Süddeutsche Zeitung

Kontrollen bei Banken:Gesetz gemacht, Umgehung gefunden

Achtung, inkognito: Ermittler der Finanzaufsicht sollen prüfen, ob Banken richtig beraten. Doch anstatt nur zu kontrollieren, ob die Institute die Gesetze einhalten, müsste sich die Behörde die Strukturen in den Häusern ansehen.

Daniela Kuhr

Es gab eine Zeit, da genossen Bankberater hohes Ansehen. Wie sie in Anzug und Krawatte ihre Kunden empfingen, geduldig Tabellen und Grafiken präsentierten und schließlich ein Produkt empfahlen - all das wirkte überaus seriös. Man vertraute ihnen. Doch von dem guten Ruf ist nicht viel übriggeblieben. Spätestens seit der Finanzkrise wissen die Kunden: Bei vielen der freundlichen Beratungsgespräche ging es gar nicht um ihr Wohl, um ihre Interessen. Sondern allein um das Geschäft für die Bank.

Die Bundesregierung unternimmt nun einen weiteren Vorstoß, um diesen Missstand zu bekämpfen. Künftig wird die Finanzaufsicht, die Bafin, verdeckte Ermittler in die Filialen schicken, die sich als normale Kunden ausgeben, in Wahrheit aber prüfen, ob die Banken richtig beraten. Stellen sie Fehler fest, kann die Bafin bis zu 50.000 Euro Bußgeld verhängen. Der Schritt war überfällig, denn in den vergangenen Monaten hat sich gezeigt: Alle neuen Pflichten, die der Gesetzgeber den Kreditinstituten auferlegt, nützen nichts, wenn es keine effektive Kontrolle gibt, ob sie auch eingehalten werden. Und daran fehlt es bis heute.

So ist längst gesetzlich vorgeschrieben, dass der Kunde "anleger- und anlagegerecht" beraten werden muss. Das heißt: Die Bank darf ihm nur ein Produkt empfehlen, das wirklich zu ihm passt, zu seiner finanziellen, beruflichen und familiären Situation. Der Berater muss das Produkt so erklären, dass der Kunde es versteht, egal wie alt oder jung, gefuchst oder naiv er ist. Seit diesem Jahr hat die Bank ihm zudem ein Protokoll auszuhändigen, das den Verlauf des Beratungsgesprächs wiedergibt. Es soll dem Kunden erleichtern, eine eventuelle falsche Beratung zu beweisen. Wie gesagt, all das steht bereits im Gesetz. Es mangelt also nicht an Vorschriften. Dass es aber mit der Durchsetzung hapert, haben mehrere Untersuchungen von Verbraucherschützern zuletzt erneut gezeigt.

Immer noch werden risikoscheuen Kunden hochspekulative Produkte verkauft, oder Rentnern Sparverträge, die 20 Jahre laufen. Und die Protokolle dienen häufig allein dazu, der Bank einen Persilschein auszustellen. Die Verbraucherschützer selbst können nicht viel mehr machen, als die Falschberatungen öffentlich anzuprangern. Bußgelder verhängen dürfen sie nicht, und auch der Finanzaufsicht sind die Hände gebunden, solange es sich bei den Testern um nicht-staatliche Verbraucherschützer handelt. Der einzige Weg, der aus diesem Dilemma führt, ist der, den die Bundesregierung jetzt angeregt hat: Die Bafin muss eigene kompetente Tester beauftragen. Das Ergebnis wäre dann offiziell. Es könnte veröffentlicht werden und Sanktionen zur Folge haben.

Allerdings reicht dieser Schritt nicht. Beließe man es dabei, wäre das so, als würde der Arzt die Symptome einer Krankheit bekämpfen, ohne sich mit der Ursache zu befassen. Dass Berater ihren Kunden immer wieder unsinnige Produkte aufschwatzen, hat ja Gründe. Ein entscheidender ist der Verkaufsdruck, unter dem sie stehen. Bei den Instituten gilt derjenige als guter Mitarbeiter, der die meisten Anleger zu einer Unterschrift überredet. Denn mit jedem verkauften Produkt kassiert die Bank Provision. Ob der Fonds, das Zertifikat oder der Bausparvertrag sinnvoll für den Kunden sind? Zweitrangig.

Dieser Punkt aber kommt in der Diskussion momentan zu kurz. Statt nur zu kontrollieren, ob die Institute die Gesetze einhalten, müsste die Finanzaufsicht sich die Strukturen in den Häusern ansehen. Wie sind die Vorgaben, die das Management oben den Mitarbeitern unten macht? Lassen sie überhaupt zu, dass Kunden "anleger- und anlagegerecht" beraten werden? Oder ist der Verkaufsdruck zu groß? Das sind die Fragen, denen die Banken sich stellen müssen. Auch aus eigenem Interesse. Denn nur dann besteht die Chance, dass sie das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1040484
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.12.2010/mel
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.