Kreditklemme:Jetzt sind die Banken dran

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Zoff ums Geld: Es ist ärgerlich, dass sich die Regierung nicht mehr Einfluss auf die Banken verschafft - denn nur unter Druck werden die Banken genügend Kredite vergeben.

Alexander Hagelüken

Diese Frage beschäftigt das Land seit Monaten. Verweigern die Banken den Firmen Kredite und verschärfen so die Rezession? Es sind auf diese Frage vor allem zwei Antworten zu hören. Viele Unternehmer und Politiker klagen die Banken an, sich mit Staatshilfe und Notenbankgeld vollzusaugen, aber trotzdem keine Darlehen zu gewähren. Viele Banker verbitten sich diese Einmischung in ihre Geschäfte mit derselben Hochnäsigkeit, mit der sie ihre Mitschuld an der Finanzkrise leugnen.

Unternehmen, Banken und die Politik streiten: Klemmt es bei der Kreditvergabe? (Foto: Foto: dpa)

Das Problem beider Antworten ist, dass sie an der Realität vorbeigehen. Die pauschale Verurteilung der Geldhäuser ist falsch. Es gibt bisher keine Daten, die eine wirkliche Kreditklemme belegen. Zahlreiche Banken vergeben mehr Darlehen als vergangenes Jahr. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen dafür, dass ein großer Engpass bevorsteht. In den Eurostaaten nahmen die Darlehen im Mai zwar leicht zu, doch die Zunahme war so gering wie noch nie seit Geburt des Euro vor mehr als einer Dekade. Außerdem fällt auf, dass immer mehr Unternehmer über Mühen bei den Darlehen berichten. In der Elektroindustrie etwa hat sich der Prozentsatz seit März verzehnfacht. Diese Beschwerden auf eine Bankenphobie zu schieben, wäre zu einfach. Es gibt offensichtlich eine Realität, die sich in der Statistik (noch) nicht niederschlägt.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es, wie sicher schon wieder einige Geldmanager sind, dass sie alles richtig machen. So argumentiert mancher, es sei gut, dass die Banken das Kreditrisiko scheuen - man habe die Branche doch gerade gerügt, durch zu hohe Risiken die Finanzkrise ausgelöst zu haben. Das offenbart ein falsches Verständnis davon, welche Rolle die Branche für die Wirtschaft spielen sollte. Die Banken lösten die Krise durch spekulative Geschäfte aus, fixiert auf immer höhere Renditen, getrieben durch das Verlangen nach Boni. Für diesen Irrweg bezahlen die meisten Menschen auf dem Globus, weil die Wirtschaft schrumpft und die Entlassungen zunehmen. Wenn sich die Geldhäuser nun bei Darlehen besonders zurückhalten, schädigen sie die Menschheit ein zweites Mal. Und sie vernachlässigen ihre primäre Aufgabe: Kredite zu geben statt zu spekulieren - wie schon der Name "Kreditinstitute" anzeigt.

Die Banker sollten weniger jammern, dass sie zu Buhmännern geworden sind; sie sind es zurecht. Sie sollten lieber so viele Darlehen geben, wie es die Bonität der Kunden erlaubt, um die Rezession zu dämpfen. Deshalb ist es richtig, wenn Politiker Druck auf die Branche ausüben, den Unternehmen jetzt nicht den Hahn zuzudrehen.

Selbst wer diesen Druck billigt, muss nicht jede Äußerung aus Berlin gutheißen. Es ist halt Wahlkampf. Wenn Finanzminister Peer Steinbrück mit "noch nie dagewesenen Maßnahmen" droht, zeigt das vor allem sein Temperament. Steinbrück und die anderen könnten mehr tun, als nur auf die Geldhäuser einzuprügeln. So kann die Regierung mehr Darlehen über eigene Förderbanken vergeben, sobald es richtig klemmt. Und die Zentralbank kann die Darlehen direkt an Firmen vergeben.

Ärgerlich ist, dass sich die Regierung nicht mehr Einfluss auf die Geldhäuser verschafft. Gerade erleichterte sie der Branche die Auslagerung fauler Wertpapiere - ohne dabei Eingriffsmöglichkeiten festzuschreiben, mit denen sie auch die Kreditvergabe beeinflussen könnte. Ausgerechnet die sonst so marktliberalen USA und Großbritannien gehen radikaler vor, in dem sie den Geldhäusern Eigenkapital aufdrängen - wohl wissend, dass genügend Kapital die Voraussetzung dafür ist, Darlehen zu vergeben.

Immerhin hat die Bundesregierung erkannt, dass die Finanzregeln Basel II die Krise verschärfen. Sie hat Recht mit ihrem Vorstoß bei der EU, den Banken zu erlauben, in der Rezession etwas weniger Eigenkapital für jedes Darlehen vorweisen zu müssen. Richtig wäre es, das derzeitige Desaster zu einer umfassenden Regulierung zu nutzen. In guten Zeiten sollten die Geldhäuser Kapitalpolster ansammeln müssen, die ihnen in schlechten zur Verfügung stehen - auch um genug Kredite vergeben zu können.

© SZ vom 07.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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