Josef Ackermann: ARD-Film:Hey Joe

Ein Jahr an der Seite des mächtigsten Bankers: Ein ARD-Film zeigt die unbekannten Seiten des Josef Ackermann. Zum Wohle der Deutschen Bank lächelt und schmeichelt er, in Wahrheit aber ist "Joe" knallhart.

Hans-Jürgen Jakobs

Der alte Gassenhauer "Berliner Luft" gehört nicht zum Repertoire des Josef Ackermann. Und doch erklingt der Altschlager von Paul Lincke, als der mächtige Chef der Deutschen Bank bei einem Galaabend auf die Bühne eines Luxushotels in Washington tritt. Bill Clinton, der ehemalige US-Präsident, hat seinen "Freund Josef" zuvor gepriesen, und nun erhält Amerika-Fan Ackermann einen Preis der einflussreichen Denkfabrik Atlantic Council. Er freue sich, dass in diesen Zeiten ausgerechnet ein Banker ausgezeichnet werde, sagt der Manager vor erlauchtem Publikum. An diesem Abend sind seine Augen feucht.

Josef Ackermann

Bewundert und kritisiert gleichermaßen: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Die ARD hat ihn ein Jahr lang begleitet.

(Foto: AP)

"Für die Bank war's unglaublich, weil Clinton hat uns, die Bank, ich weiß nicht wie oft erwähnt", erzählt der Allgewaltige der Deutschen Bank am nächsten Morgen ins Handy hinein. Er sitzt wie so oft in seinem Alltagsleben im Fond einer Dienstlimousine und telefoniert, ein Globetrotter des Kapitals, der die Welt durch Autofenster sieht und dabei seine Telefongesprächspartner mit Sottisen wie "Some people can, some people cannot" unterhält. Manchmal ist bei den Autokonferenzen auch eine Morddrohung dabei, über die er informiert wird, beispielsweise die eines enttäuschten Bankkunden aus Los Angeles.

Kreuzt Josef Ackermann dann einmal im holzgetäfelten Bürotrakt seiner Bank an der Wall Street auf, dann wirkt er wie ein Fremder, der auf seiner Reise um die Erde kurz zum Aktenstudium Platz nimmt. Sein wirklicher Platz sind Hotelsäle, Regierungsgebäude, Restaurants und eben Rücksitze von Limousinen.

Von wegen bescheiden

"Das Besondere an der Deutschen Bank ist, dass sie den Namen des Landes trägt. Das ist ein ungeheurer Vorteil in der ganzen Welt. Wir sind eigentlich die Repräsentantin Deutschlands in der ganzen Welt", sagt Ackermann. Mit solchen unbescheidenen Bekenntnissen und intimen Arbeitsszenen führt eine Dokumentation der ARD an diesem Montagabend zur besten Sendezeit um 21 Uhr vor, "wie die Deutsche Bank das Land umkrempelt", so der Untertitel. Noch nie hat der von manchen bewunderte, aber von vielen auch kritisierte Bankier Fernsehkameras so nahe an sich herangelassen. "Die Welt des Josef Ackermann" im Ersten ist der Höhepunkt einer PR-Kampagne, die den Chef des größten deutschen Kreditinstituts als Globalisten des Geldes zeigt, als internationalen Leader, der über den Niederungen der Alltagspolitik steht und dort, wenn es darauf ankommt, stets freundliche Helfer findet. Und der doch, bei allen Weltenherrscher-Allüren, irgendwie Mensch bleiben will.

Das Opus des TV-Journalisten Hubert Seipel, der den Manager mehr als ein Jahr begleitet hat, führt Josef Ackermann als reisende Instanz vor, dessen ausgeruhtes Lächeln ein großes Netzwerk am Leben erhält. Freundlichkeit ist hier eine Art Dienstwaffe, die dem Präsidenten des internationalen Bankenverbands IIA beim Lobbying hilft, beim Kampf gegen allzu ehrgeizige Regulierungsversuche der Politik. Dagegen wirkt die Strategie Sympathie. Schon im Spiegel war vor einigen Wochen ein offenherziger Ackermann in all seinen Inszenierungskünsten zu bewundern. Vorgeführt wurde die private Aura der Frankfurter Dienstwohnung des Schweizers; zum Höhepunkt der Innenschau zauberte der Spitzenbanker einen Zettel hervor, den er vor 50 Jahren vom Vater bekommen habe. Darauf steht ein Kurzgedicht, das davon handelt, "in Anderer Glück sein eigenes zu finden". Trotz vieler Druckseiten schaffte es das wohlmeinende Stück ("Der Getriebene") am Ende wohl zur Verwunderung der Deutschbankiers nicht aufs Titelblatt.

Die Story mit dem nahbaren "Joe" ist ein PR-Selbstläufer inmitten all der furchterregenden Finanzkrisen-Publizistik. Als "Low-key-Joe" war der unprätentiös auftretende Eidgenosse zu Beginn seiner Amtszeit 2002 bespöttelt worden, doch in Zeiten von Milliardenrisiken erleichtert die Zier-Bescheidenheit Ackermann erkennbar das Geschäft. Er wirkt nicht bedrohlich, nicht wie das kalte Gesicht des Kapitals. Der Repräsentant des Krisengewerbes lächelt.

Aber der Primus der "Deutschen" ist auch ein Mann mit "großer Feuerkraft", wie ein Jugendfreund erzählt, einer aus den Schweizer Bergen bei St. Gallen, der als Offizier in der Armee seinen Schliff bekam und das Investmentbanking als Kampfzone entdeckte. Und der schließlich im Leistung-als-Leidenschaft-Turm in Frankfurt am Main landete, wo es im internen Karriere-Gefecht offenbar gar nicht genug Feuerkraft geben kann. "Jeder in der Deutschen Bank glaubt, er wäre der Klassenbeste", verdeutlicht der langjährige Vorstandssprecher Hilmar Kopper, "deswegen werden wir angegriffen, und damit haben alle in der Bank leben gelernt. Das ist umso ausgeprägter, je weiter man nach oben rutscht." Wer hier siegt, muss viel aushalten können. Es gebe derzeit in der weltweiten Bankenszene keinen Zweiten wie Ackermann, lobt Kopper, keinen mit so viel Einfluss.

Der Deutsche-Bank-Chef, der so unauffällig nett wirkt, nennt sich selbst einen "sehr ungeduldigen Menschen". Angesichts der medialen Dauerbegleitung durch das ARD-Filmteam gönnt er sich und anderen ein paar Einblicke. Er könne "wahrscheinlich etwas sehr fordernd werden", sagt Ackermann. Wenn jemand den Eindruck erwecke, "der will sich wichtig machen und nicht liefert, dann kann ich sehr unangenehm werden". In Ackermanns Welt muss ständig "geliefert" werden, am besten die richtige Zahl. Stillstand ist ihm überhaupt die größte Gefahr, jetzt, wo die Schwellenländer China, Indien und Brasilien so offensichtlich aufholen.

Ackermann sieht sich im Wettstreit mit Goldman Sachs, Citibank und anderen angelsächsischen Größen.

Politiker sieht er als nützliche Spezies, als regionale Bewohner seines Kosmos, von denen sich die eigene Welt jedoch völlig unterscheidet. "Die Politik muss versuchen, Mehrheiten zu schaffen", sagt er: "Damit ist eigentlich oftmals der Kompromiss schon fast die Position an sich, während wir in der Wirtschaft um Positionen kämpfen." Und um Bank-Gewinne für globale Anteilseigner, die Jobs globaler Mitarbeiter sichern sollen.

Jetlag-Leben mit Herausforderungen

Die Welt des Josef Ackermann, das ist das Group Executive Comitee seines Hauses, ein Zirkel der Macht, in dem Investmentbanker den Ton angeben, die mit ihren Finanzwetten für den meisten Gewinn sorgen. Dass sich beispielsweise Kommunen wie Pforzheim, die spread letter swaps gekauft haben, getäuscht fühlen und viele Millionen Euro verloren, ficht den Deutsche-Bank-Chef nicht an: "Ein Risiko ist eben, dass die Erwartungshaltung, dass Zinsen nach oben gehen, nicht erfüllt wird. Aber so naiv ist doch niemand, weder ein Kämmerer noch ein Finanzvorstand noch ein Treasurer eines Unternehmens, um dieses Risiko nicht zu kennen und danach zu handeln." Für den Ex-Bankchef Kopper ist die Gier der Anleger die Ursache der Finanzkrise.

In dem Jetlag-Leben Ackermanns lauern ganz andere Herausforderungen - zum Beispiel die Frage, wo er sich bei all den Reisen durch die Zeitzonen gerade befindet. Shanghai? Mumbai? Sydney? New York? Oder doch wieder einmal Frankfurt? "Das größte Problem ist oftmals", sagt Josef Ackermann, "wenn man am Abend ins Bett geht und am morgen aufsteht, dass man den Lichtschalter nicht findet."

Wie schön einfach wäre es zu sagen: Das ist die Berliner Luft!

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