KFZ-Versicherung:Wo es kracht

Wieder wurden in einem bayerischen Landkreis die meisten Unfälle gebaut. Es ist der gleiche, wie in vielen weiteren Jahren zuvor. Doch die jährliche Schadensstatistik der Versicherer offenbart nicht nur dieses Kuriosum, sondern zeigt, wer künftig mit teureren Versicherungsprämien rechnen muss - und wer spart.

Alina Fichter

Stefan Bosse würde den September am liebsten überspringen, vom friedlichen Sommer direkt in den stillen Winter gleiten. Warum eigentlich nicht? Wenn der Herbst ausfiele, müsste Bosse nicht mehr den Orkan fürchten, der jedes Jahr im September durch Kaufbeuren fegt. Das sonst so idyllische Städtchen, dessen Bürgermeister Bosse ist, gerät aus der Fassung, wenn die Bild-Zeitung die Einwohner als "Deutschlands schlechteste Autofahrer" beschimpft, wie im vergangenen Jahr, und auch der Rest Deutschlands auf die Region blickt.

KFZ-Versicherung: Bayerns Autofahrer schneiden im bundesweiten Vergleich besonders schlecht ab: Sie bauen viele Unfälle.

Bayerns Autofahrer schneiden im bundesweiten Vergleich besonders schlecht ab: Sie bauen viele Unfälle.

Denn wenn der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) seine jährliche Statistik vorlegt, ist vielen längst klar, welche Autofahrer mal wieder die meisten Unfälle gebaut haben: die Kaufbeurer eben. Auch diesmal führt der Landkreis im Ostallgäu die Risiko-Rangliste an, er steht auf Platz 1 von 418 Zulassungsbezirken.

"Zum siebten Mal in Folge", sagt Bosse, es klingt ein wenig resigniert. Schließlich leidet die ganze Stadt finanziell darunter, denn je häufiger es in einer Region kracht, desto höher die Klasse, die der GDV ihr zuweist. Und für Haftpflicht-, Teil- oder Vollkaskoversicherung gilt: Je höher die Regionalklasse, desto teurer die Autoversicherung. Die Kaufbeurer scheinen in der schlechtesten Stufe festzustecken, Nummer zwölf.

Am besten kommen die Kreise Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz weg, Bremen ist die günstigste Großstadt. Neun der zehn Siegerregionen liegen in Ostdeutschland. Am schlechtesten schneiden Bayerns Autofahrer ab, besonders Augsburger und Nürnberger bauten viele Unfälle. Auch Berlin zählt zu den Schlusslichtern (Grafik). 32 Prozent der Autofahrer wurden diesmal einer neuen Regionalklasse zugeteilt, sie sparen künftig oder legen drauf. Bei aller Veränderung bleibt eines gleich: Keine deutsche Region schafft es, Kaufbeuren von seinem Platz zu stoßen: 35 Prozent häufiger kracht es dort als im Rest von Deutschland und auch der Abstand zum Vorletzten - Augsburg - beträgt 19 Prozent.

"Die dümmsten Wagenlenker"

Was dabei für viele Kaufbeurer schwerer wiegt als die hohen Prämien ist der Spott der Nation. In den kommenden Tagen wird das Telefon nicht still stehen und ein Ansturm von Filmteams die Fachwerkhaus-Idylle stören, um "die dümmsten Wagenlenker" zu finden, prophezeit Bürgermeister Bosse.

Dabei weiß niemand so genau, warum das Ostallgäu so viel schlechter dasteht als andere Regionen. "Generell besitzen in Bayern mehr Menschen große Autos, da ist selbst ein Blechschaden sehr teuer", sagt Christian Lübke vom GDV, aber durch Kaufbeuren fahren nur wenige Porsches.

Mit Sicherheit könne man sagen, dass in Ostdeutschland die Straßen in besserem Zustand seien und es weniger Autos gebe als im Westen, so Lübke: "Dadurch werden Unfälle vermieden." Um das Rätsel des Crash-Kreises zu lösen, planen GDV und Bürgermeister Bosse jetzt ein gemeinsames Gutachten. Zum Glück für die Einwohner Kaufbeurens beeinflussen außer der Regionalklasse noch weitere Faktoren die Höhe der Kfz-Prämie.

Dazu gehören Autotyp und Beruf des Fahrers. Rabatte gibt es zudem für Immobilienbesitzer und Menschen, die nur wenig auf den Straßen unterwegs sind. Auch wer nur Fahrer ans Steuer lässt, die älter als 25 Jahre sind, kommt billiger weg.

Die September-Statistik des GDV ist jedes Jahr der Startschuss für einen Preiskampf der Versicherer. Bis 30. November können Autofahrer ihre Policen kündigen und zu einem anderen Anbieter wechseln. Um neue Kunden zu gewinnen, unterbieten sich die Unternehmen gegenseitig. Tatsächlich erwägen laut einer Untersuchung des Kölner Marktforschungsinstituts Psychonomics mehr als 13 Prozent der 46,9 Millionen Fahrzeughalter einen Wechsel, denn der kann sich lohnen. Wer aktiv wird, spart im Mittel bis zu 144 Euro, so die Studie. Experten gehen davon aus, dass der Preiskampf diesmal weniger aggressiv ausgetragen wird als zuvor; viele Gesellschaften schrieben zuletzt Verluste, manche haben Angst zu enden wie Ineas: Der Versicherer musste Insolvenz anmelden.

Verbraucherschützer Thorsten Rudnik warnt Wechsler davor, sich nur am Preis zu orientieren: "Sie sollten darauf achten, dass die Deckungssumme der Haftpflicht mindestens 100 Millionen Euro beträgt und grobe Fahrlässigkeit mitversichert ist." Das bedeutet, dass die Versicherung auch dann zahlt, wenn der Fahrer über eine rote Ampel fährt und dabei einen Schaden verursacht.

Bürgermeister Bosse verrät nicht, ob er seine Versicherung wechseln wird. Er hat anderes im Kopf: Sich vorbereiten für den anstehenden Herbstorkan.

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