Kollaps von Indymac:Angst vor dem Milliardengrab

Die spektakuläre Indymac-Pleite sorgt bei Kunden und Aktionären anderer Geldinstitute für Misstrauen: Gerüchte um Liquiditätsprobleme der Investmentbank Lehman Brothers ließ deren Aktie um fast 40 Prozent abstürzen.

Martin Hesse

Eine knappe Mitteilung, eine Telefonnummer und ein Verweis auf den Einlagensicherungsfonds FDIC - mehr haben die Kunden der amerikanischen Indymac-Bank am Wochenende auf deren Internetseite nicht mehr vorgefunden.

Kollaps von Indymac: Briefumschläge von Indymac: Die Bank war auf Kredite ohne Einkommensnachweis spezialisiert.

Briefumschläge von Indymac: Die Bank war auf Kredite ohne Einkommensnachweis spezialisiert.

(Foto: Foto: Reuters)

Doch die meisten Betroffenen wussten da ohnehin bereits, dass sie sich an den FDIC wenden müssen, um an ihr Geld zu kommen. Indymac ist pleite und hat damit die Verunsicherung in der Finanzwelt weiter verschärft.

Ein Senator soll Mitschuld an der Pleite haben

Schon vergangene Woche waren die Kurse amerikanischer Finanzdienstleister abgerutscht. Besonders den Hypothekenfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac sowie die Investmentbank Lehman Brothers entzogen Anleger das Vertrauen und stürzten die amerikanischen Leitindizes dadurch in einen Bärenmarkt. Davon sprechen Investoren, wenn die Börsen sich mehr als 20 Prozent von ihren Höchstständen entfernt haben.

"Diese Institution ist heute einer Liquiditätskrise zum Opfer gefallen", hatte der Direktor der Bankenaufsichtsbehörde OTS, John Reich, am Freitagabend festgestellt. Reich sieht eine Mitschuld für den Kollaps bei dem New Yorker Senator Charles Schumer.

Zwar habe Indymac bereits Probleme gehabt, den Geldengpass hätten jedoch Aussagen des Senators mitverursacht. Schumer hatte am 26. Juni in einem Brief die Zahlungsfähigkeit der Bank angezweifelt. Seitdem haben Kunden laut OTS innerhalb von elf Tagen 1,3 Milliarden Dollar abgezogen. Schumer konterte die Vorwürfe prompt: "Hätte OTS ihre Aufgabe als Aufsichtsbehörde erfüllt und die laxe Kreditvergabepraxis bei Indymac unterbunden, stünden wir nicht da, wo wir heute sind."

Schwerster Kollaps seit 1984

In den vergangenen zwei Wochen hatte die Bank mit drastischen Maßnahmen versucht, einen Kollaps zu verhindern. Indymac kündigte an, die Hälfte ihrer 7200 Mitarbeiter zu entlassen und keine neuen Kredite zu vergeben.

Doch die Schritte kamen zu spät. Binnen eines Jahres war der Aktienkurs von 28 Dollar auf ebensoviele Cents gefallen. Nach drei Quartalen mit dreistelligen Millionenverlusten war die Bank mit Vermögenswerten von 32 Milliarden Dollar am Ende. Der FDIC will Indymac nun binnen 90 Tagen verkaufen oder zerschlagen. Seit der Continental Illinois Bank im Jahr 1984 musste in den USA keine so große Bank mehr Insolvenz anmelden.

Angst vor dem Milliardengrab

Alle Kunden, deren Einlagen bei Indymac 100.000 Dollar nicht übersteigen, sind durch den Sicherungsfonds vollständig geschützt. Den staatlichen FDIC kostet das zwischen vier und acht Milliarden Dollar, etwa ein Zehntel seines gesamten Volumens. Etwa 10.000 Kunden sind jedoch nicht vollständig abgesichert und könnten zusammen etwa eine Milliarde Dollar verlieren. Am Montag will der FDIC die Bank wieder öffnen. Kunden können ihre Ansprüche geltend machen.

Andere Aktionäre sind verunsichert

Verunsicherung dürfte die spektakuläre Pleite auch bei den Kunden und Aktionären anderer Geldinstitute auslösen. Am Freitag war die Aktie der viertgrößten amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers um 37 Prozent gefallen.

Seit Monaten kursieren Gerüchte, Lehman könne es ähnlich ergehen wie dem Konkurrenten Bear Stearns, der im März in Zahlungsnöte geriet und mit Unterstützung der Notenbank Fed weit unter seinem vorherigen Börsenwert an die Bank JP Morgan verkauft wurde. Lehman hatte im zweiten Quartal fast drei Milliarden Dollar verloren. Liquiditätsprobleme hat die Bank jedoch immer wieder zurückgewiesen. Im Juni holte Lehman sich sechs Milliarden Euro frisches Kapital, um die Lage zu stabilisieren.

In dieser Woche legen weitere amerikanische Banken Quartalszahlen vor, darunter Citi und Merrill Lynch. Von den etwa 400Milliarden Dollar, die Banken weltweit infolge der Kreditkrise bislang abschreiben mussten, entfallen 43 Milliarden Dollar auf Citi. Analysten rechnen damit, dass Citi im zweiten Quartal erneut bis zu neun Milliarden Dollar abschreibt. Die Bank hatte vergangenen Freitag ihre deutsche Tochter Citibank für 7,7 Milliarden Dollar an die französische Bank Crédit Mutuel veräußert, um die Kapitaldecke zu stärken.

Bei Merrill Lynch rechnen Analysten mit weiteren Abschreibungen von bis zu sechs Milliarden Dollar. Es gibt Spekulationen, Merrill werde wie andere Banken die Dividende kürzen oder Teile des Vermögensverwalters Black Rock verkaufen. Etwas besser steht nach Einschätzung der Analysten JP Morgan da. Allerdings dürfte die Übernahme von Bear Stearns das Quartalsergebnis erheblich belasten.

Wie aussagekräftig die Zahlen überhaupt sind, ist in der Bankenbranche umstritten. An diesem Donnerstag will der internationale Bankenverband IIF unter der Führung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann über den Stand der Pläne für einen Verhaltenskodex berichten. Beobachter erhoffen sich davon Signale, welche Konsequenzen die Banken selbst aus der Krise ziehen wollen.

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