Süddeutsche Zeitung

Kosten der Finanzkrise:Deutsche Bürger zahlen am meisten für die Banken

39 Milliarden Euro - so viel kosteten die Hilfen für deutsche Banken die Steuerzahler. Musste das wirklich sein? Griechen, Spanier und Italiener verdienten damit sogar Geld. Einziger Trost für die Bundesbürger: Bei der nächsten Bankenrettung dürften sie billiger wegkommen.

Harald Freiberger

Die zweite Runde der Bankenrettung ist eingeläutet. Die französisch-belgische Dexia-Bank machte den Anfang, in den nächsten Wochen werden die Staaten weitere Großbanken kapitalisieren müssen. Weitere Milliardensummen werden von den Steuerzahlern auf die Kreditinstitute übergehen. Wie teuer eine Bankenrettung ist, zeigt die Bilanz der ersten Runde, die 2007 mit der Krise der verbrieften US-Immobilienkredite begann. Danach haben die Euro-Staaten ihre Finanzinstitute bis 2010 unterm Strich mit 91,5 Milliarden Euro unterstützt, wie Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat zeigen.

Deutschland belegt in dieser Statistik den unrühmlichen Spitzenplatz. 38,9 Milliarden Euro kostete die Steuerzahler bisher die Rettung von Hypo Real Estate, Commerzbank, IKB und mehreren Landesbanken. Nur für den irischen Staat war die Finanzkrise mit 35,7 Milliarden Euro annähernd so teuer, dahinter folgt Großbritannien mit 15,1 Milliarden Euro. Es gibt aber auch Länder, die mit der Rettung ihrer Kreditinstitute einen Gewinn gemacht haben, und überraschenderweise sind es gerade solche Länder, die nun in der Staatsschuldenkrise besonders unter Beschuss sind: Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich.

Wie ist das möglich? Zwei Faktoren kommen dabei zusammen, einer auf der Ausgaben-, einer auf der Einnahmenseite: Zum einen waren die Kreditinstitute in Italien oder Frankreich von der US-Immobilienkrise bei weitem nicht so stark betroffen wie die deutschen oder britischen. Sie hatten nicht so viele verbriefte Wertpapiere gekauft, die sich als toxisch herausstellten, als der Markt zusammenbrach. Die europäischen Südstaaten mussten für ihre Banken also gar nicht so viel Geld ausgeben.

Und was die Einnahmeseite betrifft: Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie ein Staat bei der Rettung seiner Banken Geld verdient. Wenn er den Instituten Kapital zuschießt, weil sie klamm sind, verlangt er dafür Zinsen. Wenn er ihnen Garantien gibt, damit sie ihr laufendes Geschäft finanzieren können, kostet das Gebühren. Und wenn er bei ihnen einsteigt und dafür Aktien erhält, kann er beim Wiederausstieg verdienen, falls der Kurs in der Zwischenzeit gestiegen ist. Das war bei einigen US-Großbanken der Fall, die vom Staat zwangskapitalisiert wurden. Daher machte auch die amerikanische Regierung bei der Bankenrettung einen guten Schnitt.

Warum ist die Bilanz für die deutschen Steuerzahler so tiefrot? Es liegt vor allem an der Ausgabeseite des Staates. Vor allem deutsche Banken waren es, die sich mit toxischen verbrieften Wertpapieren und Problemkrediten vollgesogen hatten: IKB, Hypo Real Estate, Dresdner Bank, Sachsen LB, Bayern LB, HSH Nordbank. Sie mussten von Bund und Ländern mit Milliarden gestützt werden. Der bundeseigene Rettungsfonds Soffin zahlte etwa der Commerzbank, die in der Krise die Dresdner Bank übernahm, 18,2 Milliarden Euro; einen großen Teil davon hat das Institut in diesem Sommer zurückgegeben. Die Hypo Real Estate und ihre abgespaltene Abwicklungsbank wurden vom Soffin mit knapp zehn Milliarden Euro gestützt, die WestLB erhielt drei Milliarden Euro.

Commerzbank konnte keine Zinsen zahlen

Auf der Einnahmeseite sieht es dagegen trübe aus. Zwar mussten Institute wie die Hypo Real Estate Prämien für ihren Garantierahmen, der zeitweise über 100 Milliarden Euro lag, an den Bund abführen; das brachte 2009 und 2010 dreistellige Millionenbeträge. Andererseits aber blieb die Commerzbank die Zinszahlung für ihre Staatshilfe mangels Gewinn zweimal schuldig, der Staat verlor dadurch rund drei Milliarden Euro.

Wie die 38,9 Milliarden Euro für den deutschen Steuerzahler im einzelnen zustande kommen, ist schwer nachzuvollziehen. Eurostat verbucht Kapitalhilfen, Garantien, Zinsen und Rückzahlungen in einem komplizierten Prozess in den einzelnen Staatshaushalten. Das deutsche Defizit ist deshalb so hoch, weil das Statistische Bundesamt Anfang September einen großen Posten bei der Hypo Real Estate verbuchte. Der Bund übernahm beim Übergang auf die Abwicklungsbank Verluste, die mit 22,3 Milliarden Euro zu Buche schlugen. Ohne diesen Posten hätte die Bankenrettung in Deutschland 17,6 Milliarden Euro gekostet.

Es gibt nur einen Trost für deutsche Steuerzahler: Die zweite Runde der Bankenrettung dürfte im Vergleich nicht mehr ganz so teuer werden. Deutsche Banken haben weniger Anleihen europäischer Schuldenstaaten in ihren Büchern als die griechischen, französischen oder italienischen Institute. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Reihenfolge bei der zweiten Runde umkehrt: Die ersten werden die letzten sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1159614
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.10.2011/jab
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.