Kanzlerin zur Finanzkrise:Merkel: "Die Lage ist ernst"

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In einer pathetischen Regierungserklärung mahnt Bundeskanzlerin Merkel zur Geschlossenheit in der Finanzkrise, beschwichtigt erneut die Sparer und kann letzten Endes doch noch einen Konsens erzielen.

Nico Fried

Ziemlich am Ende richtete sich die Kanzlerin an die Abgeordneten im Bundestag. "Ich glaube, dass jeder von uns hier in diesem Hause einen Beitrag dazu leisten kann, dass Vertrauen wiederhergestellt wird", sagte Angela Merkel. Wenn die Kanzlerin damit zu Besonnenheit und vielleicht auch ein wenig politischer Geschlossenheit angesichts der Finanzkrise auffordern wollte, dann blieb dieser Appell - so viel vorweg - unerhört. Die Debatte, die der Rede folgte, war geprägt von heftigen Beschimpfungen, parteipolitischen Vorwürfen und allerhand Rechthaberei. Der Gegensatz zum für ihre Verhältnisse relativ pathetischen Auftritt Merkels hätte kaum größer sein können.

Kanzlerin Angela Merkel ließ keinen Zweifel am Ernst der Lage: Die Finanzkrise verlange schnelles Handeln, um verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen, sagte Merkel in ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag. (Foto: Foto: Reuters)

"Die Lage auf den Finanzmärkten ist ernst", eröffnete die Kanzlerin am Dienstag zu ungewöhnlicher Abendstunde ihre Regierungserklärung. Eine solche Situation sei "so noch nie dagewesen". Das stelle vieles in Frage, bestätige aber auch vieles, was mit Missmanagement und fehlender Verantwortung verbunden werde. Die wichtigste Währung sei verloren gegangen: das Vertrauen in die Finanzmärkte. Trotzdem sei sie zuversichtlich, dass die Krise gemeistert werde. "Deutschland ist stark", sagte Merkel, das Land habe sich in den vergangenen Jahren "sehr gut aufgestellt".

"Entgelt" für die Bürgschaft der Regierung

Merkel, die sich weitgehend an ihr Manuskript hielt und sich auch von Zwischenrufen nicht ablenken ließ, verteidigte die Rettung der Hypo Real Estate Bank. Ohne darauf näher einzugehen, sprach sie von einem "Entgelt", dass für die Bürgschaft der Bundesregierung zu zahlen sei. Zudem sei eine solche Aktion kein Selbstzweck, sondern diene der Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und damit den Bürgern. Noch einmal bekräftigte sie die Zusage, "dass kein Sparer um seine Einlagen fürchten müsse. "Diese Erklärung gilt."

Nach einiger Schelte für Manager und Rating-Agenturen kam die Kanzlerin auch zur eigenen Verantwortung. Sie verwies darauf, dass die Regierung schon auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm für strengere internationale Regeln "gekampft" habe, räumte aber ein, dass dies vergebens gewesen sei. Immerhin sei nun allenthalben die Einsicht gereift, dass sich etwas ändern müsse. Selbstkritisch müsse man auch fragen, ob die staatliche Bankenaufsicht ihrer Aufgabe gerecht geworden sei. Die Effizienz im Zusammenspiel von Bundesbank und der Bundesagentur für Finanzaufsicht solle nun verbessert werden, wenn auch nicht "mit Schnellschüssen".

Diese Vorlage nahm FDP-Chef Guido Westerwelle dankbar auf. "Wenn Sie Defizite bei der Bankenaufsicht beklagen, beklagen sie Defizite bei sich selbst", so Westerwelle. Die Bundesregierung stehe für die zuständigen Behörden in der Verantwortung. Der FDP-Chef hielt der Regierung vor, sie sei mit der Wahrheit über die Krise "nur scheibchenweise herausgekommen" und habe so Vertrauen erst verspielt. Die rot-grüne Regierung bezichtigte Westerwelle, für die büokratische Struktur der Aufsicht verantwortlich zu sein, was ihn freilich in ein wenig Gewinn bringendes Scharmützel mit dem damaligen Finanzminister Hans Eichel führte, das der FDP-Mann schließlich mit dem Satz resümierte, er könne ja verstehen, dass Eichel mit seinen "Schandtaten" heute nichts mehr zu haben wolle.

Die verortete SPD-Finanzexperte Joachim Poß allerdings eher bei Westerwelle. Der sei ein Brandstifter, der sich als Biedermann gebärde. "Sie wollen ablenken von der Verantwortung ihrer Freunde in der Wirtschaft, von denen Sie ihre Parteispenden erhalten", schimpfte er. "Ihre neoliberale Ideologie ist zusammengebrochen." Ansonsten huldigte Poß vor allem der Regierung - und verteilte seine Freundlichkeiten auf Merkel und SPD-Finanzminister Peer Steinbrück, der die Debatte schweigend verfolgte.

Linken-Chef Oskar Lafontaine hielt der Regierung wie Westerwelle vor, die Krise zu lange verharmlost zu haben. Steinbrück habe "die Lage völlig falsch eingeschätzt". Interessanterweise übernahm Lafontaine das Argument der Hypo Real Estate, Steinbrück habe mit seinem Wort von der Abwicklung die Lage erschwert. Schließlich zieh er die Regierung noch der Inkompetenz, weil nach der Garantieerklärung für die Sparer ein großer Zirkus begonnen habe, welches Geld denn nun eigentlich gemeint sei.

Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn kritisierte grundsätzlich ein System, in dem Gewinne privat blieben und Verluste den Steuerzahlern aufgebürdet werden. Auch hätte die Regierung der Hypo Real Estate kein Geld zur Verfügung stellen dürfen, ohne sich Einfluss auf die Bank zu sichern. Dagegen hatte Merkel an das Drängen der Regierung erinnert, das Management der Bank abzulösen. Als sie erwähnte, dass dies wenige Stunden zuvor auch geschehen sei, erhielt sie nahezu einhelligen Beifall. Es war der einzige Konsens im Hohen Haus an diesem Abend.

© SZ vom 08.10.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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