Koalition knackt Pharma-Monopol:Billige Pille

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Die Politik nimmt die Pharma-Industrie an die Leine: Die Unternehmen sollen künftig mit dem Spitzenverband der Krankenkassen verhandeln. Das soll Milliarden sparen.

G. Bohsem

Die schwarz-gelbe Koalition hat sich darauf verständigt, das Preismonopol der Pharmaindustrie aufzuweichen. "Erstmals können die Unternehmen die Preise für neue Arzneimittel nicht mehr einseitig bestimmen", sagte Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). Unter anderem deshalb sind die Arzneimittelpreise in Deutschland bis zu 20 Prozent höher als im europäischen Ausland. Während die Koalition mit sinkenden Kosten rechnet, erwartet die Opposition das glatte Gegenteil.

Nach Röslers Worten ergibt sich durch die Pläne ein kurzfristiges Einsparvolumen von 1,5 Milliarden Euro. Längerfristig könnten es bis zu drei Milliarden Euro werden. FDP und Union grenzen damit ein Privileg ein, das die Pharmaindustrie in Europa sonst nur noch in Malta und Dänemark genießt. Derzeit können die Unternehmen nämlich bei vollständig neu entwickelten Medikamenten selbst entscheiden, wie viel Geld sie dafür verlangen. Die Krankenkassen sind gezwungen diesen Preis zu zahlen sobald die Arzneimittel zugelassen waren.

Laut Plänen der Koalition darf die Industrie zunächst auch weiterhin die Preise für ihre neuen Medikamente alleine festlegen. Sie muss aber von 2011 an innerhalb eines Jahres mit den Kassen Abschläge aushandeln. Die Kassen können dies selbst übernehmen oder ihren Spitzenverband beauftragen. Gibt es kein Ergebnis, entscheidet innerhalb von drei Monaten eine Schiedsstelle. Die Firmen sind zudem verpflichtet, deutlich intensiver über die Wirkung und den Nutzen ihrer neuen Präparate Auskunft zu erteilen. Gibt es im Vergleich zu anderen Mitteln keinen nennenswerten Zugewinn, werden automatisch Preisabschläge im Rahmen des Festbetragssystems fällig.

Preise werden eingefroren

Die Pharmaindustrie regierte mit scharfem Protest. Die Eckpunkte des Ministers seien "Gift für den Standort Deutschland", erklärte der Verband forschender Arzneimittelhersteller. Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie geißelte vor allem die Kurzfristigen Sparmaßnahmen. Hier will die Koalition die Abgaben der Industrie von sechs auf 16 Prozent anheben. Für die nächsten drei Jahre sollen zudem die Preise für Medikamente auf dem Stand vom August des vergangenen Jahres eingefroren werden. Nach Angaben aus Koalitionskreisen gibt es noch darüber Streit, wann die Kurzfrist-Pläne wirksam werden sollen. Während Rösler darauf dränge, sie so schnell wie möglich in Kraft zu setzen, poche die CSU auf einen späteren Beginn, hieß es.

Die gesetzlichen Krankenkassen verzeichnen gewaltige Defizite, die im Jahr 2011 auf bis zu 15 Milliarden Euro steigen könnten. Grund dafür ist die Wirtschaftskrise aber auch die zuletzt deutlich gestiegenen Ausgaben. So gaben die Kassen 2009 etwa 30 Milliarden Euro für Arzneimittel aus, 5,3 Prozent mehr als noch im Jahr davor. Auch nimmt der Pharma-Anteil an den Gesamtausgaben der GKV seit Jahren zu. Insbesondere die Ausgaben für die innovativen Medikamente explodierten in den vergangenen Jahren.

Änderungen plant die Koalition auch bei Generika, also Nachahmungen von Originalen, deren Patentschutz abgelaufen ist. Hier will sie die Einsparpotenziale allerdings aufweichen, um die mittelständische Industrie zu schützen. Künftig sollen die Patienten wählen können, welches der Generika sie möchten. Falls es teurer sei als das von der Kasse ausgehandelte, könnten sie es trotzdem erwerben, wenn sie einen Zuschlag zahlten.

Rösler sagte, die Preise der Arzneimittel in Deutschland müssten wirtschaftlich und kosteneffizient bleiben. Der stellvertretende CSU-Fraktionschef Johannes Singhammer betonte, die Patienten müssten die besten Medikamente erhalten, die es weltweit gebe. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sprach von einer fast schon historischen Entscheidung, die ausgerechnet die schwarz-gelbe Koalition herbeiführe.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bezeichnete die Vorschläge als völlig verfehlt. "Das ist wirklich das dümmste, was man machen kann", sagte er der SZ. Weil die Pharmahersteller vor den Verhandlungen immer noch über die Preise bestimmen könnten, würde es nicht billiger. "Im Gegenteil, im ersten Jahr werden die Preise gewaltig steigen." Lauterbach kritisierte zudem, dass die Verhandlungen auf Basis von Bewertungen geführt werden sollen, die von der Industrie stammten. "Das wäre so als ob Öko-Test die Energieeffizienz eines Autos auf Basis eines Herstellerberichts bewerten müsste."

© SZ vom 27./28.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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