Kredit-Kompass 2009:Wo Deutschlands Schulden-Meister wohnen

Trotz Rezession: Die Verbraucher nahmen 2009 mehr Konsumentenkredite auf. In welchen Regionen die meisten Schuldner leben - ein Überblick.

Wolfgang Luef

In den Verbraucherdaten der Kreditauskunftei Schufa ist vom Krisenjahr 2009 kaum etwas zu merken. Weder haben die Menschen sich bei Krediten zurückgehalten, noch mussten mehr Darlehen wegen Zahlungsunfähigkeit abgeschrieben werden. Im Gegenteil: Die Banken verzeichneten 2009 um 17 Prozent mehr Kreditanfragen als im Vorjahr.

Die Anzahl von neu aufgenommenen Krediten ist um zehn Prozent gestiegen. Die Diskrepanz liegt daran, dass viele Verbraucher zunächst bei mehreren Instituten anfragen, bevor sie einen Kredit aufnehmen. Von einer Kreditklemme der Privatmenschen kann keine Rede sein.

Angesichts des wirtschaftlichen Abschwungs ist diese Steigerung historisch einmalig. "Diese Krise ist anders: Die Verbraucher haben völlig antizyklisch reagiert", sagte Rainer Neumann, Vorstandsvorsitzender der Schufa, bei der Präsentation des Kredit-Kompasses der Auskunftei in Berlin.

In vergangenen Wirtschaftskrisen, etwa während der Ölkrise 1973 oder nach Platzen der Börsenblase 2001, seien die Kreditaufnahmen jeweils deutlich zurückgegangen.

Anders als bei Unternehmen sei die gesteigerte Kreditnachfrage bei den Konsumenten nicht etwa Zeichen von finanzieller Not, erklärte Neumann. In den 7,6 Millionen neu abgeschlossenen Kreditverträgen, die der Schufa 2009 gemeldet wurden, sind neben klassischen Bankdarlehen auch Ratenvereinbarungen beim Kauf von Konsumgütern enthalten - nicht jedoch Hypotheken.

Die Schufa-Zahlen zeigen also, dass die Konsumenten im Jahr 2009 mehr ausgegeben haben. Für den Anstieg sind staatliche Programme wie die Abwrackprämie mitverantwortlich. Gerade in den ersten beiden Quartalen, also "zur Hochzeit der Prämie", wie Neumann sagte, sind besonders viele Kreditverträge abgeschlossen worden. Auch die Ausfallquote ist konstant geblieben: 2009 waren 2,4 Prozent, also etwa 830.000 einzelne Kreditverträge, nach Mahnungseingang noch nicht bezahlt.

2008 waren es 2,5 Prozent gewesen. Die Schufa gibt die Überschuldungsgefahr im sogenannten Privatverschuldungsindex an: Dieser ist 2009 stabil geblieben, im Jahr 2010 werde er leicht um 2,5 Prozent stiegen, sagte Neumann.

Geringere Kreditverpflichtungen

Gleichzeitig ist die durchschnittliche Kreditverpflichtung der Deutschen gesunken: Das bedeutet, dass im Jahr 2009 mehr Kredite zurückgezahlt wurden, als neue aufgenommen. Im Schnitt hatte jeder Bundesbürger im vergangenen Jahr 8382 Euro an Schulden. Im Jahr davor waren es noch knapp mehr als 8500 Euro gewesen.

Das könnte mit der allgemeinen Stimmung in der Wirtschaftskrise zusammenhängen, sagte Neumann: "Man fühlt sich gerade in schwierigen Zeiten wohler, wenn man seine Schulden rasch bezahlt."Am höchsten liegt die Verschuldungsrate bei den 40- bis 50-Jährigen: Sie stehen im Schnitt mit knapp 10.000 Euro in der Kreide.

"Die wichtigsten Lebens- und Investitionsentscheidungen werden vor dem 50. Lebensjahr gefällt", sagte dazu Thomas Petersen vom Allensbach-Institut für Demoskopie. Sein Institut hat im Auftrag der Schufa mehrere Studien zum Kreditverhalten angestellt. Unter anderem wurden die Menschen gefragt, wofür sie Kredite aufnehmen: Ganz oben auf der Liste stehen Autos und Motorräder, danach kommen Häuser und Eigentumswohnungen.

Sparsamkeit bleibt eine hohe Tugend

Und auch für Elektronik - also etwa TV-Geräte oder Spielekonsolen werden viele Ratenkredite aufgenommen. Die Allensbach-Umfragen scheinen die Schufa-Daten im wichtigsten Punkt zu bestätigen: Die Wirtschaftskrise ist bei vielen Konsumenten noch nicht angekommen. 2009 haben 25 Prozent der Befragten gesagt, ihr Leben habe sich durch die Krise verändert. Etwas höher liegt die Zahl bei einer Umfrage vom März 2010: Nun sind es 29 Prozent. Insgesamt seien das aber noch "bemerkenswert gedämpfte Auswirkungen", sagte Petersen.

Die Forscher haben die Bevölkerung auch zu ihrer Einstellung zum Schuldenmachen befragt: Den meisten gilt ein Kredit als etwas, was man lieber vermeiden soll. Sparsamkeit ist für die Deutschen immer noch eine hohe Tugend. Nach der Wichtigkeit dieser Eigenschaft sind die Menschen schon vor 50 Jahren befragt worden: 1959 hielten sie 80 Prozent für einen wichtigen Charakterzug, 2000 waren es noch 59 Prozent.

Nun kehrt sich der Trend wieder um: 2009 finden 64 Prozent, Sparsamkeit gehöre zu einem guten Charakter. Allerdings haben sich die Motive verändert: Früher sei Sparsamkeit eine "moralische Kategorie" gewesen, heute gelte sie als "vernünftige Sache, die sich lohnt". "Das Thema ist vom Bauch in den Kopf gewandert", so Petersen.

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