Europa in der Krise:Ratingagentur stuft Italien und Spanien herab

Die Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit Italiens und Spaniens herabgesetzt. Belgien und Frankreich bangen um ihre Top-Noten. Paris deshalb will nun Geld aus dem Euro-Rettungstopf haben, um die klammen Banken im Land zu stützen. Bundeskanzlerin Merkel hält davon allerdings gar nichts.

Michael Kläsgen

Sie küssen sich gerne vor Fotografen oder gehen spazieren, etwa am Strand von Deauville. Doch hinter der demonstrierten Zweisamkeit steht oft Zwietracht - so wie jetzt, kurz vor dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Staatspräsident Nicolas Sarkozy an diesem Sonntag in Berlin. Deutschland und Frankreich ringen erbittert um die Nutzung des Euro-Rettungsfonds EFSF. Die Partnerländer seien sich uneins, aus welchem Topf Europas Banken Geld erhalten sollen, um nicht in den Sog der Schuldenkrise zu geraten, hieß es aus dem deutschen Umkreis der Verhandlungsteilnehmer.

Europa in der Krise: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy streiten um das Geld im Rettungsfonds.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy streiten um das Geld im Rettungsfonds.

(Foto: AFP)

Merkel betonte am Rande eines Treffens mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte, sie sei grundsätzlich bereit, deutschen Banken bei Bedarf Staatshilfe zukommen zu lassen. Es gebe aber eine klare Priorität: Erst müssten Banken versuchen, sich selber Kapital zu besorgen, dann müssten die EU-Mitgliedsstaaten eintreten: "Nur wenn ein Land das aus eigener Kraft nicht schafft, kann die Europäische Finanzstabilitäts-Fazilität (EFSF) genutzt werden."

Frankreichs Position wurde so dargestellt, dass zunächst der Rettungsfonds genutzt werden solle und anschließend eigene Mittel. Das Geld aus dem EFSF solle dazu dienen, das Eigenkapital der eigenen Banken aufzustocken. Frankreichs Geldhäuser gelten wegen ihres starken Engagements in Staatsanleihen überschuldeter Euro-Länder als besonders gefährdet in der Schuldenkrise. Als Grund wurde angeführt, dass Frankreich hoch verschuldet sei und um seine Top-Bonität bei den Ratingagenturen bange.

Das französische Finanzministerium bestritt am Freitag, mit Berlin über die Modalitäten der Rekapitalisierung europäischer Banken in einer Kontroverse zu sein. Beide Seiten seien sich einig, dass die Geldinstitute mehr Geld bräuchten, Staatshilfe aber nur ein letztes Mittel sein könne, hieß es in Paris. Die Banken sollten zunächst selbständig dafür sorgen, Kapital aufzutreiben. "Es gibt keine deutsch-französischen Divergenzen", hieß es in Paris. Das französische Ministerium bestätigte hingegen, dass die Lage der Banken am Sonntag Thema beim Treffen von Merkel und Sarkozy sei.

Die Rettung der Geldhäuser wird von Tag zu Tag dringlicher. Wie schnell ein Finanzkonzern in den Abwärtsstrudel geraten kann, belegt der belgisch-französische Finanzkonzern Dexia. Noch im Sommer hat er den Stresstest der europäischen Bankenaufsicht mit Bravour bestanden, nun steht er vor der Aufspaltung - und braucht wohl die Unterstützung der beiden Staaten. Die Ratingagentur Moody's prüft auch deshalb eine mögliche Herabstufung der Bonität Belgiens.

Die Kreditwürdigkeit von Italien und Spanien wurde am Freitag bereits von der Ratingagentur Fitch herabgestuft. Die Bonitätswächter bewerten Italien nun mit "A+". Der Ausblick wird pessimistisch gesehen. Fitch begründete die schlechtere Note für Italien mit der Verschärfung der Krise in der Euro-Zone. Zugleich kritisierte Fitch das Verhalten der Regierung als unzureichend. Rom habe zu spät auf die Ausweitung der Schuldenkrise reagiert.

Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone und sitzt auf einem Schuldenberg von rund 1,9 Billionen Euro. Erst am Dienstag hatte Moody's die Kreditwürdigkeit des Landes auf "A2" gesenkt. Damit stufen Moody's wie auch S&P die Bonität des Euro-Mitgliedstaates niedriger als Fitch ein.

"Brauchen ein europäisches Herangehen"

Die Euro-Länder stehen unter Druck, beim Treffen der G-20-Finanzminister am 14. Oktober in Paris ihren internationalen Partnern eine Strategie zum Umgang mit der kritischen Lage der Banken zu präsentieren. Eine Entscheidung darüber soll aber erst beim Euro-Gipfel am 18. Oktober fallen. Zurzeit arbeiten die Euro-Mitgliedsländer an den Leitlinien für den Einsatz der Mittel des Euro-Rettungsschirms EFSF. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn gab sich zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werde. Ein Sprecher der EU-Kommission warnte allerdings vor Alleingängen: "Es wäre sinnlos, wenn die Länder hier bilateral oder unilateral handeln, wir brauchen ein europäisches Herangehen."

Gute Nachrichten gibt es aus Irland. Der Höhepunkt der irischen Bankenkrise liegt erst ein Jahr zurück, doch die Wirtschaft des Landes läuft bereits wieder gut. Irland will deshalb als erster der notleidenden Euro-Staaten den Rettungsschirm verlassen und den Weg zurück an den Kapitalmarkt einschlagen. Die Regierung wolle bereits im kommenden Jahr versuchen, wieder Staatsanleihen auf den Markt zu geben, sagte der irische Premierminister Enda Kenny am Freitag in einem Interview mit dem Fernsehsender Bloomberg. Außerdem rechnet der Premier schon bald mit einer Hochstufung der Kreditwürdigkeit des Landes durch die Ratingagenturen.

Unter allen Staaten der Euro-Zone, die derzeit unter einer hohen Verschuldung leiden, habe sich Irland beispielhaft entwickelt, sagte Kenny. Irlands Wirtschaft habe im zweiten Quartal das zweitgrößte Wachstum aller 27 EU-Länder gezeigt. "Die Haushaltssituation hat sich stabilisiert", sagte Kenny. Bis Ende 2015 soll das Defizit im Staatshaushalt auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts schrumpfen. EU, Euro-Partner und Internationaler Währungsfonds haben Irland mit Kreditgarantien in Höhe von 67,5 Milliarden Euro geholfen. 17,5 Milliarden Euro Rettungsgeld brachte Irland selbst auf. (Seite 32)

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