Konten in der Schweiz:Paradies der Potentaten

Seit Jahrzehnten lagern Diktatoren veruntreutes Geld in der Schweiz. Dank eines neuen Gesetzes bekommen die ausgebeuteten Völker nun leichter das schmutzige Kapital zurück.

Thomas Kirchner

Lange galt die Schweiz als Paradies für Kleptokraten. Unter dem Schutz des strengen Bankgeheimnisses konnten Diktatoren aus der ganzen Welt die Milliarden, die sie ihrem Volk oder ausländischen Geldgebern geklaut hatten, sicher in Tresoren oder auf Nummernkonten in der Zürcher Bahnhofstrasse deponieren.

Schweizer Regierung will Bankgeheimnis lockern

Das Schweizer Bankgeheimnis nutzten Diktatoren jahrelang, um dort ihr gestohlenes Kapital zu parken.

(Foto: ZB)

Wie viel es ist, weiß keiner; die US-Organisation Global Financial Integrity schätzt die Summe auf mehr als 150 Milliarden Dollar. So konnte es nicht weitergehen, das wusste die Berner Regierung schon vor den jüngsten Entwicklungen im Streit um das Bankgeheimnis. Schmutziges Geld stinkt, und es macht dreckig.

Sie reagierte mit einer umfassenden Strategie: Schon 1998 gab sich das Land eine vorbildliche Gesetzgebung gegen Geldwäsche. Gleichzeitig mühten sich die Behörden, gestohlenes Geld zurückzugeben. So flossen 683 Millionen Dollar aus dem Besitz von Ferdinand Marcos an die Philippinen, Nigeria erhielt 700 Millionen, die Diktator Sani Abacha geraubt hatte. Insgesamt wurden auf diese Weise nach Angaben der Schweizer Regierung 1,7 Milliarden Dollar in die Herkunftsländer transferiert. (Hier geht's zu einem Überblick.)

Das sei aber nur die Spitze des Eisbergs, meint Daniel Thelesklaf, Chef des Basel Institute on Governance. Außerdem sind beim Versuch der Rückgabe immer wieder rechtliche Probleme aufgetaucht. Am 1. Februar tritt nun ein Schweizer Gesetz in Kraft, das es Bern leichter macht, geparkte Diktatoren-Gelder zu beschlagnahmen und den betroffenen Staaten zurückzugeben.

Lex Duvalier wird das im September 2010 beschlossene Gesetz in der Schweiz genannt, nach dem ehemaligen haitianischen Diktator Jean-Claude "Baby Doc" Duvalier. Fast 25 Jahre lang versuchte Bern vergeblich, die sieben Millionen Franken zurückzuerstatten, die er abgezweigt und in die Schweiz gebracht hatte.

Der Fall Haiti verdeutlicht die Schwierigkeiten, die den durchaus hehren Absichten der Schweizer entgegenstehen: Sie haben es oft mit Staaten zu tun, in denen das Justizsystem in Trümmern liegt. Schon kurz nach dem Sturz des grausamen Diktators 1986 bat die Nachfolgeregierung die Schweiz, Duvaliers Millionen einzufrieren.

Kritik an der Formulierung

Bern erfüllte den Wunsch sofort; um das Geld aber tatsächlich zurückzuerhalten, hätte Haiti ein förmliches Verfahren gegen Baby Doc einleiten müssen. Das aber gelang nie: wegen ständiger Regierungswechsel in dem armen und instabilen Land, und weil Duvalier aus dem französischen Exil heraus noch über Macht verfügte.

Mehrmals verlängerte Bern die Kontensperre, während Duvalier mit Klagen vor Schweizer Gerichten an sein Geld zu kommen suchte. 2008 schließlich gelang es Haiti, auch dank rechtlicher Hilfe aus der Schweiz, ein Verfahren gegen Duvalier einzuleiten. Doch vor einem Jahr, kurz vor dem großen Erdbeben, gab das Schweizer Bundesgericht Duvaliers Einspruch wegen Verjährung seiner Taten statt.

Das Geld wurde abermals eingefroren - und kann nun endlich überwiesen werden, dank des neuen Gesetzes, das für den gleich gelagerten Fall des früheren kongolesischen Diktators Mobutu allerdings zu spät kommt. 2009 musste die Schweiz nach einem Gerichtsbeschluss knapp acht Millionen Franken zurückgeben - an den Mobutu-Clan.

Gemäß dem Gesetz kann die Schweiz geplündertes Vermögen nun auch ohne Rechtshilfeverfahren sperren, einziehen und dem Herkunftsland zurückgeben. Es reicht der Nachweis, dass das Vermögen eines Regenten in seiner Amtszeit übergebührlich anwuchs und Korruption in seinem Land verbreitet ist. Will er das Geld zurück, muss der Amtsträger beweisen, dass er es legal erworben hat; die Beweislast wird umgekehrt. Gleichzeitig muss die Schweiz sicherstellen, dass das Geld dazu verwendet wird, "die Lebensbedingungen der Bevölkerung im Herkunftsland zu verbessern oder die Rechtsstaatlichkeit zu stärken und die Straflosigkeit von Verbrechen zu vermeiden".

Kritikern wie dem Basler Jura-Professor Mark Pieth geht das Gesetz nicht weit genug, weil es nur gegenüber sogenannten failed states - zusammengebrochenen Staaten - angewendet werden kann. Bei Ländern wie Indonesien, Brasilien oder Russland greife es nicht. "Bis von dort Rechtshilfegesuche eintreffen, dauert das Jahrzehnte", sagt Pieth.

Er hätte sich eine breitere Formulierung gewünscht, die sich auf Artikel 72 des Schweizer Strafgesetzbuches stützt, in dem es um die Einziehung krimineller Gelder geht. "Das hat im Fall Abacha aus Nigeria auch funktioniert. Man hätte einfach nur den Begriff des Potentaten im Gesetz definieren müssen, dann wäre es viel breiter anwendbar." Aber die Schweizer Banken hätten nicht das breitestmögliche Gesetz gewollt, sondern "eine Lösung, mit der man leben kann".

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