Kötitzer Leder verlässt die Börse:Die teuerste Aktie Deutschlands - vorbei

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Schluss! Aus! Vorbei! Das Papier von Kötitzer Leder, die teuerste Aktie Deutschlands, soll vom Kurszettel verschwinden. Der Grund ist simpel: Es lohnt sich nicht mehr.

Corinna Nohn

Wer vor gut zwei Jahren bei den Kötitzer Leder- und Wachstuchwerken eingestiegen ist, hat seinen Einsatz mehr als verdoppelt. Allein in den vergangenen drei Wochen legte der Kurs etwa um die Hälfte zu. Doch wahrscheinlich profitieren nur wenige Privatanleger von der Erfolgsgeschichte.

Der Milliardär und Ratiopharm-Gründer Adolf Merckle: Er will Kötitzer Leder nun ganz für sich. (Foto: Foto: dpa)

Es ist die teuerste Aktie Deutschlands; am Dienstag wurde der Kurs auf 15.000 Euro taxiert. Diese Beimischung fürs Depot kann sich nicht jeder leisten. Auch wer jetzt noch einsteigen will, hat schlechte Karten. Die Papiere sind zwar an den Börsen in Frankfurt, Berlin und München zum Handel zugelassen, aber dort wechselte in den vorigen Monaten gerade mal ein Exemplar den Besitzer. Fast alle Papiere - 99,97 Prozent - gehören der KL Holding, die nun die verbleibenden Aktionäre herauskaufen und die Gesellschaft von der Börse nehmen möchte.

Mit der Textilbranche, wie es der Name nahelegt, hat Kötitzer Leder schon lange nichts mehr zu tun: Das 1897 als "Deutsche Pluviusin A.-G.'' im sächsischen Coswig gegründete Unternehmen hat die Verarbeitung von Leder und Stoffen vor etwa 60 Jahren eingestellt.

Die Tuchwerke haben sich in eine Vermögensverwaltung gewandelt. Diese hat sich nach Zwischenstationen in Düsseldorf und Berlin 2002 in Norderfriedrichskoog in Schleswig-Holstein, damals ein Steuerparadies, niedergelassen.

Merckle im Hintergrund

"Seit der Nachkriegszeit ist die Gesellschaft ein reiner Börsenmantel'', sagt auch Werner Harder, seit sechs Jahren Vorstand von Kötitzer Leder. Ein sehr attraktiver Mantel. Immerhin hat Kötitzer Leder in den ersten neun Monaten dieses Jahres mit gerade einmal drei Mitarbeitern und einem Umsatz von 39.000 Euro einen Überschuss von 680 Millionen Euro erwirtschaftet.

Möglich machen das Einnahmen aus assoziierten Unternehmen. Denn hinter der KL Holding, die nun die vollständige Übernahme von Kötitzer Leder anstrebt, steht der Milliardär Adolf Merckle, der auch die Pharmafirma Ratiopharm gegründet hat. Der laut Forbes-Liste viertreichste Mann Deutschlands bündelt bei Kötitzer einige seiner Vermögenswerte.

Dazu gehört eine 49-prozentige Beteiligung an der Spohn Cement GmbH, die wiederum mit 60 Prozent am MDax-Wert Heidelberg-Cement beteiligt ist. In diesen Beteiligungen liege der Zuwachs der Aktie begründet, sagt Vorstand Harder. So wurden zuletzt bei einer Kapitalerhöhung 1985 Aktien nominell für 100 Deutsche Mark ausgegeben, heute sind die Titel am Kurswert gemessen fast das 300-Fache wert.

Trotzdem soll die Gesellschaft nun von der Börse verschwinden. "Es lohnt sich einfach nicht mehr, den Aufwand der Börsennotierung für die wenigen verbliebenen Aktionäre weiter zu betreiben'', sagt Harder. Schließlich habe das Unternehmen nur noch etwa 50 außenstehende Anteilseigner.

Die genaue Anzahl der Aktionäre kennt Harder selbst nicht. Fest steht nur, dass von 157000 Stammaktien 156955 der übergeordneten KL Holding gehören, von 78000 Vorzugsaktien hält die Muttergesellschaft 77997 Stück. Gespannt ist Harder auch, wie viele der Minderheitsaktionäre zur außerordentlichen Hauptversammlung erscheinen - zu den vorhergehenden Treffen sei kaum jemand gekommen.

Saftiger Aufschlag

Am 19. Dezember sollen die Aktionäre ihren Ausschluss aus der Gesellschaft und die Übertragung der Aktien an die KL Holding beschließen. Ein solches sogenanntes Squeeze-out ist möglich, wenn der Hauptaktionär mindestens 95Prozent der Aktien hält.

Dabei scheint die Abfindung, die KL Holding den Aktionären bietet, großzügig bemessen zu sein: 14520 Euro bietet das Unternehmen pro Aktie, das entsprach am Tag des Angebots Anfang November einem Zuschlag von mehr als 3500 Euro auf den damaligen Kurs.

Weitere 200 Euro sollen die Minderheitsaktionäre erhalten, wenn sie darauf verzichten, gegen die Bestimmung der Barabfindung gerichtlich vorzugehen und den voraussichtlich positiven Hauptversammlungsbeschluss mit Klagen zu torpedieren.

"Der Preis ist gut, das kann funktionieren'', sagt Harder. Einige Anleger scheinen sich jedoch mehr als die insgesamt gebotenen 14720 Euro zu erhoffen, vielleicht glauben sie, dass die Holding ihr Angebot noch nachbessert. Nur so ist zu erklären, dass den Börsen beim derzeitigen Kurs Kaufwünsche vorliegen und ein Kaufwilliger über die Berliner Börse sogar 15750 Euro geboten hat.

Doch selbst wenn die Aktionäre noch mehr herausholen sollten - an den Preis der teuersten Aktie der Welt kommen sie nicht heran. Ein Anteil an Warren Buffets Beteiligungs-Imperium Berkshire Hathaway kostet mehr als 90000 Euro.

© SZ vom 28.11.2007/bpr/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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