Krise in Europa:Das Schicksal des Euro

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Zur Rettung von Irland gibt es keine Alternative - behaupten Politiker. Da müssen die Alarmglocken schrillen, denn wenn Politiker so etwas sagen, gibt es immer Alternativen. Doch welche sind das? Und wie teuer sind sie?

Marc Beise

Der Euro ist sicher, sagt die CDU-Kanzlerin. Die Euro-Zone droht zu zerbrechen, sagt der SPD-Chef. Die Bürger staunen ob dieser Widersprüche und fürchten um ihr Geld, ihren Wohlstand. Irland muss gerettet werden, es gibt keine Alternative, sagen (nun parteiübergreifend) Politiker in Regierungsverantwortung und solche, die früher in Verantwortung waren. Wenn Politiker davon sprechen, dass es keine Alternative gibt, schrillen die Alarmglocken. Denn natürlich gibt es immer eine Alternative. Es fragt sich nur, wie teuer sie wird.

Die EU soll keine Transferunion werden? Sie war doch schon immer eine, damit sollte man sich abfinden und das Verfahren in dieser Transferunion regeln. (Foto: ddp)

Die Alternativen: Angenommen, die Euro-Staaten klappten ihren Rettungsschirm wieder zu und ließen die Iren im Regen stehen, die zur Begleichung ihrer Schulden neues Geld brauchen, das die Finanzmärkte nicht mehr geben wollen. Dann würden die Iren sich noch eine Weile durchhangeln und wären am Ende dennoch zahlungsunfähig. Ökonomisch müsste das keine Katastrophe sein. Irland wäre gezwungen, aus dem Euro auszutreten. Es könnte seine alte Währung wieder einführen und abwerten. Deswegen finden viele Ökonomen diese Idee ganz gut, theoretisch.

Praktisch aber wäre in Irland der Teufel los, und nicht nur dort. Noch bevor es zur Einführung der neuen alten Währung käme, würden die Iren ihre Banken stürmen, um an ihre Euros zu kommen; das System bräche zusammen. Ein Land in dieser Lage versinkt, je nach Charakter seiner Bewohner, mehr oder weniger stark im Chaos. Könnte das den Deutschen egal sein, weil Irland weit weg ist?

Nein, denn die Folgen der irischen Tragödie kämen wie der Wind übers Meer. Die Panik der Sparer würde sich auf andere Länder ausbreiten, und es käme auch anderswo zum "Bankrun": in den schwachen Staaten Portugal, Spanien, Italien, aber womöglich auch hierzulande.

Deutsche Investoren haben in Irland gut 100 Milliarden Euro angelegt. Ein irischer Bankrott würde wie die Wellen eines Erdbebens wirken. Die selben Regeln hätten übrigens gegolten, wenn man vor einigen Monaten die Griechen ihrem Schicksal überlassen hätte. Der wirtschaftliche Schaden wäre geringer gewesen als jetzt bei Irland, der politische genauso brutal.

Eine Währungsunion, die sich entsolidarisiert, würde die Geschäftsgrundlage der Europäischen Union in Frage stellen. Die Suche nach dem Schuldigen wäre weltweit schnell beantwortet, und alle Finger würden nach Deutschland zeigen. Weil die Deutschen das meiste Geld haben und nicht geben, und weil sie ohnehin als egoistisch, knauserig und rechthaberisch gelten.

Allein schon deshalb haben die Deutschen gute Gründe, der Versuchung zu widerstehen, die Währungsunion zu verlassen. Dieser Vorschlag wird ja immer wieder gemacht. So habe man sich den Euro nicht vorgestellt, könnte danach die eiserne Kanzlerin sagen, die ihn ja auch nicht eingeführt hat; das war ihr CDU-Vorgänger Helmut Kohl, und der hat ihn sich so auch nicht gedacht.

Diese Logik aber verfängt nicht, sie ist weltfremd: Als ob man nur die D-Mark-Scheine aus den Kellern der Bundesbank holen und wieder in Umlauf geben müsste. Tatsächlich hat Deutschland sein Schicksal, nicht nur seiner Währungspolitik, an Europa geknüpft. Mit dem Ende des Euro würde es sich aus dieser gemeinsamen Welt verabschieden. Das wäre die eigentliche Katastrophe.

Mit einem Schlag wären die deutschen Firmen in der Welt vor extreme Probleme gestellt, von denen das Währungsrisiko noch das kleinste wäre. Zollschranken würden hoch gezogen, ein kalter (Wirtschafts-)Krieg drohte. Der Unmut der Franzosen und Amerikaner über deutsche Exporterfolge, den Merkel bisher weglächeln kann, gibt nur einen Vorgeschmack auf die Anfeindungen, denen Deutschland ausgesetzt wäre. Allein gegen alle: Das kann Deutschland weder wirtschaftlich noch politisch durchhalten. Also weitermachen wie bisher? Im Euro bleiben, an ihn glauben und denjenigen helfen, die straucheln? Ja, wenn man jetzt die richtigen Schritte tut.

Vor allem muss es darum gehen, einen Dominoeffekt zu verhindern. Es gilt, die Märkte zu beruhigen und zu verhindern, dass auf Griechenland und Irland nun Portugal, Spanien, Italien folgen. Die Beruhigung kann funktionieren, denn die Märkte sind nicht böse, dahinter verbergen sich keine finsteren Spekulanten. Zwar sind auch Hedgefonds im Spiel, aber sie können den Markt nicht drehen. Es kommt nun auf die großen institutionellen Anleger an, die auch das Geld der Sparer verwalten. Sie kann man mit Vertrauen überzeugen. Vertrauen setzt freilich Redlichkeit voraus.

Die EU soll keine Transferunion werden? Sie war doch schon immer eine, damit sollte man sich abfinden und das Verfahren in dieser Transferunion regeln. Die Union braucht jetzt die politische, wirtschaftliche und fiskalische Absicherung, die bisher fehlt. Sie braucht klare Regeln für die Aufstellung der Haushalte, Koordinationsmechanismen fürs Sparen und Investieren, Sanktionen für alle, die sich den Regeln verweigern.

Aus der unvollendeten Währungsunion eine stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Fiskalunion zu machen, ist ein schwieriger Weg; die Deutschen werden ihn nicht immer mögen. Aber alternativen Routen gibt es nicht.

© SZ vom 23.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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