Josef Ackermann im Gespräch:"Ohne Gewinn ist alles nichts"

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Provokateur vom Dienst: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann über die Moral der Banken, unnütze Finanzprodukte - und seine umstrittene Idee eines Rettungsfonds für Geldhäuser.

H. Freiberger u. U. Schäfer

Wann immer sich Josef Ackermann zur Finanzkrise äußert, hören alle hin. Denn manches, was der Chef der Deutschen Bank sagt, ist umstritten. Erst zweifelte er an den Selbstheilungskräften der Märkte, dann verärgerte er die Kanzlerin mit dem Satz, er würde sich für Staatshilfe schämen. Und nun sorgt seine Idee für Aufregung, einen Notfallfonds für Banken zu schaffen. Manche sehen darin eine Vollkasko-Versicherung für die Finanzindustrie. Ein Gespräch über immer neue Krisen, öffentliche Angriffe und die Zahl 25.

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Foto: AP

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann: "Wenn Sie Chef der größten Bank im Land sind, ... bekommen Sie manches ab, was gar nicht auf Sie persönlich ...zielt."

(Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Ackermann, der Ruf der Banker hat in der Finanzkrise massiv gelitten. Besonders oft fällt Ihr Name. Wie gefällt Ihnen die Rolle als Buhmann?

Ackermann: Wenn Sie Chef der größten Bank im Land sind, stehen Sie natürlich im Zentrum und bekommen manches ab, was gar nicht auf Sie persönlich oder die Deutsche Bank zielt, sondern die Branche insgesamt meint. Das muss man aushalten. Außerdem scheue ich mich nicht, traditionelle Denkmuster zu hinterfragen. Das führt dann manchmal fürs Erste zu ablehnenden Reaktionen, nach einiger Zeit dann aber doch meist zu Zustimmung. Jedenfalls erfahre ich von den Menschen, denen ich begegne, viel Lob dafür, wie wir uns in der Krise als Bank geschlagen, an Rettungsaktionen beteiligt und für Reformen eingesetzt haben. Und das sind nicht nur Einzelfälle, das sagen ja auch Umfragen.

SZ: Fakt bleibt, dass die Banken Fehler gemacht haben.

Ackermann: Es wurden teils sogar massive Fehler gemacht. Aber nicht nur von den Banken. Die Krise geht auf das Zusammenwirken vieler Faktoren zurück. Wir hatten große globale Ungleichgewichte, eine zu expansive Geldpolitik, vor allem in den USA; es gab Lücken in der Aufsicht, Teile der Finanzmärkte waren überhaupt nicht reguliert.

SZ: Bundespräsident Horst Köhler hat angemahnt, es habe aus der Bankenbranche kein laut vernehmliches "Mea culpa" gegeben. Warum nicht?

Ackermann: Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe schon in einer populären Talkshow vor über zwei Jahren, also zu Beginn der Krise, öffentlich bekannt, dass die Deutsche Bank und auch ich selbst Fehler gemacht haben.

SZ: Es geht in dieser Debatte aber nicht nur um sachliche Fehler, sondern auch um die Frage der Moral.

Ackermann: Sicher. Viel wichtiger, als über Moral zu diskutieren, ist aber, durchgängig Spielregeln zu schaffen, die den positiven Seiten des Wettbewerbs genug Raum lassen, aber ruinösen Wettbewerb verhindern. Zugleich müssen Banken viel deutlicher machen, was ihr Beitrag zur sogenannten realen Wirtschaft und zur Mehrung des Wohlstands ist. Der monetäre Sektor hat über Jahrzehnte einen positiven, wertschöpfenden Beitrag für die reale Wirtschaft geleistet - in Deutschland, vor allem aber auch in den aufstrebenden Ländern.

SZ: Naja. Angesichts der Krise überwiegt der Eindruck, dass die Finanzindustrie eher Werte zerstört hat.

Ackermann: Es hat zweifellos Übertreibungen gegeben, die jetzt in der Krise korrigiert werden, mit all ihren negativen Auswirkungen. Aber darüber dürfen die positiven Beiträge der Finanzmärkte zum Wachstum der globalen Wirtschaft in den Jahrzehnten zuvor nicht in Vergessenheit geraten. Diese Wertschöpfung überwiegt die Verluste der vergangenen zwei Jahre bei Weitem.

SZ: Sie wollen keine Moraldebatte führen. Aber wenn bestimmte Banken fahrlässig handeln und einzelne kriminell, und wenn zugleich gewaltige Gehälter gezahlt werden, geht es auch um Moral.

Ackermann: Eines muss klar sein: Bei Gesetzesverstößen darf es keine Toleranz geben. Und natürlich haben Risiken, die Banken eingehen, auch eine moralische Komponente. Kein Unternehmensführer darf Risiken eingehen, die die Existenz des Unternehmens bedrohen. Es ist das Geschäft von Banken, Risiken einzugehen. Deshalb ist Risikodisziplin, man könnte auch sagen Risikomoral, für sie das A und O.

SZ: Was bedeutet Risikomoral genau?

Ackermann: Ganz einfach: Bei allem, was Sie tun, dürfen Sie nie so weit gehen, die Existenz des Unternehmens aufs Spiel zu setzen.

SZ: Die Moral hat auch etwas mit hohen Gehältern zu tun. Die meisten Menschen verstehen nun mal nicht, warum ein Investmentbanker Boni in zweistelliger Millionen-Höhe bekommen muss.

Ackermann: Das ist kein Muss. Gehälter und Boni sind Preise. Sie werden in einer Marktwirtschaft zunächst einmal von Angebot und Nachfrage bestimmt. Hätten wir ein größeres Angebot an Leuten mit den nachgefragten Eigenschaften, würden die Preise sinken.

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