Notenbank erhalten. Dieses Geld stünde für neue Bond-Käufe zur Verfügung - ein gigantisches Karussell käme in Gang. Am Ende hätten die Euro-Länder faktisch unbegrenzt Zugriff auf Zentralbankgeld. Die EZB müsste immer dann die Notenpresse anwerfen, wenn eine Regierung mit dem Geld nicht auskäme - mit womöglich verheerenden Folgen für die Entwicklung der Verbraucherpreise. Auch wären sämtliche Anreize für den Staat, sorgsam zu wirtschaften, perdu.
Hintergrund der Debatte ist ein ernstzunehmendes Problem. Einen erheblichen Teil der 440 Milliarden Euro hat der EFSF nämlich bereits für die Rettung Griechenlands, Irlands und Portugals zugesagt. Kämen noch weitere Länder hinzu, wäre das Geld rasch aufgebraucht. Das gilt umso mehr, als der Fonds zugleich neue Aufgaben erhält: Er soll demnächst auch vorbeugend Kredite an Staaten geben können, deren finanzielle Lage eigentlich in Ordnung ist, die aber Gefahr laufen, von einem Pleitekandidaten angesteckt zu werden. Zudem kann der EFSF die Banken in der Euro-Zone finanziell stützen und Anleihen solcher Staaten auf den Kapitalmärkten kaufen, die besonders hohe Zinsen zahlen müssen.
Die 440 Milliarden Euro werden also womöglich rasch aufgebraucht sein - ein Gedanke, der an den Finanzmärkten die Furcht befeuert. Vor allem US-Finanzminister Timothy Geithner verlangt deshalb von seinen EU-Kollegen, die Debatte über die Höhe der EFSF-Mittel zu beenden. Nur wenn klar sei, dass der Fonds unbegrenzt hafte, so sein Argument, werde sich die Furcht der Anleger legen.
Geithners Hauptgegenspieler ist dabei nicht etwa sein Berliner Amtskollege Wolfgang Schäuble, der die Idee dem Vernehmen nach nicht gänzlich ablehnt, sondern ein anderer Deutscher: Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank. Er hat in den vergangenen Tagen mehrfach darauf hingewiesen, dass er eine EZB-Kreditlinie für den EFSF für völlig inakzeptabel hält - ist damit aber nicht durchgedrungen.