Jahreshoch an den Börsen:Mitten in der Sommerrallye

Der Aufschwung kehrt zurück: An den Weltbörsen steigen die Kurse auf ein neues Jahreshoch. Es könnte sogar noch höher gehen.

Catherine Hoffmann

Die Stimmung unter den Bankberatern und Aktienstrategen ist gelöst: An den Börsen steigen die Kurse, weltweit. Dax und Dow erklimmen sogar ein neues Jahreshoch. Seit dem Tief am 6. März ist der deutsche Leitindex von 3666 auf 5264 Punkte geklettert, ein Gewinn von 44 Prozent. "Die Frage ist nicht mehr, ob wir eine Sommerrally sehen werden", sagt Alexander Seibold, Vermögensverwalter aus Gmund am Tegernsee. "Wir sind mitten drin."

Jahreshoch an den Börsen: Gut Lachen an der Börse: Dax und Dow befinden sich auf einem neuen Jahreshoch.

Gut Lachen an der Börse: Dax und Dow befinden sich auf einem neuen Jahreshoch.

(Foto: Foto: Reuters)

Einen Gewinn von weiteren zehn Prozent im laufenden Quartal hält Seibold für realistisch. Er ist nicht der einzige, der zuversichtlich ist. Auch Josef Kaesmeier, Geschäftsführer von Merck Finck Invest, freut sich über das "fulminante Feuerwerk".

Die Aktienkurse haben sich von ihren Tiefstständen im Frühjahr deutlich erholt. Das ist nicht verwunderlich. In den ersten Wochen des Jahres hatte die Anleger die Panik gepackt, sie trennten sich von Aktien - um jeden Preis. Nach einem solchen Ausverkauf kommt wie von selbst eine Erholungsphase. Diesmal fiel der Aufschwung allerdings besonders kräftig aus, weil es zuvor so heftig nach unten gegangen war.

Gebeutelten Anleger

Viele Privatleute und institutionelle Investoren, etwa Versicherungen und Pensionskassen, die vom Absturz im vergangenen Jahr böse erwischt wurden, sitzen heute auf Bergen von Barem. Das Geld haben sie 2008 auf Tagesgeldkonten geschoben, für die es zeitweise gut vier Prozent Zinsen gab. Doch damit ist es nun vorbei, für kurzfristige Zinsanlagen gibt es kaum mehr als ein Prozent. Jetzt gucken die gebeutelten Anleger mit weinenden Augen den steigenden Aktienkursen hinterher.

Nun mag sich bei Privatleuten die Trauer in Grenzen halten, professionelle Geldverwalter können es sich aber kaum leisten, der Kursrally hinterherzulaufen. Wer erst zu einem geringen Teil in Aktien investiert hat, auf dem lastet der Druck, die Sommerrally nicht ganz zu verpassen. Deshalb strömt jetzt also viel Kapital an die Börse.

Gut gelaunte Investoren

Hinzu kommt, dass die Zentralbanken Hunderte von Milliarden Dollar in die Banken gepumpt haben, indem sie ihnen schlechte Wertpapiere abkauften und ihnen dafür gutes Geld gaben. Weil die Institute aber mit Krediten zurückhaltend sind, haben sie eine Menge Geld - und das muss irgendwo angelegt werden; Einlagen bei der Zentralbank zu 0,25 Prozent Zinsen sind zunehmend unattraktiv. Und so wandert das Geld an die Börse.

Liquidität ist aber nicht der einzige Grund für die gute Laune der Investoren. Der zweite Grund ist, dass die Quartalszahlen, die viele börsennotierte Gesellschaften gerade vorlegen, weit besser ausfallen als von Analysten erwartet.

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Aktien kaufen und schlafen - diese Zeiten sind vorbei

Erste grüne Pflänzchen

Hinzu kommt die Hoffnung, dass das Ende der globalen Rezession nah ist. "Im Februar und März wurden die ersten grünen Pflänzchen in der Konjunkturwüste noch übersehen", sagt Kaesmeier. "Doch inzwischen erkennen selbst Skeptiker, dass aus den paar Halmen eine Wiese werden könnte." Es kommen mehr und mehr gute Zahlen aus der Wirtschaft, zuletzt überzeugte das Ifo-Geschäftsklima, das die Stimmung in der deutschen Wirtschaft misst; es kletterte im Juli erneut, den vierten Monat in Folge.

Die erfreulichen Konjunkturdaten machen den großen Unterschied zu 2008: Da gab es zwar auch Rallys am Aktienmarkt, die Wirtschaftszahlen aber verschlechterten sich Monat für Monat, jetzt geht es aufwärts. Kaesmeier ist deshalb überzeugt: "Das ist keine Bärenmarktrally mehr, der langjährige Abwärtstrend in allen Aktienmärkten ist gebrochen." Der Stratege kann sich durchaus vorstellen, dass der Dax noch bis auf 5500 oder sogar 6000 Punkte steigt. "Doch dann geht die Luft wieder raus."

Schwache Konjunkturdaten

Anleger sollten sich gut überlegen, ob sie gestiegenen Kursen noch hinterherlaufen. "Im Herbst wächst die Rückschlagsgefahr", warnt Seibold. Dann werde sich aller Voraussicht nach zeigen, dass die Konjunkturdaten in Europa und den USA noch immer sehr schwach seien. Anleger werden fragen: Ist das zarte Pflänzchen des Aufschwungs überlebensfähig?

Seibold und Kaesmeier sind überzeugt, dass Konjunktur und Börsen schwierige Jahre bevorstehen. "Wir werden in den nächsten Jahren einen Sägezahnmarkt erleben wie in den 70er Jahren", glaubt Kaesmeier. Damals erschütterten zwei Ölpreisschocks die Welt. Zwischen Ende der 60er und Anfang der 80er Jahre brachten US-Aktien keinen Gewinn. Das heißt aber nicht, dass es im einen oder anderen Jahr mit Aktien kein Geld zu verdienen gab. Anleger sollten sich darauf einstellen, dass es wieder so kommt. Die Börsen sind schon mittendrin in dieser Phase. Aktien kaufen und schlafen - diese Zeiten sind vorbei.

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