Süddeutsche Zeitung

Krankenversicherung:Rösler kämpft für Kopfpauschale

Minister Rösler, der Jungstar der FDP, ändert seine Pläne zur Gesundheitsprämie. Von 2011 an sollen die 50 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung eine Kopfpauschale zahlen, Besserverdienende müssen mehr blechen. Die Kanzlerin Merkel hat er überzeugt, CSU-Chef Seehofer noch nicht.

Guido Bohsem, Berlin

Gesundheitsminister Philipp Rösler will für die 50 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen eine Kopfpauschale einführen. Die genaue Höhe ist unklar. Mit den geltenden Zusatzbeiträgen könnte sie aber je nach Kasse zwischen 15 und 30 Euro hoch sein. Um die Belastungen für Geringverdiener abzufedern, sollen einkommensstarke Kassenmitglieder deutlich stärker belastet werden.

Nach Vorstellungen des Gesundheitsministers soll die Pauschale das für das kommende Jahr erwartete Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung abdecken. Hier ist von etwa zehn Milliarden Euro die Rede. Durch das - allerdings noch nicht beschlossene - Spargesetz bei den Arzneimitteln dürfte sich dieser Betrag noch einmal um bis zu zwei Milliarden Euro verringern.

Darüber hinaus plant die Koalition weitere Einsparungen. So ist im Gespräch, den niedergelassenen Ärzten und den Krankenhäusern 2011 eine Nullrunde zu verordnen. Dadurch könnten weitere drei Milliarden Euro eingespart werden. Das restliche Defizit soll durch die zusätzlichen Einnahmen aus der Kopfpauschale - Rösler nennt sie Gesundheitsprämie - finanziert werden.

Bei einer Kopfpauschale zahlt beispielsweise eine gering verdienende Friseurin den gleichen Betrag wie der gut verdienende Industriemechaniker. Damit das nicht zu Ungerechtigkeiten führt, soll es einen Sozialausgleich geben. Im Gegensatz zu seinen ursprünglichen Plänen, setzt Rösler bei der Finanzierung des Ausgleichs nicht mehr auf Steuermittel. Dieser Weg gilt als zu bürokratisch und er wäre zudem nur mit Zustimmung des Bundesrates möglich gewesen. Hier fehlt der Koalition aber seit der verlorenen Wahl in Nordrhein-Westfalen die Mehrheit. Der Ausgleich zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Kassenmitgliedern soll nun im Beitragssystems erfolgen.

Das kostet je nach Höhe der Prämie mehrere Milliarden Euro. Zumindest ein Teil davon soll nach den Plänen durch einen Anstieg der Beitragsbemessungsgrenze eingenommen werden. Hinter diesem Fachbegriff verbirgt sich nichts anderes als der höchste Betrag, bis zu dem ein gesetzlich Versicherter Beiträge zahlen muss. Derzeit liegt die Beitragsbemessungsgrenze bei 3750 Euro. Der Beitragssatz beträgt 14,9 Prozent vom Bruttolohn. Davon zahlt der Arbeitgeber sieben Prozentpunkte und der Arbeitnehmer 7,9 Prozentpunkte.

Ein Beispiel: Wer genau 3750 Euro im Monat verdient, zahlt 296,25 Euro Krankenkassenbeitrag. Den gleichen Beitrag zahlt aber auch derjenige, der 5000 oder 8000 Euro im Monat verdient. Steigt die Beitragsbemessungsgrenze steigt auch die Beitragsbelastung der einkommensstarken Mitglieder und ihrer Arbeitgeber. Besonders hart trifft dies freiwillig versicherte Selbstständige, denn die zahlen den gesamten Beitragssatz alleine.

Röslers Modell erfüllt formal die Bedingungen, die die Spitzen von Union und FDP bei den Koalitionsverhandlungen festgelegt hatten: Ein Teil des Beitrages wird unabhängig vom Einkommen erhoben. Die Arbeitgeber werden nicht durch steigende Beiträge belastet. Zudem deckt die Pauschale zunächst nur die steigenden Ausgaben im Gesundheitssystem ab. Letzteres ist eine Bedingung, die CSU-Chef Horst Seehofer als Voraussetzung für seine Zustimmung zu den Plänen der Koalition gemacht hat. Seehofer gilt als erbitterter Gegner der Prämie und ist aus Protest dagegen schon mal von seinem Posten als stellvertretender Fraktionschef zurückgetreten.

Seine Zustimmung zu den Plänen gilt deshalb auch als größte Hürde, die der Gesundheitsminister zu überwinden hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Rösler nach Informationen der SZ bereits ihr Einverständnis gegeben, allerdings unter der Voraussetzung, dass auch Seehofer das Konzept mitträgt. Nach derzeitigem Stand will sich Rösler deshalb am Montag der kommenden Woche mit dem bayerischen Ministerpräsidenten in München treffen, um ihn von seinem Vorhaben zu überzeugen.

Von Seehofers Reaktion hängt es ab, ob dann noch ein Spitzengespräch der drei Parteivorsitzenden notwendig ist. Ursprünglich war am kommenden Mittwoch auch eine Sitzung der Regierungskommission zur Gesundheitsreform geplant. Außerdem müssen noch offene Fragen gelöst werden, die den Steuer-Zuschuss an den Gesundheitsfonds betreffen. Diese werden am übernächsten Wochenende auf der Kabinettsklausur im brandenburgischen Meseberg behandelt.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2010/hgn
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