Krankenkassen vor Milliarden-Defizit:Gigantische Lücke

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Die gesetzlichen Krankenkassen plagen sich mit einem gewaltigen Defizit. Im Extremfall könnte es auf 15 Milliarden Euro steigen.

Guido Bohsem, Berlin

Die gesetzlichen Krankenkassen steuern nach Einschätzung des Bundesversicherungsamtes (BVA) auf ein gewaltiges Defizit zu. Selbst wenn die Ausgaben im Gesundheitswesen im kommenden Jahr konstant blieben, werde es eine Finanzlücke von etwa 6,4 Milliarden Euro geben, heißt es in Unterlagen des BVA, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.

"Wir ziehen alle an einem Strang"

BVA-Präsident Maximilian Gaßner präsentierte die Papiere in der Eröffnungssitzung der zur Reform des Gesundheitswesens eingesetzten Regierungskommission. Diese traf sich erstmals am Mittwoch in Berlin. Wenn man die übliche Kostensteigerung für Kliniken, Ärzte und Medikamente einbeziehe, könne das Defizit sogar auf 15 Milliarden Euro ansteigen, habe der Chef des Versicherungsamtes ausgeführt, berichteten Teilnehmer der Runde. Gaßner habe ferner darauf hingewiesen, dass die Kassen verpflichtet seien, Zusatzbeiträge zur Deckung des Defizits zu erheben.

Die Kommission soll vor allem die Finanzierung des Gesundheitswesens völlig neu ordnen. Ziel von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ist es, in ein System von Kopfpauschalen einzusteigen. Dabei würde die gutverdienende Industriemechanikerin den gleichen Beitrag zahlen wie der schlechtbezahlte Putzmann. Um dies abzufangen, soll es einen sozialen Ausgleich aus Steuermitteln geben.

Rösler bezeichnete die Gespräche als konstruktiv. "Wir ziehen alle an einem Strang", sagte er. Die Runde besteht aus sieben weiteren Ministern oder ihren Vertretern. Gesundheitsexperten der Fraktionen von Union und FDP sind als Gasthörer zugelassen. Das nächste Treffen ist am 21. April, die weiteren werden in kürzeren Abständen folgen.

Begleitet wurden die Gespräche von heftigen Auseinandersetzungen der Regierungsparteien über die Kopfpauschale. Die CSU bekräftigte ihre fundamentale Ablehnung. Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) sagte: "Wir lehnen ein Finanzierungsmodell ab, das unsolidarisch ist. Und das ist die Form einer Kopfpauschale, ob groß oder klein." Mit der CSU werde es ein solches Modell definitiv nicht geben. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel vermutete, Ziel sei es, Leistungen für die Versicherten zu streichen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender verspottete die Runde als "gesundheitspolitischen Debattierclub".

Rösler betonte erneut, dass es ihm nicht darum gehe, das Kopfpauschalen-System auf einen Schlag einzuführen. Es sei jedoch die vom Kabinett gestellte Aufgabe der Kommission, die Einnahmeseite der gesetzlichen Krankenversicherung neu zu strukturieren. Es gehe darum, dass den Patienten auch morgen noch die gleiche exzellente Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehe wie heute. Bis zur Sommerpause werde die Kommission über erste Ergebnisse diskutieren. Er wollte sich jedoch nicht auf einen genauen Abschlusstermin festlegen. Man werde sich ausreichend Zeit nehmen, um die komplexe Materie zu bearbeiten.

Rösler widersprach Berichten, wonach sich sein Ministerium bereits festgelegt habe, eine Pauschale von 29 Euro zu erheben. Das seien nicht die Vorschläge seines Hauses. "Wir haben noch nicht über Zahlen und Modelle gesprochen", sagte er.

© SZ vom 18.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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