Kirch-Prozess:Sonntags in einem Hotel

Hat die Deutsche Bank dafür gesorgt, dass in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg das Thema Kirch angesprochen wurde? Um ein Geschäft mit der Pleite zu machen? Um das zu klären, schaut sich das Oberlandesgericht München einen Film an.

Hans von der Hagen

Der Zeuge Michael Storfner wirkt fahrig. Richter Guido Kotschy am Oberlandesgericht München fragt nach: "Sind sie unglücklich?" "Nein", antwortet Strofner. "Nur nervös". Kotschy lässt protokollieren: "Auf den Auftrittsvorhalt, dass der Zeuge unglücklich wirke, sagt der Zeuge: "Ich bin zum ersten Mal vor Gericht und nervös."

Middelhoff sagt im Kirch-Prozess aus

Die Vertreter der Deutschen Bank können kaum verhehlen, dass sie das, was im Oberlandesgericht München stattfindet, vollkommen überflüssig finden.

(Foto: dpa)

Bei keinem anderen Zeugen in diesem Prozess des Medienunternehmers Leo Kirch gegen den früheren Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, hat Kotschy Vergleichbares gemacht.

Dabei wirken viele unglücklich in diesem Prozess - vor allem auf Seiten der Deutschen Bank. Rolf Breuer etwa, der an jedem dieser Prozesstage dabei ist. Meistens schweigend. Die Frankfurter können kaum verhehlen, dass sie das, was im Oberlandesgericht München stattfindet, vollkommen überflüssig finden.

Wurde die Frage abgesprochen?

Storfner arbeitete 2002 als Korrespondent für die deutsche Sparte der Nachrichtenagentur Bloomberg. Er war es, der das mittlerweile legendäre Interview mit Breuer führte. Er ist damit eine zentrale Person in diesem Verfahren: Kirch behauptet, dass dieses Interview ihn ruiniert habe. Dass die Deutsche Bank ihn erledigen wollte, um an lukrative Beratungsmandate zu kommen. Der Vorwurf lautet also vereinfacht: Komplott. Einige Wochen nach dem Interview war die Kirch-Gruppe pleite - vorher allerdings auch schon angeschlagen.

Das Gespräch mit Breuer wurde sonntags in einem Hotelzimmer in New York geführt - anlässlich des Weltwirtschaftsforums, das 2002 ausnahmsweise nicht in Davos, sondern in den USA stattfand. Das Gericht lässt das Video an diesem Mittwoch im Gerichtssaal zeigen: Breuer sitzt dort vor einem Fenster, dunkler Anzug, rot gemusterte Krawatte, dahinter gelbe Gardinen, weißer Tüll. Es ist ein kurzer Auftritt des damals wichtigsten Mannes der Deutschen Bank.

Zunächst geht es um den möglichen weiteren Konjunkturverlauf, dann um die Geschäftsentwicklung der Deutschen Bank und am Ende um Kirch. Das ist der entscheidende Teil des Interviews.

Das Gericht will wissen: Wie kam diese Frage in das Interview? Spontan? Oder nach vorheriger Absprache? Zeuge Storfner sagt, dass er sich am Sonntagvormittag mit Hilfe des Nachrichtentickers seiner Agentur auf das Interview vorbereitet habe.

Dort habe er auch gelesen, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder sich in den Fall Kirch eingeschaltet habe. Das habe Bloomberg unter Berufung auf einen Artikel in der Financial Times berichtet. Darum habe er sich das Stichwort Kirch aufgeschrieben. Ob das Thema Kirch am Ende detailliert mit Gliederungspunkten auf seinem Zettel stand oder lediglich mit einem einzigen Wort als Erinnerungsstütze - daran kann er sich nicht mehr entsinnen.

Ohnehin habe er seinerzeit geplant, "das Fass" Kirch nur dann aufzumachen, wenn noch die Zeit dafür bliebe. Sie blieb, denn Breuer beantwortete die Fragen knapp.

Ganz am Ende des Interviews fragte Storfner: "Die Frage ist ja, ob man mehr ihm hilft, weiter zu machen" (gemeint ist Kirch, d. Red.)

Breuer antwortet: "Das halte ich für relativ fraglich. Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen. Es können also nur Dritte sein, die sich gegebenenfalls für eine, wie Sie gesagt haben, Stützung interessieren."

Breuer - souverän

Brisant? Nö!

Breuer lässt sich nicht anmerken, ob er von der Frage nach Kirch überrascht wurde. Die Antworten kommen im Film souverän. Da ist kein Stutzen und Zaudern erkennbar.

Bloomberg TV strahlte die deutsche Fassung des Interviews am Montag aus, zunächst wohl in einer Kurzfassung ohne den Kirch-Aspekt, später in voller Länge.

Einen besonderen Nachrichtenwert wollen weder Storfner noch sein Kollege, der ebenfalls an diesem Mittwoch vernommene Bloomberg-Redakteur Andreas Scholz, erkannt haben. Scholz hatte das Interview mit Breuer arrangiert und wollte es ursprünglich auch selbst führen, blieb dann aber - seinen Angaben zufolge aus Kostengründen - in Frankfurt.

Die Geschichte habe erst dann an Brisanz gewonnen, als die Financial Times Deutschland am Tag nach der Interview-Ausstrahlung die Schlagzeile brachte: "Deutsche Bank stellt Kirch bloß".

Auch die Deutsche Bank sah zunächst, wie Bloomberg, wohl kein Problem in dem Interview. Das Finanzinstitut habe nicht versucht, Aussagen Breuers nachträglich aus dem Video schneiden zu lassen. Später habe sich der damalige Bank-Sprecher Detlev Rahmsdorf lediglich über eine Textfassung des Interviews beschwert, aber auch das wohl nicht formell, etwa über ein Schreiben an Bloomberg.

Rahmsdorf, der an diesem Mittwoch ebenfalls aussagen musste, zeigte sich vielmehr verwundert über die Behauptung in seiner Vorladung, das Interview könne akribisch vorbereitet und auswendig gelernt worden sein. Das sei absurd, sagt er selbstbewusst.

Auch das Gericht folgt nach derzeitigem Stand nicht der Verschwörungstheorie Kirchs. Die werde sich tendenziell nicht als wahr erweisen, sagte Richter Kotschy am Ende des Verhandlungstages. Allerdings sei auch die Sicht der Deutschen Bank anzuzweifeln, wonach die Äußerungen Breuers nur ein "Unfall" gewesen seien. Es sei nicht auszuschließen, dass Breuer spontan eine Gelegenheit genutzt habe, Interessen gegenüber Kirch durchzusetzen.

Sicher fühlen kann sich in diesem Prozess also keine Seite. Darum sind so viele unglücklich in diesem Verfahren.

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