Kerviel als Comic-Held:Die Nase voll vom Kapitalismus

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Mit riskanten Spekulationsgeschäften hätte er beinahe die Société Générale zu Fall gebracht - jetzt erscheint die Geschichte des Jérôme Kerviel als Comic.

Mögen die Finanzmärkte auch von immer neuen Hiobsbotschaften erschüttert werden, ein französischer Verlag widmet sich dem Geschehen in der Branche jetzt mit Humor. Mit "Das Tagebuch des Jérôme Kerviel" haben die Autoren Lorentz und Nicolas Million einen Comic aus der Geschichte des 31-jährigen Händlers gemacht, der durch seine riskanten Spekulationsgeschäfte beinahe die Bank Société Générale zu Fall gebracht hätte.

Kerviel als Comic-Held: Wenn Dichtung und Wahrheit sich treffen. (Foto: Foto: Reuters)

Fakten und Fiktion vermischt

Das in dieser Woche im Verlag Thomas Editions erschienene Werk vermischt großzügig Fakten und Fiktion: Von seiner Gefängniszelle aus startet Kerviel darin ein Dienstleistungsunternehmen und spannt seine Mitgefangenen als Angestellte ein. Diese protestieren schließlich gegen schlechte Arbeitsbedingungen und drohen, Kerviel zusammenzuschlagen. "Ich habe die Nase voll vom Kapitalismus", klagt der Comic-Held am Schluss.

Wegen Vertrauensbruchs und Computermanipulation wird jedoch weiterhin gegen ihn ermittelt. Einem internen Bericht von Société Générale zufolge soll er die Risikokontrollen des Instituts umgangen haben und Handelspositionen im Wert von 50 Billionen Dollar aufgebaut haben - einen Betrag, der sogar den Marktwert der Bank selbst überstieg.

Der Skandal machte Kerviel zu einer Art Kult-Antiheld, dem es gelang, die elitären Banker der Société Générale an der Nase herumzuführen - und das, obwohl er nur an den mittelmäßig beleumundeten Universitäten Nantes und Lyon studiert hatte. Linke Kritiker sahen in ihm deshalb eine Art Opfer aus der Arbeiterklasse, dem seine Oberschicht-Chefs übel mitgespielt hätten.

Der echte Jérôme Kerviel ist im März aus dem Gefängnis entlassen worden.

"Kerviel war nur ein Mittel zum Zweck"

Den Autoren geht es mit ihrem Comic weniger um eine Kritik an der Person Kerviel als am Finanzsystem insgesamt. "Kerviel war nur ein Mittel zum Zweck", sagt Lorentz, der unter seinem Künstlernamen firmiert. In Verlagsgründer Francois-Xavier Thomas fanden sie einen Mitstreiter für ihr Vorhaben: Der Verleger ist aus persönlichen Gründen nicht gut auf Banken zu sprechen. "Alle haben sie sich geweigert, uns in der Startphase einen Kredit zu geben, einschließlich der Société Générale ", klagt Thomas. "Sie waren nicht bereit, ein Risiko einzugehen." Ironischerweise zeige der Kerviel-Skandal, dass dieselben Banken ohne Bedenken erhebliches Kapital bei gewagten Finanztransaktionen aufs Spiel gesetzt hätten.

© sueddeutsche.de/Sudip Kar-Gupta/Reuters/kim/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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