Krankenkassen:Wie sich die gesetzliche von der privaten Versicherung unterscheidet

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Eine Krankenversicherung muss jeder Deutsche irgendwann abschließen. Ob gesetzlich oder privat, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Die wichtigsten Unterschiede im Überblick.

Um die Krankenversicherung kommt in Deutschland keiner herum: Seit der Gesundheitsreform 2007 muss sich jeder Bundesbürger für den Fall einer Krankheit absichern. Damit gehört die Krankenversicherung, wie die ebenfalls staatlich vorgeschriebenen Renten-, Unfall- und Pflegeversicherungen, zur "gesetzlichen" Sozialversicherung.

Seit 1845 unter Bismarck die ersten Unternehmen Krankenkassen für ihre Fabrikarbeiter gründeten, während Handwerker, Kaufleute und freie Berufsgruppen wie Rechtsanwälte und Ärzte sich schon länger in eigenen Genossenschaften oder bei privaten Versicherern absicherten, fährt das deutsche Krankenversicherungssystem zweigleisig: Versicherte kommen in gesetzlichen oder privaten Kassen unter. Auf welchem Gleis sie fahren dürfen oder müssen, regelt das Gesetz. Sowohl für die Vollversicherung in einer der gesetzlichen, als auch in einer privaten Kasse müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden (mehr dazu in diesem Ratgeber-Text).

Merkmale der gesetzlichen Krankenversicherung:

  • Als eine der gesetzlichen Sozialversicherungen beruht die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) auf dem Solidaritätsprinzip: Alle Versicherten stehen füreinander ein. Die Beiträge werden nicht abhängig vom persönlichen Krankheitsrisiko berechnet, sondern allein nach dem Einkommen: Wer mehr Geld verdient, zahlt mehr. Der Beitragssatz variiert. Nach einer Krankenversicherungsreform liegt er seit 1. Januar 2015 bei 14,6 Prozent, allerdings dürfen die Krankenkassen einkommensabhängige Zusatzbeiträge erheben.
  • Der Anspruch auf Leistungen hängt nicht vom Beitragsniveau oder Alter ab. Wichtigstes Kriterium: Die Behandlung muss nach Maßgabe der Krankenkasse wirtschaftlich sein und darf das Maß des medizinisch Notwendigen nicht überschreiten. Stehen mehrere Heilungsmethoden zur Auswahl, erstattet die Kasse nach dem Minimalprinzip lediglich jene Behandlung, die mit dem geringsten Aufwand Erfolg verspricht. Deshalb bekommen Kassenpatienten beim Zahnarzt die Amalgamfüllung erstattet, und müssen die teurere Kunststofffüllung aus eigener Tasche bezahlen.
  • Mehr als 90 Prozent aller Versicherten in Deutschland sind Kassenpatienten. Die meisten von ihnen, nämlich Arbeitnehmer, die weniger als 54 900 Euro im Jahr verdienen (Stand 1.1.2015), sowie die meisten Studenten und Rentner sind gesetzlich pflichtversichert. Alle anderen, zum Beispiel Selbständige oder besser verdienende Arbeitnehmer, können sich freiwillig gesetzlich versichern (mehr dazu in diesem Ratgeber-Text). Familienangehörige ohne eigenes Einkommen werden unter bestimmten Voraussetzungen in der GKV lostenlos mitversichert.
  • Die zahlenden Mitglieder finanzieren mit ihren Beiträgen, die im Gesundheitsfonds zusammenfließen, die gesetzlichen Kassen. Da die Höhe der Einnahmen nach dem so genannten Umlageverfahren den eigenen Finanzierungsbedarf decken muss, dürfen die Kassen bei Bedarf Zusatzbeiträge erheben, allerdings müssen sie ihren Kunden für diesen Fall auch ein Sonderkündigungsrecht einräumen. Zugleich dürfen sie, trotz der drohenden steigenden Ausgaben durch den demografischen Wandel, aber keine Rücklagen bilden. Überschüsse müssen die Kassen sogleich wieder an die Kunden ausschütten - zumindest in der Theorie. Tatsächlich haben die Kassen in einzelnen Jahren immer wieder hohe Reserven gebildet, jedoch nur einen Bruchteil an Prämien ausbezahlt.
  • Die PKV berechnen die Beiträge ihrer Kunden unabhängig vom Einkommen und nach dem so genannten Äquivalenzprinzip ("jeder für sich"): Der erhobene Durchschnittsbeitrag hängt, abgesehen von der gewünschten Leistung, im Wesentlichen vom inviduellen Risiko, persönlichen Gesundheitszustand und vom Eintrittsalter ab - je jünger und gesünder, desto niedriger der Betrag. Der Privatpatient ist Vertragspartner des Arztes und bekommt von diesem eine Rechnung gestellt, die er bei seiner Privaten Krankenversicherung zur Erstattung einreicht.
  • Voraussetzung ist für Arbeitnehmer ein Jahreseinkommen von mehr als 54 900 Euro, der derzeit gültigen Jahresarbeitsentgeltgrenze (Stand 1.1.2015). Bei Selbständigen und Beamten spielt das Einkommen dagegen keine Rolle. Unterliegt ein Antragsteller einem erhöhten Gesundheitsrisiko (etwa aufgrund von Vorerkrankungen oder wegen seines Alters), darf das Unternehmen ihn zwar nicht mehr komplett abweisen, ist aber lediglich dazu verpflichtet, ihm den abgespeckten Basistarif anzubieten.
  • Diesen einheitlichen Tarif mussten 2009 mit der Einführung des Versicherungszwangs alle privaten Kassen einführen. Er soll Personen ohne Krankenversicherungsschutz mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht der Versicherungspflicht in der GKV unterliegen beziehungsweise die ehemals privat krankenversichert waren oder der privaten Krankenversicherung (PKV) systematisch zuzuordnen sind, den Weg in die Versicherung ebnen. Die Prämienhöhe richtet sich nicht nach dem Einkommen, sondern nach dem Alter. Die Leistungen im Basistarif entsprechen weitgehend denen der gesetzlichen Versicherung, in den meisten Fällen kosten sie aber wesentlich mehr: Basistarif-Kunden müssen derzeit maximal 639,38 Euro im Monat bezahlen (Stand 1.1.2015) - so viel wie der Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung, den dort nur die einkommensstärksten Mitglieder entrichten. Sind Versicherte hilfebedürftig gemäß SGB II oder SGB XII oder würde durch die Bezahlung einer solchen Prämie Hilfebedürftigkeit ausgelöst, reduziert sich die Prämie im Basistarif.
  • Die Leistungen in der PKV variieren stark nach Tarif. Während bei vielen die Behandlung durch Heilpraktiker und Chefärzte erstattet wird und höhere Leistungen für Zahnbehandlungen erbracht werden, sind im Gegensatz zur GKV psychotherapeutische Behandlungen sowie Kuraufenthalte gar nicht oder in geringerem Umfang enthalten. Billigtarife setzen zudem oft eine hohe Selbstbeteiligung voraus. Im Gegensatz zu Kassenpatienten haben privat Versicherte die freie Wahl unter allen Ärzten - mit Einschränkung der Basistarif-Kunden.
  • Je älter die Versicherten, desto höher sind in der Regel ihre Kosten für Behandlungen und Medikamente. Um diese Kosten zu glätten und über den gesamten Zyklus der Mitgliedschaft zu verteilen, bauen die Versicherten sogenannte Altersrückstellungen auf - ein Teil ihrer monatlichen Beiträge wird von den Versicherungen abgezogen und langfristig auf dem Kapitalmarkt angelegt. Bei einem Wechsel der Versicherung können Mitglieder unter bestimmten Voraussetzungen ihre erworbenen Altersrückstellungen mitnehmen. In ihrer Haushaltsrechnung gehen die Unternehmen davon aus, dass diese Kapitalmarktanlagen Zinsen in Höhe von 3,5 Prozent abwerfen, dem gesetzlich festgelegten Rechnungszins für die privaten Versicherer. Das klappt nicht immer: Im Falle von Schwankungen auf dem Kapitalmarkt müssen Etatlöcher notfalls mit steigenden Beiträgen der Kunden gestopft werden. Denn im Gegensatz zu den gesetzlichen Versicherern bekommen die privaten keine Hilfe vom Staat.
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