Kontrolle der Banken:Die Finanzen sind heilig

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"Wenn nicht jetzt, wann dann?" Kommissionspräsident Barroso will eine europäische Finanzaufsicht gründen. Widerstand kommt aus London.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Der Aufbau einer europäischen Finanzmarktaufsicht ist gefährdet. In immer mehr Mitgliedsstaaten regt sich Widerstand gegen die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Reform der bisher national zersplitterten Finanzaufsichten. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso forderte die europäischen Regierungschefs am Mittwoch in Brüssel auf, endlich die Konsequenzen aus der dramatisch verlaufenden Finanz- und Wirtschaftskrise zu ziehen.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso will eine europäische Finanzmarktaufsicht gründen - doch in den Mitgliedsstaaten regt sich Widerstand. (Foto: Foto: dpa)

"Wenn es uns in der Krise nicht gelingt, mit der Vergangenheit zu brechen, wann dann?", erklärte Barroso. Er erinnerte an die EU-Beschlüsse vom Herbst 2008. Damals habe es "unter den europäischen Führern eine große Einigkeit für strengere Aufsichtsregeln" gegeben. Die nationalen Konjunkturmaßnahmen müssten jetzt durch eine europäische Finanzaufsicht stabilisiert werden. Der Kommissionspräsident forderte die Regierungen der 27 EU-Länder auf, den Vorschlägen auf ihrem Gipfel am 21. Juni zuzustimmen, um das neue Aufsichtssystem im kommenden Jahr installieren zu können.

Furcht vor Entmachtung

Innerhalb der Union sind die Vorschläge umstritten. Die Londoner City, das größte europäische Finanzzentrum, wehrt sich gegen jegliche Zentralisierung. Der Regierung in Paris will Brüssel dagegen mehr Kompetenzen übertragen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück bezeichnete die Pläne als "sehr ambitioniert". Kleinere EU-Staaten fürchten, dass ihre nationale Finanzaufsicht entmachtet werden könnte.

Barroso trat den Bedenken entgegen. Die Aufsicht werde "nicht zentralisiert". Die nationalen Behörden für die Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht sollten künftig vielmehr innerhalb eines "Europäischen Rates für Finanzaufsicht" kooperieren, um drohende Krisen früh zu erkennen und gegenzusteuern. Analog sollen die drei Ausschüsse für Banken (Committee of European Banking Supervisors), für Versicherungen und Rentenfonds (Committee of European Insurance and Pensions Supervisors) und für Wertpapiere (Committee of European Securities Regulators) als Agenturen aufgewertet und vernetzt werden.

Tagesgeschäft und Frühwarnsystem

Für das Tagesgeschäft bleiben nationale Aufseher zuständig. Nur bei Streitigkeiten soll die EU-Behörde als "letzten Ausweg" eine "verbindliche Entscheidung" treffen können. Ihr soll der Präsident der Europäischen Zentralbank vorsitzen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft bewertete die Pläne "als richtigen Weg zu mehr Finanzmarktstabilität". Es sei "richtig", ein Frühwarnsystem einzurichten und nationale Aufsichten zu vernetzen, sagte auch Karl-Peter Schackmann vom Deutschen Sparkassen-Giroverband. Der Bundesverband deutscher Banken fordert mehr Zentralisierung. Um grenzüberschreitend tätige Institute überwachen zu können, müssten "Aufsichtskompetenzen auf EU-Ebene gebündelt" werden, sagte Verbandspräsident Manfred Weber.

© SZ vom 28.05.2009/lauc/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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