Krise in Europa:Angst vor Staatspleiten

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Der Schirm könnte im Extremfall zum Knirps werden, wenn Staaten fallen. Darum rüstet die Europäische Zentralbank auf - und erhöht ihr Grundkapital.

Claus Hulverscheidt und Cerstin Gammelin

Die Europäische Zentralbank (EZB) hält trotz des bestehenden Euro-Rettungsschirms einen Bankrott Griechenlands, Irlands oder Portugals offenbar für nicht ausgeschlossen. Wie aus Kreisen der EU-Staaten verlautete, ergibt sich das aus einem Antrag der EZB, ihr Grundkapital aufzustocken. Eine solche Kapitalerhöhung ist demnach dann sinnvoll, wenn die Notenbank wegen des Kaufs von Anleihen der drei Länder mit Verlusten rechnet. Zu diesen Verlusten kann es aber nur kommen, wenn die Papiere zur Unzeit verkauft werden müssen oder der Emittent zum Ende der Laufzeit zahlungsunfähig ist. Möglicherweise will sich die EZB zudem gegen Verluste aus dem Kauf von Pfandbriefen und Bank-Wertpapieren wappnen.

Euroland in Not - offenbar stockt die EZB ihr Grundkapital auf. (Foto: AP)

Die Notenbank hatte seit Mai entgegen ihrer früheren Politik für mehr als 70 Milliarden Euro Schuldverschreibungen der irischen, der griechischen und der portugiesischen Regierung gekauft. Damit sollten ein Kursverfall und eine einhergehende ständige Verteuerung der Kreditaufnahme für die betroffenen Länder verhindert werden. Parallel dazu eilten die Euro-Staaten zunächst Griechenland mit Darlehen zur Hilfe und schufen dann gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU- Kommission ein 750 Milliarden Euro umfassendes Kreditprogramm zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung. Als einziges Land hat bisher Irland 85 Milliarden Euro aus dem Hilfstopf beantragt.

Trotz all dieser Bemühungen wird an den Finanzmärkten seit Monaten darüber spekuliert, dass sich der Schirm als zu klein erweisen und es am Ende doch noch zu Verhandlungen über einen teilweisen Forderungsverzicht aller Gläubiger Griechenlands, Irlands und Portugals kommen könnte. Diese Befürchtungen erhalten jetzt durch die Kapitalerhöhungspläne der EZB neue Nahrung. Die Zentralbank hatte die nationalen Notenbanken, die das zusätzliche Kapital bereitstellen müssten, und die Regierungen der Euro-Länder schon vor Wochen über ihr Vorhaben informiert.

Kanzlerin Merkel isoliert

Die Entscheidung der Währungshüter könnte zugleich ein taktischer Schachzug sein, mit dem die Bank die Verantwortung für die Krisenabwehr von sich weg hin zu den Regierungen verschieben will. Dazu passen Aussagen von EZB- Chef Jean-Claude Trichet, der sich am Montagabend mit Blick auf den staatlichen Rettungsschirm für eine "maximale Kapazität in punkto Quantität und Qualität" ausgesprochen hatte. Auch namhafte Vertreter der Sozialdemokraten, der Grünen und der Liberalen im Europaparlament verlangten am Dienstag eine Aufstockung des Programms. Damit gerät Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem strikten Nein zu einer Ausweitung des Schirms und zur Einführung gemeinsamer Anleihen aller 16 Euro-Länder immer stärker in die Isolation.

Die Debatte dürfte auch das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel überschatten. Bei dem Gipfel soll es um die Schaffung eines permanenten Krisenmechanismus in der Eurozone für die Zeit von Mitte 2013 an gehen. Über die dazu nötige Änderung des EU-Vertrags verhandelte am Dienstag Außenminister Guido Westerwelle in Brüssel. Deutschland will den vorliegenden Entwurf nachbessern, um nur im äußersten Notfall Hilfen gewähren zu müssen.

© SZ vom 15.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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