Kommentar:Was wirklich fehlt

Die Immobilienbranche macht ein Übermaß an Regeln für viele Probleme verantwortlich. Nach der Bundestagswahl ist dieser Reflex wieder besonders ausgeprägt. Das lenkt aber von den tatsächlichen Ursachen ab, die den Wohnungsbau bremsen.

Von Andreas Remien

Dürften die Immobilienverbände ihr eigenes Unwort wählen, würden sie wohl mit großem Abstand die Regulierung auf den ersten Platz hieven. Ob Energiewende, hohe Baukosten oder Rekordmieten in den Metropolen: Die Branche macht ein Übermaß an Regeln für nahezu alles verantwortlich, was im Wohnungsbau gerade schiefläuft. Kurz nach der Bundestagswahl ist dieser Reflex wieder besonders ausgeprägt. Dass Verbände etwa die Abschaffung der Mietpreisbremse fordern und damit vor allem die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder vertreten, ist legitim. Zum Anwalt der Menschen, die in den Städten dringend eine bezahlbare Bleibe suchen oder hohe Mieten zahlen, machen sie sich dadurch aber nicht. Die Regulierungsdebatte verdrängt nämlich die Diskussion über die Ursachen, die den Wohnungsbau tatsächlich viel stärker bremsen.

Richtig ist: Bauen in Deutschland ist zu kompliziert und damit auch zu teuer geworden. Vorschriften und DIN-Normen gehören dringend auf den Prüfstand, damit Wohnungen schneller und günstiger entstehen können. Die Behauptung aber, dass etwa Regeln zum Mieterschutz in großem Stil Investoren abschrecken würden, ist absurd.

Steht in München, Freiburg oder Hamburg ein Grundstück zum Verkauf, gibt es sofort dutzendweise Investoren, die sofort mit dem Bau von Wohnungen anfangen wollen - Regulierung hin oder her. Der niedrige Zins und die hohe Nachfrage nach Wohnungen sorgen dafür, dass Geld und Investoren in Fülle vorhanden sind. Der harte Konkurrenzkampf um die Grundstücke treibt die Preise. Das ist das Kernproblem: In vielen Städten gibt es schlicht nicht genügend (bezahlbare) Flächen. Dem steht die Politik aber nicht ohnmächtig gegenüber. Geeignete Instrumente wären zum Beispiel eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Planungsbehörden, eine konsequent verbilligte Abgabe von staatlichen Flächen (mit entsprechenden Auflagen), eine intelligente Nachverdichtung, eine drastische Verbesserung der Infrastruktur und der Mobilität in den Regionen oder eine reformierte Grundsteuer, die Anreize für die Bebauung schafft.

Wenn ein Projektentwickler eine geeignete Fläche gefunden hat, stößt er schnell auf den zweiten großen Bremsklotz: Die Bauwirtschaft in Deutschland ist an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen. Das merken längst nicht mehr nur Privatleute, die ein Einfamilienhaus bauen oder sanieren wollen, sondern auch die größeren und großen Unternehmen. Wer tatsächlich den Wohnungsbau ankurbeln und so die Märkte in den Städten entlasten will, muss seinen Fokus auf die Flächen und die Baubranche richten - nicht auf die ewig gleichen Regulierungsdebatten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: