Kirchensteuer:Der Weg von Gottes Geld

Trotz der vielen Kirchenaustritte: Noch nie haben evangelische und katholische Kirche so viel eingenommen wie in diesem Jahr. Aber wohin fließt eigentlich die Kirchensteuer?

Von Matthias Drobinski

Das ist Rekord. Fast elf Milliarden Euro werden die katholische und die evangelische Kirche in diesem Jahr wohl von ihren kirchensteuerzahlenden Mitgliedern erhalten, fünf bis sechs Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Und das trotz der vielen Kirchenaustritte - die gute Konjunktur macht das mehr als wett. Der größte Teil der gesamten Einnahmen stammt aus der Kirchensteuer, es gibt aber noch andere Geldquellen: Fast eine halbe Milliarde Euro bekommen die katholische und evangelische Kirche zusammen aus den sogenannten Staatsleistungen, die Ausgleichszahlungen der Bundesländer vor allem für die Enteignungen aus dem Jahr 1803 sind. Dazu Erträge aus Geldanlagen, Mieten, Pachten, Spenden und staatliche Zuschüsse, für Jugend- und Altenarbeit zum Beispiel oder für die Renovierung von Kirchen und anderen Gebäuden.

Die Kirche in Deutschland gehört zur Mittelklasse

Die Kirchen sind reich in Deutschland, verglichen mit anderen Ländern. Sie sind das, weil sie in einer reichen Gesellschaft leben - und weil sie das Grundgesetz gut absichert, den Einzug der Kirchensteuer über das Finanzamt garantiert, indirekt gar viele Bischofsgehälter finanziert. Sie sind nicht obszön reich, wenn man bedenkt, dass allein die zehn reichsten Deutschen zusammen fast 150 Milliarden Euro besitzen sollen. Sie sind, wenn man so will, wie das Gros ihrer Mitglieder ordentliche Mittelklasse.

Bischofsresidenz Limburg

Franz-Peter Tebartz-van Elst baute mit dem Geld des Bischöflichen Stuhls in Limburg seine neue, 30 Millionen Euro teure Bischofsresidenz.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Wie wohlhabend die Kirchen wirklich sind, können sie selbst gar nicht genau sagen. In der katholischen Kirche gibt es zudem noch weitere Haushalte: den des Domkapitels und des Bischöflichen Stuhls zum Beispiel. Mit dem Geld des Bischöflichen Stuhls in Limburg baute der dortige Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst seine neue, 30 Millionen Euro teure Bischofsresidenz. Schon vor dem Skandal hatten einige evangelische Landeskirchen angekündigt, ihre Buchhaltung so umzustellen, dass ihr gesamtes Vermögen erfasst wird. Nun wollen die Katholiken nach und nach folgen. Das Bistum Limburg ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat, soweit möglich, seinen Besitz erfasst und bewertet - er umfasst insgesamt eine Milliarde Euro.

Das meiste Geld geht an die Mitarbeiter

Neben dem großen Batzen der Kirchensteuer fällt der hohe Anteil an Zuschüssen und staatlichen Fördermitteln auf. Spenden, Erbschaften und Kollekten spielen mit drei Prozent der Einnahmen kaum noch eine Rolle, der Anteil der Staatsleistungen, von denen Kritiker sagen, sie gehörten längst abgelöst, ist noch kleiner.

Fast drei Viertel ihrer Einnahmen geben die Landeskirchen fürs Personal aus, für Pfarrer, Diakone, Gemeindehelfer, Küster, Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagogen, für Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung, der Eine-Welt-Arbeit, für Leitungs- und Verwaltungspersonal. Etwas mehr als zehn Prozent fließen in den Bau und die Erhaltung von Gebäuden, der Rest sind vor allem Rücklagen, Versorgungsansprüche. Die Sozialarbeit der Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie finanziert sich übrigens nicht über die Kirchensteuer. Wie andere Sozialträger auch zahlen Krankenkassen, Kommunen, Bund und Länder für die Dienstleistungen, die in Krankenhäusern oder Pflegestationen erbracht werden.

Die Kirchen könnten den Armen mehr Geld geben

Mit ihrem Geld organisieren die Kirchen also vor allem ihre Seelsorge, ihre Gebäude, ihren Betrieb. Wie in allen Institutionen kostet die Verwaltung Geld, doch sie ist kein Wasserkopf; es gibt immer wieder Misswirtschaft und Finanzskandale, insgesamt aber wirtschaften die Kirchen solide - und bis heute ohne Schulden.

Doch genügt das für Kirchen, die sich auf Jesus berufen, der sagte, dass eher ein Kamel durchs Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in den Himmel kommt? Müssten die Kirchen nicht ihr Geld viel stärker nutzen, um an der Seite der Armen zu sein? Ja, sagt ein prominenter Christ - Papst Franziskus. Er wünscht sich sogar eine arme Kirche, die nicht mehr um die Erhaltung der Institution sich sorgt, sondern um alle Menschen, die am Rand stehen. Das ist vielleicht die größere Herausforderung als die Frage, wie lange es die Kirchensteuer geben wird.

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