Krankenversicherer:Krieg der Kassen

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Kampf mit harten Bandagen: Die privaten Kassen machen mit einer negativen Anzeigenkampagne Stimmung gegen die gesetzlichen Anbieter - um Angst und Zweifel zu schüren.

Guido Bohsem, Berlin

Die beste Werbung für die privaten Krankenversicherer (PKV), so sagt man in der Gesundheitsbranche, sind schlechte Nachrichten über Barmer/GEK, Techniker, AOK und andere gesetzliche Kassen. Jeder Bericht über die Probleme von Kassenpatienten, einen Termin beim Facharzt zu kriegen und schnell beim Doktor dranzukommen, wiegt die PKV-Mitglieder im wohligen Gefühl, eine Gesundheitsversorgung erster Klasse zu erhalten.

Angst und Unsicherheit: Die privaten Krankenversicherer führen derzeit eine Negativkampagne gegen die gesetzlichen Krankenkassen. (Foto: ag.ddp)

Für zusätzliche PKV-Mitglieder sorgt selbstverständlich auch die schlechte Presse über die gesetzliche Konkurrenz. Denn angesichts der Horrornachrichten wechselt mancher freiwillig versicherter Gutverdiener zur privaten Konkurrenz.

Der PKV war dieser Mechanismus aber offenbar nicht mehr effizient genug. Denn dieser Tage füllt eine breit angelegte Werbekampagne ihres Spitzenverbandes die Zeitungen, Magazine und Internet-Seiten. Unter dem Stichwort "PKV - die gesunde Versicherung" wird dabei der gesetzliche Konkurrent so richtig schön madig gemacht.

Schreckensszenario für jeden Versicherten

Mit allerlei Zahlenmaterial legt die PKV nahe, dass es sich bei der GKV um eine unsolide Veranstaltung handelt, die mit Schulden der Staatskassen finanziert wird - und da die Schulden, wie die PKV weiß, die Steuern von morgen sind, geht das alles auf Kosten der Kinder, Enkel und Urenkel. Zudem drohten den gesetzlich Versicherten drastisch steigende Beiträge oder Leistungskürzungen, heißt es auf der eigens geschalteten Internetseite. Die PKV weiß auch, wie hoch die Beiträge sein werden. Das heißt, zumindest grob: im Jahr 2050 nämlich so ungefähr zwischen 25 und 43 Prozent.

Die Infokampagne der PKV ist das, was man gemeinhin unter einer Negativkampagne versteht. Im Handbuch Public Affairs heißt es zur Definition: "Negativkampagnen zielen darauf, Unsicherheit, Zweifel und möglicherweise Angst bei Unentschiedenen und Sympathisanten des Gegners zu wecken und zu verstärken." Mit dem Angriff solle der größtmögliche Kontrast zur eigenen Seite hergestellt werden.

Ob die PKV mit der Kampagne neue Mitglieder gewinnen konnte, ist angesichts der kurzen Laufzeit noch unklar. Zumindest erreichte der Verband den größtmöglichen Ärger des Gegners.

"Ich finde das diffamierend"

Spricht man Doris Pfeiffer, die Vorsitzende des Spitzenverbandes der GKV, auf die Werbekampagne der PKV an, gerät sie augenblicklich in Rage. "Ich finde das diffamierend", sagt sie. Denn im Gegensatz zu dem, was die PKV insinuiere, habe die gesetzliche Krankenversicherung gar keine Schulden.

Die Kampagne sei ein reines Ablenkungsmanöver der privaten Konkurrenz. Im Augenblick bettele die PKV doch regelrecht darum, genauso wie die gesetzlichen Kassen behandelt zu werden. Schließlich wollten auch die privaten Versicherer vom Sparpaket im Arzneimittelbereich profitieren, das Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) auflegen wolle.

"So was hat es vorher noch nie gegeben", sagt die GKV-Chefin spitz. Verwunderlich sei das nicht: "Schließlich steigen die Beiträge der privaten Versicherer schon seit Jahren nahezu ungebremst - und das, obwohl sie auf Gutverdiener und Gesunde setzen und versuchen, Alten und chronisch Kranken aus dem Weg zu gehen."

© SZ vom 10.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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