Süddeutsche Zeitung

Kieber: Liechtenstein und die Steuer-CD:Der fürstliche Makel

Hans-Adam II. regiert Liechtenstein, wie es ihm gefällt. Nun bringen ihn die Bekenntnisse des Steuerdaten-Diebs Kieber arg in Bedrängnis. Und je mehr Details bekannt werden, desto peinlicher wird es für den Landesfürsten.

Uwe Ritzer

Die Titelseite erinnert ein wenig an die Landser-Heftchen. "Ein Tatsachenbericht von Heinrich Kieber" steht da im dramatischen Jargon der fünfziger Jahre. Die folgenden 650 Seiten sind tatsächlich ein Frontbericht. Im Landser werden zweifelhafte Abenteuergeschichten aus dem Zweiten Weltkrieg erzählt. In seinem seit Sonntag ausschließlich im Internet veröffentlichten Buch "Der Fürst. Der Dieb. Die Daten." hat Heinrich Kieber, 45, seine ganz persönliche Kriegsgeschichte aufgeschrieben. Wie er als Mitarbeiter der Treuhandtochter der Liechtensteiner Fürstenbank LGT die Daten von 5800 Steuersündern wie dem deutschen Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel klaute, und sich mit deren Verkauf an insgesamt 13 Staaten am Landesfürsten Hans-Adam II., 65, rächte.

Tage vorher hat Kieber den Kern seiner Geschichte bereits in einem Interview mit dem Magazin Stern erzählt. Das genügte, um den Liechtensteiner Monarchen heftigst zu erzürnen. Kieber sei "ein labiler Mensch", der Phantasie und Wirklichkeit nicht trennen könne, schimpfte Hans-Adam. Einmal in Fahrt, attackierte er auch den Stern in Anspielung auf den einstigen Abdruck falscher Hitler-Tagebücher ("nicht das erste Mal, dass er auf Gauner und Fantasten hereingefallen ist"). Auf den Überbringer der schlechten Botschaft loszugehen ist ein bekannter Reflex aller, die in die Enge getrieben wurden. Zu Kiebers teilweise sehr konkreten Schilderungen und Vorwürfen ist von Hans-Adam nichts zu hören.

Vermutlich wäre es Hans-Adam II. ohnehin am liebsten, die ganze Causa Kieber würde noch vor dem Nationalfeiertag am Samstag in Vergessenheit geraten. Denn je mehr Details bekannt werden, desto peinlicher wird es für den Landesfürsten. Und desto mehr Fragen stellen sich. Kiebers Buch ist über weite Strecken ein unlektoriertes Sammelsurium aus Erlebnissen, aus einer eigenen, selbstverliebten Weltsicht - aber auch aus nachprüfbaren Fakten. Und Kieber bedroht einen lukrativen Mechanismus: Eines der reichsten Monarchengeschlechter Europas lebte Jahrzehnte lang wesentlich davon, dass Menschen in anderen Ländern Gesetze brechen. Zumindest früher half es ihnen sogar trickreich dabei.

Und wo sind die Beweise?

Kieber behauptet in seinem Buch, dass die LGT Treuhand 2002/2003 etwa 3,5 Milliarden Schweizer Franken allein von deutschen Steuersündern verwaltete. Er schreibt von "dubiosen Millionenzahlungen im Umkreis der Pleite eines Film- und Fernsehkonzerns" aus Deutschland und "Schmiergeldzahlungen im Umfeld eines Anlagenbauers". Es gebe außerdem "noch massenhaft ausgedörrte, halbtrockene und frische Leichen im luftdichten Keller". Beweise für solche Behauptungen bleibt Kieber oft schuldig. An vielen Stellen aber erscheint sein Buch erstaunlich detailliert. So dass sich der Leser fragt, ob der Mann noch mehr belastendes Material besitzt, ein gutes Gedächtnis - oder nur eine lebendige Phantasie. Hunderte Seiten lang beschreibt er, wie er mit ranghohen Unterhändlern und dem Fürsten persönlich über die Herausgabe der gestohlenen LGT-Daten monatelang verhandelte. In freundlichen Telefonaten und einer Audienz in der Fürstenburg hoch über Vaduz. In anderen Ländern kümmern sich Polizei und Staatsanwaltschaft um Erpressungen. In Liechtenstein aber tut der eigens gebildete Krisenstab aus Regierung, Justiz und LGT nichts ohne den Fürsten.

Dessen Macht ist für eine Demokratie im 21. Jahrhundert ungewöhnlich groß. Seine Familie und die fürstlichen Firmen müssen nicht mit lästigen Steuern zum Liechtensteiner Gemeinwohl beitragen. Schlüsselpositionen in Verwaltung und Justiz besetzt der Fürst. Er hält bei Bedarf die demokratisch gewählte Regierung kurz. Auch von den Medien droht kaum Ungemach; die zwei Zeitungen im Land hängen wirtschaftlich von den Regierungsparteien und hohen Staatszuschüssen ab.

Genüsslich breitet Kieber aus, wie ihm, dem Datendieb, die LGT bei seiner zeitweiligen Rückkehr 23 Monate lang eine möblierte Wohnung und seinen Anwalt bezahlte. Bekanntlich hatte er die Daten zunächst zurückgegeben und erklärt, es gebe keine Kopien. Die Sache lief aus dem Ruder, als der Fürst sein Kieber angeblich persönlich gegebenes Wort brach. In dem er nicht dafür sorgte, dass zwei Männer in Liechtenstein verurteilt wurden, die Kieber nach Argentinien gelockt und in Geiselhaft genommen hatten, um ihm Geld abzupressen. Das war für ihn eine traumatische Erfahrung, von der sein ganzes Buch kündet. Doch ermittelt wurde gegen Heinrich Kieber.

Pure Prahlerei

Dass der Fürst nicht ihm half, sondern nach seinen eigenen Interessen das Gerichtswesen beeinflusste (wie er später selbst einräumte) provozierte Kiebers Rache. Er ging ins Ausland und verkaufte die Steuersünderdaten. Der Rest ist bekannt. Von der "öffentlichen Zündung einer Datenbombe" schreibt Kieber im Vorwort zu seinem Buch. Das ist Prahlerei. Überlegenswerter ist dagegen ein anderer Satz: "Ehrenwerte Personen gibt es in dieser Geschichte wenige."

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SZ vom 11.08.2010/mel
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